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Die Blase dicht machen

Bei Patientinnen, die sich mit Harninkontinenz vorstellen, sollte man als erstes eventuelle Begleiterkrankungen ausschließen. Gerade bei älteren Frauen sind mitunter auch Diabetes mellitus, Herzinsuffizienz, Obstipation, neurologische oder psychiatrische Erkrankungen mit dem ungewollten Urinabgang assoziiert. Die Therapie der Grunderkrankung steht dann im Vordergrund und kann unter Umständen die Schwere der Inkontinenz bessern.
Gleichzeitig wird für manche Medikamente u.a. aufgrund von Fallberichten die Harninkontinenz als Nebenwirkung diskutiert. Allerdings fehlen groß angelegte Studien, weswegen sich bisher weder eindeutig klären ließ, wie stark der Effekt ist, noch ob ein Substanzwechsel sinnvoll wäre. Denn eine Umstellung der medikamentösen Therapie kann unter Umständen mehr schaden als nutzen, warnen die Autoren der aktuellen S2k-Leitlinie „Harninkontinenz der Frau“ unter Federführung der deutschen, österreichischen und schweizerischen Fachgesellschaften für Gynäkologie und Geburtshilfe.
Einlagen oder Hosen gegen Nässegefühl und Gerüche
Im Allgemeinen wird versucht, zur Therapie der Inkontinenz die nicht-chirurgischen Alternativen auszuschöpfen, bevor ein invasives Eingreifen erwogen wird. Einlagen oder bei schwerer Inkontinenz entsprechende Hosen bessern zwar nicht die Symptome per se, helfen aber gegen das Nässegefühl und absorbieren unangenehme Gerüche. Alternative Hilfsmittel umfassen u.a. verschiedene Kathetersysteme. Weitere einfache und (fast) nebenwirkungsfreie Interventionen sind:
- Gewichtsabnahme bei einem BMI über 25 bzw. 30 kgKG/m2
- Herunterfahren der Koffeinmenge bei imperativem Harndrang. Bei Belastungsinkontinenz hilft die Maßnahme dagegen nicht.
- Abfragen und ggf. Anpassen der täglichen Trinkmenge. Viele Patientinnen reduzieren von sich aus die Flüssigkeitszufuhr, um die Inkontinenz zu lindern. Allerdings sollten sie dabei keinen Durst leiden. Letztendlich wird dazu geraten, die Flüssigkeitsaufnahme auf einen Zeitraum von 24 Stunden zu berechnen und Urinausscheidemessungen durchzuführen.
Auch verhaltens- und physiotherapeutische Maßnahmen hat sich das Leitliniengremium angeschaut. Vor allem bei Frauen mit kognitiven Einschränkungen, z.B. in einer Pflegeeinrichtung, empfehlen sie, die Patientinnen regelmäßig aktiv zur Blasenentleerung aufzufordern.
Gut vorgesorgt
Wie immer ist Vorbeugen besser als Heilen. Geeignet sind im Prinzip wie bei manifester Inkontinenz Gewichtsabnahme (falls indiziert) und Physiotherapie mit Beckenbodentraining (v.a. präpartal). Eine elektive Sectio als Schutz vor einer späteren Inkontinenz wird dagegen nicht empfohlen. Bei Hochrisikopatientinnen wäre es aber denkbar, eine primäre Sectio nach Aufklärung und Nutzen-Risiko-Abwägung in Erwägung zu ziehen. Außerdem raten die Experten dazu, Frauen über das zunehmende Inkontinenzrisiko bei Schwangerschaften in fortgeschrittenerem Alter zu informieren.
Eine Vitamin-D-Substitution in der Schwangerschaft zur reinen Inkontinenzprävention ist dagegen nicht durch Daten gestützt. Die Leitlinie gibt entsprechend auch keine Empfehlung.
Durch gezieltes Training die Blasenkapazität vergrößern
Ein gezieltes Blasentraining ist laut den Experten die konservative Maßnahme der ersten Wahl bei Drang- und Mischinkontinenz. Es vergrößert die Blasenkapazität und verlängert die Intervalle zwischen den Toilettengängen, muss aber wiederholt durchgeführt werden. Als alleinige Maßnahme ist es bei Belastungsinkontinenz älterer Frauen einem intensiven Beckenbodentraining unterlegen, scheint aber besser abzuschneiden als ein Pessar.
