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Diabetischer Fuß – was ist neu, was ist überholt?
Es gibt kein diabetisches Fußsyndrom (DFS) ohne Reduktion des Schmerzempfindens. Die gängige Annahme, ein Fünftel der Betroffenen habe ein rein vaskuläres Problem (pAVK), ist falsch, betonte der Kölner Diabetologe Dr. Dirk Hochlenert. In jedem Fall besteht zumindest eine neuropathische Komponente. Allerdings kann der Stimmgabel-Test trotzdem negativ ausfallen, denn er misst die Tiefensensibilität, nicht das Schmerzempfinden.
Die Indikation für einen operativen Eingriff (z.B. bei Hallux valgus) sollte deshalb bei Diabetikern von objektiven Kriterien und nicht von etwaigen Schmerzen abhängig gemacht werden. Nach dem Eingriff gilt es zu beachten, dass DFS-Patienten mangels Gefühl im Fuß nicht „teilbelasten“ können, ergänzte Dr. Gerald Engels, niedergelassener Chirurg in Köln. Sie treten mit ihrem gesamten Gewicht auf und können so z.B. Osteosynthese-Material ruckzuck zerstören.
Stimmgabeltest schließt Nervenschaden nicht aus
Bei Ulzera eher schädlich wirkt die sog. Weichbettung. Am Übergewicht, das auf die „Polster“ drückt, lässt sich ohnehin nichts ändern. Durch die weiche Konsistenz wird die Auflagefläche vergrößert und der Druck im Zentrum verringert. Gleichzeitig steigt der Druck am Rand an, was bei gesunder Haut nicht schadet, aber die Abheilung von Fußgeschwüren erschwert.
Rund 60 % der diabetischen Fußulzera manifestieren sich an den Zehen. Als Ursache werden dann häufig die Schuhe angeschuldigt (zu eng, zu kurz). Zu Unrecht – in rund der Hälfte der Fälle findet sich als Auslöser eine Fehlstellung der Zehen, die zu einer sog. Plantarisation führt. Um diese zu erkennen, sollten Sie den Patienten auch im Stehen untersuchen. Beim Auftreten und Abrollen sehen Sie die Hyperflexion der betroffenen Zehen. Der Patient drückt genau dort, wo das Ulkus sitzt, auf den Boden und nutzt zum Abrollen nicht den Ballen, sondern die ungeschützte Zehenspitze.
Um dieses Malheur zu beheben, gibt es eine einfache Therapie – die Tenotomie der langen Flexorensehne in der betroffenen Zehe. Dadurch wird die störende Hyperflexion behoben, das Ulkus heilt relativ rasch ab und dem Patienten bleibt die ansonsten drohende Amputation erspart, erklärte der Chirurg.
Hyperflektierte Zehen erzeugen Ulcera - Sehnendurchtrennung hilft
Neben der übermäßigen Zehenbeugung können z.B. auch Torsionsfehlstellungen bei DFS-Patienten Ulzera auslösen. Das im Stand aufgenommene Röntgenbild zeigt typischerweise ein Einsinken der „medialen Säule“. Durch die daraus resultierende erhöhte Spannung der langen Beugesehne kann das ossäre Fußgerüst „verdreht“ werden. Eine Tenotomie sorgt gegebenenfalls auch bei diesen Patienten für Entlastung.
Entscheidend für den Therapieerfolg sind realistische Therapieziele, betonten beide Kollegen. Sie sollten mit jedem Patienten individuell ermittelt werden (z.B. Mobilität, Arbeitsfähigkeit). „Heilung“ kann man dagegen nicht anvisieren, denn der diabetische Fuß ist eine lebenslange Erkrankung.
Zudem darf man nicht erwarten, dass Patienten speziell verordnete Schuhe lückenlos tragen – Ärzte würden es auch nicht tun, so Dr. Hochlenert. Die operative Versorgung sollte so sein, dass sich der Diabetiker z.B. bei nächtlichen Toilettengängen auch ohne Spezialschuh kein Rezidiv einhandelt. Wenn ein Therapieansatz scheitert, sollten Sie sich nicht zu Schuldzuweisungen verleiten lassen, mahnte der Referent. Stattdessen rät er, im Gespräch mit dem Patienten alltagstaugliche Kompromisse aushandeln – z.B. das „am wenigsten riskante Paar Schuhe“ zu tragen.
Quelle: 9. Herbsttagung der DDG, Düsseldorf 2015
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