Diabetes bei adipösen Menschen – Hormon-Carrier sollen Entzündungshemmer zum Ziel bringen

Dr. Moyo Grebbin

Spezifische Medikamente sollen Immunprozesse nur im Fettgewebe unterdrücken. Spezifische Medikamente sollen Immunprozesse nur im Fettgewebe unterdrücken. © Science Photo Library/Willis, Dr. Gladden/Visual Unlimited

Bei adipösen Menschen tragen Entzündungen zur Entstehung von Typ-2-Diabetes bei. Forschende wollen diese Prozesse unterdrücken, indem sie immunabschwächende Wirkstoffe gezielt an die Enstehungsorte der Entzündung bringen.

In metabolisch aktiven Geweben wie Leber, Bauchspeicheldrüse, Gehirn und insbesondere überschüssigem Fettgewebe können niederschwellige chronische Entzündungen stattfinden – das entdeckten Wissenschaftler in den letzten Jahren. Die Entzündungsreaktion bei Menschen mit Adipositas wirke sich auf vielfältige Weise nachteilig auf den Organismus aus, erinnerte Professor Dr. Jan ­Tuckermann von der Universität Ulm.

Den Zusammenhängen zwischen Immunabwehr, Stoffwechsel und Hormonen widmet sich das neue Forschungsfeld des Immuno-Metabolismus. Ursprung der Entzündung seien Makrophagen, welche die Fettzellen auflösten, erklärte der Referent. Die dadurch freiwerdenden Fettsäuren wirkten wiederum zurück auf die Immunzellen. Es entstehe ein Teufelskreis, der die Entzündung am Laufen hält, solange weiter Fettgewebe aufgebaut wird.

Das Immunsystem nicht komplett ausbremsen

„Wir sehen diese schwelende Entzündung nicht mehr nur als ‚passiven‘ Begleitprozess von Erkrankungen. Wir wissen heute, dass sie vielmehr eine wesentliche, ursächliche Rolle in der Krankheitsentstehung spielt“, betonte der Sprecher. Zur Entstehung von Diabetes komme es, da die Entzündung die Insulinempfindlichkeit senke, erklärte er. Die Zellen der Bauchspeicheldrüse produzierten immer mehr Insulin und könnten sich bekanntlich erschöpfen.

Um das zu verhindern, gab es zunächst Versuche, das Immunsystem generell zu unterdrücken, etwa durch Antikörperblockade von Ent­zündungsmediatoren. Das sei jedoch nicht immer erfolgreich gewesen und vermutlich auch nicht der richtige Weg, so Prof. ­Tuckermann. Denn so ein Ansatz schwäche die Abwehrkäfte derart, dass man Infektionen schutzlos ausgeliefert sei und auch die Gewebereparatur nicht mehr funktioniere. Überrascht waren die Forscher dem Referenten zufolge, als sie bemerkten, dass bisherige Diabetesmedikamente wie u.a. Metformin, Thiozolidenidione, Inkretinagonisten und DPP4-Inhibitoren entzündungshemmende Eigenschaften aufweisen.

Statt das Immunsystem generell zu unterdrücken, koppeln die Wissenschaftler nun entzündungshemmende Wirkstoffe an andere hormonelle Substanzen, um sie gezielt an die Orte der Entzündung zu transportieren. Als Beispiel nannte Prof. Tuckermann die Verknüpfung von Kortison oder synthetischer Derivate wie Dexamethason mit dem Hormon Glucagon-like Peptid 1 (GLP1). „Dadurch wird das Kortison nur zu den Zellen transportiert, die einen Rezeptor für GLP1 haben“, erklärte er. Das seien unter anderem Gehirnzellen, die den Metabolismus steuern. „Wir wollen wichtige Akteure im schädlichen Entzündungsstoffwechsel punktgenau ausschalten“, fasste er zusammen.

Im Einsatz spezifisch wirkender Entzündungsmodulatoren liege eine große Hoffnung für diejenigen Patienten mit Adipositas und Diabetes, bei denen Lebensstiländerungen allein nicht zum Erfolg führen, so Prof. Tuckermann. Bis neue Behandlungsmöglichkeiten gefunden werden, sei jedoch noch viel Grundlagenforschung nötig.

Quelle: Online-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie e.V. (DGE)

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Spezifische Medikamente sollen Immunprozesse nur im Fettgewebe unterdrücken. Spezifische Medikamente sollen Immunprozesse nur im Fettgewebe unterdrücken. © Science Photo Library/Willis, Dr. Gladden/Visual Unlimited