Urodynamischer Nachweis einer Detrusorinstabilität ist entscheidend

Maria Weiß

Trotz vielversprechender Ergebnissen ist der Einsatz von Botulinumtoxin A nicht immer sinnvoll. Trotz vielversprechender Ergebnissen ist der Einsatz von Botulinumtoxin A nicht immer sinnvoll. © Parilov – stock.adobe.com

Botulinumtoxin-A-Injektionen in den Detrusor sind als Zweitlinientherapie bei hyperaktiver Blase zugelassen. Ein Experte kritisiert, dass die Methode oft ohne ausreichende Diagnostik zum Einsatz kommt.

Die ersten Botulinumtoxin-A-Detrusorinjektionen wurden bei neurogener Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie angewendet. Bei Patientinnen und Patienten mit Querschnittslähmung führten sie zu eindrucksvollen Ergebnissen. Deshalb wurde Botulinumtoxin A kurz nach der Jahrtausendwende dann auch in experimentellen Studien bei nicht-neurogener therapierefraktärer Dranginkontinenz mit imperativem Harndrang eingesetzt, schreibt Prof. Dr. Christian Hampel, Fachklinik für Urologie am Marienhospital Erwitte. Damals forderte die gültige Terminologie für die Diagnose einer Dranginkontinenz den urodynamischen Nachweis einer Detrusorinstabilität oder -hypersensitivität. Die Studien wurden dann mit einem sehr homogenen, überwiegend weiblichen Kollektiv durchgeführt, bei dem urodynamisch ausschließlich eine Detrusorhyperaktivität vorlag – Betroffene mit Hypersensitivität oder Hypokontraktilität waren ausgeschlossen. In dieser stark selektionierten Gruppe ließen sich sehr gute Ergebnisse erzielen und es wurden entsprechende Zulassungsstudien veranlasst.

Diagnose der überaktiven Blase zu großzügig gestellt

Dann wurde aber von der Internationalen Kontinenzgesellschaft die Terminologie der Blasenfunktionsstörungen grundlegend reformiert. Die überaktive Blase wird nur noch anhand der typischen Symptome (imperativer Harndrang, Pollakisurie, Nykturie) diagnostiziert und bedarf keiner urodynamischen Abklärung mehr. Die Zahl von Betroffenen, die potenziell von Botulinumtoxin profitieren könnten, hat sich dadurch plötzlich vervielfacht. In diesem unselektionierten Patientenkollektiv ließen sich die exzellenten Verbesserungen vor allem von Nykturie und Pollakisurie, die man bei reiner Detrusorhyperaktivität erzielt hatte, nicht mehr erreichen – trotz höherer Nebenwirkungsrate. Als mögliche Gründe nennt Prof. Hampel die Wirkungslosigkeit von Botulinumtoxin bei rein sensorischer Dranginkontinenz. Hinzu komme die jetzt oft unzureichende Ausschlussdiagnostik von anderen Harntraktpathologien wie chronischen Blasenentzündungen, Steinen, Bestrahlungsfolgen, Descensus oder bei Frauen auch Östrogenmangel und Genitalprolaps.

Injektionen von Botulinumtoxin A in den Detrusor erhielten dennoch im Jahr 2013 die europäische Zulassung als Zweitlinientherapie bei überaktiver Blase. Als Initialdosis wurden 100 IE zugelassen, deutlich weniger als bei Querschnittslähmung (300 IE). Vor allem in Bezug auf die Wirkdauer scheint die niedrige Dosis deutlich schlechter abzuschneiden, schreibt der Urologe.

Außerhalb klinischer Studien sind  Botulinumtoxin-A-Injektionen der oralen medikamentösen Therapie wohl nicht unbedingt überlegen. Zumindest zeigt sich nur ein geringer Unterschied in der Therapietreue. Prof. Hampel empfiehlt daher, Botulinumtoxin A bei überaktiver Blase nur nach Ausschluss aller möglichen Differenzialdiagnosen und bei urodynamischem Nachweis einer Detrusorinstabilität anzuwenden. Bei Hypersensitivität ist die sakrale Neuromodulation Erfolg versprechender.

Quelle: Hampel C. Urologie 2024; 63: 658-665; doi: 10.1007/s00120-024-02358-8
 

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