Ein Beckenbodentraining (inkl. Krafttraining) eignet sich bei Belastungs- und Mischinkontinenz sowie bei postpartaler Inkontinenz gut. Es stärkt die Muskulatur des Beckenbodens und stabilisiert die Harnröhre. Allerdings sollten die Betroffenen für einen nachhaltigen Effekt es mindestens drei Monate lang durchhalten. Darüber hinaus kann begleitend Elektrostimulation bzw. Biofeedback erfolgen. Liegt eine Mischinkontinenz vor, raten die Autoren, das klinisch dominante Symptom als erstes zu behandeln.
Die Einlage eines Pessars bei Belastungsinkontinenz stabilisiert die Harnröhre und erhöht den urethralen Widerstand. Sinnvoll scheint es jedoch nur bei Frauen, die ausschließlich bei starker Belastung Urin verlieren.
Als nicht mehr ganz konservative, aber immerhin minimal-invasive Maßnahme steht seit einiger Zeit die vaginale Lasertherapie zur Verfügung, die durch eine Kollagenneubildung in den tiefen Gewebeschichten die vordere Vaginalwand verstärkt. In Betracht kommt sie für Patientinnen mit leichter bis mäßiger Belastungsinkontinenz. Allerdings übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland die Kosten nicht.
Führen die nicht-medikamentösen Maßnahmen nicht zum gewünschten Ziel, kommen verschiedene Substanzen in Betracht.
Medikamente bei überaktiver Blase und Dranginkontinenz | ||||
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Substanzklasse | Hauptwirkungsweise
| mögliche | Wirkung | Anmerkungen |
Antimuskarinika | Hemmung der muskarinergen Rezeptoren in den Zellen des M. detrusor vesicae → spontane Detrusorkontraktionen nehmen ab; zudem Wirkungen auf afferenten Schenkel des Miktionsreflexes | Mundtrockenheit, Obstipation, gestörte Akkommodation, kognitive Einschränkungen, Tachykardie, Fatigue
Nebenwirkungen sind geringer bei Retardformulierungen | Häufigkeit des imperativen Harndrangs sowie der Miktionen wird signifikant reduziert und das Miktionsvolumen erhöht |
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Beta-3-Adreno- | Stimulation der Beta-3-Adrenorezeptoren in der glatten Muskulatur führt zur Relaxation der Blasenmuskulatur | Blutdruckerhöhung (Cave: Hypertonie) | ähnlich wirksam wie Antimuskarinika bei überaktiver Blase, kein Einfluss auf Restharn
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SSNRI (z.B. Duloxetin) bei Belastungs- und Mischinkontinenz | verstärkte Stimulation der 5-HT- und Noradrenalin-Rezeptoren am motorischen N. pudendus. Es kommt zu erhöhtem Ruhetonus und verstärkter Kontraktion des externen (willkürlichen) Urethrasphinkters | gastrointestinale und ZNS-Nebenwirkungen (Übelkeit, trockener Mund, Erschöpfung, Schlaflosigkeit); bessern sich oft nach einigen Wochen | Reduktion der Inkontinenzhäufigkeit von bis zu 50 %, Heilungsraten liegen etwa bei 10 % |
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SSNRI: Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer |
Darüber hinaus kann man eine Hormonersatztherapie diskutieren. Bei überaktiver Blase und störender nächtlicher Polyurie (d.h. mindestens zwei Miktionen pro Nacht) raten die Wissenschaftler, Desmopressin zu erwägen, wenn gleichzeitig ein ADH-Mangel vorliegt. In diesem Fall müssen unter der Therapie die Natriumspiegel regelmäßig kontrolliert werden, Hyponatriämien treten ab einem Alter von 65 Jahren bei fast jedem zehnten Patienten auf.
Hormone können helfen
Frauen mit postmenopausaler Dranginkontinenz plus vulvovaginaler Atrophie raten die Experten zu einer vaginalen Estriolgabe. Vorsicht ist bei Brustkrebspatientinnen angezeigt: Eine ultraniedrig dosierte Therapie ist möglich, aber die onkologische Sicherheit unklar. Entwickelt oder verstärkt sich die Harninkontinenz unter systemischer HRT mit konjugierten equinen Östrogenen, sollte eine alternative Hormontherapie erwogen werden. Dass sich eine Inkontinenz nach Ende einer systemischen Estradiolbehandlung bessert, ist unwahrscheinlich.
Hinsichtlich Komplementärmedizin, Phytotherapie, Homöopathie, verschiedenen Nahrungssupplementen und Akupunktur sieht die Datenlage bisher schlecht aus – für keines dieser Verfahren ist eine Besserung der Inkontinenz bewiesen.
Quelle: S2k-Leitlinie „Harninkontinenz der Frau“, AWMF-Register-Nr.: 015-091, www.awmf.org
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