Die fünf D des Botulismus

Dr. Dorothea Ranft­

Das Bakterium Clostridium botulinum findet sich häufig in Fischprodukten und Gemüse, welches in Öl eingelegt wurde. Das Bakterium Clostridium botulinum findet sich häufig in Fischprodukten und Gemüse, welches in Öl eingelegt wurde. © fotolia/royaltystockphoto

Eine frühzeitige Antitoxingabe ist für das Überleben bei Botulismus entscheidend. Mikrobiologen erläutern, bei welchen Symptomen Sie Verdacht schöpfen sollten und wie eine erfolgreiche Diagnostik und Behandlung gelingt.

Botulinumneurotoxine (BoNT) sind die potentesten bekannten Toxine, schreibt die Arbeitsgruppe um Professor Dr. Arne C. Rodloff vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie am Universitätsklinikum Leipzig. Neben Clostridium botulinum können auch andere toxinbildende Spezies BoNT produzieren und Nahrungsmittel, Gastrointestinaltrakt und Wunden besiedeln. Alle BoNT lösen einen Acetylcholin-Mangel im synaptischen Spalt aus. Durch die fehlende Weiterleitung der Impulse an die Muskelzelle kommt es zu einer schlaffen Lähmung.

Die Augenmuskeln machen zuerst schlapp

Im klinischen Alltag sind v.a. drei Formen wichtig. Beim Nahrungsmittelbotulismus führen unsachgemäß zubereitete oder falsch gelagerte Lebensmittel zu einer Intoxikation. Die Sporenbildner vermehren sich unter anaeroben Bedingungen und geben ihre Toxine an das Essen ab. Durch gastrointestinale Resorption gelangen die Giftstoffe dann in den Blutkreislauf. Der Wundbotulismus ist zunächst eine Infektionskrankheit: Clostridiensporen keimen im sauerstoffarmen Wundmilieu und geben ihre Giftstoffe an die Umgebung ab. Der Säuglingsbotulismus ist eine „Toxiko-Infektion“, begüns­tigt durch neutralen Magen-pH, geringe Gallensäureproduktion und mangelnde Kolonisationsresistenz des Darmmikrobioms.

Symmetrische absteigende Lähmungen, die an Augenmuskeln und Kopfnerven beginnen, charakterisieren alle Formen des Botulismus.

Betroffene klagen über fünf Ds:

  • Doppelbilder
  • Dysarthrie
  • Dysphonie
  • Dysphagie
  • Dyspnoe

Ferner treten potenziell u.a. Flimmersehen, Akkommodationsstörungen, Ptosis, Mundtrockenheit und Kopfkontrollverlust auf.

Beim Nahrungsmittelbotulismus dominieren gastrointestinale Symptome wie Diarrhö (früh), Obstipation (spät), Erbrechen und abdominale Schmerzen. Der Wundbotulismus kann mit Fieber, Leukozytose und CRP-Anstieg verbunden sein, insbesondere bei Drogenkonsumenten sollte man sorgfältig nach einem Fokus (z.B. Abszess) suchen.

Risikolebensmittel

  • Kesselkonserven (v.a.„hausgemachte“ Bioprodukte)
  • Knochenschinken
  • in Öl eingelegte Gemüse
  • unter modifizierter Schutzatmosphäre oder vakuumverpackte Lebensmittel
  • verarbeitete gekühlte Lebensmittel mit verlängerter Haltbarkeit
  • Fischprodukte (v.a. Ostsee-, Räucherfisch)
  • Naturprodukte (Honig) für < 1-Jährige

Babys werden träge, sabbern viel und haben Verstopfung

Der „Säuglingsbotulismus“ macht sich bei Kindern unter einem Jahr meist unspezifisch mit Adynamie, Fütterschwierigkeiten, Übererregbarkeit, Obstipation und vermehrten Speichelfluss bemerkbar. Für die Diagnose spricht der Verzehr von Naturprodukten (Honig), Erde oder Abfall. Laut Studien besteht Gefahr für den plötzlichen Kindstod. Die Verdachtsdiagnose Nahrungs- oder Wundbotulismus steht im Raum, sobald Hinweise auf eine Intoxikationsquelle vorliegen. Nach Ausschluss von Differenzialdiagnosen, z.B. Myasthenia gravis, Guillain-Barré-Syndrom, muss mindestens eines der folgenden Symptome vorliegen: Akute Hirnnervenstörung, Dyspnoe und innerhalb weniger Tage fortschreitende, absteigende, symmetrische schlaffe Paresen. An Säuglingsbotulismus sollte man denken, wenn nach Ausschluss von Differenzialdiagnosen mindestens eines dieser Symptome auftritt: schlaffe Paresen, Obstipation, Muskelschwäche, Dyspnoe, Gedeihstörungen, Dyspaghie und/oder Trinkschwäche. Der labordiagnostische Nachweis gelingt nur in etwa 50–70 % der Fälle. Schon bei begründetem Verdacht sollte ein Speziallabor beauftragt und das Gesundheitsamt informiert werden. Da Botulismus immer ein Notfall ist, müssen Betroffene intensivmedizinisch überwacht werden, betonen die Autoren. Bei Wund- und Lebensmittelbotulismus verabreicht man ohne Abwarten auf den Labor­befund ein Antitoxin. Das Anti-BoNT-IgG vom Pferd ist gut verträglich und richtet sich gegen die Toxine A, B und E. Es wirkt in den ersten 24 Stunden am besten, kann aber auch danach noch helfen. Beim Wundbotulismus stehen Fokussanierung und Antibiose (Penicillin G, alternativ Metronidazol) an erster Stelle. Internationale Apotheken bieten für Säuglinge ein Antitoxin gegen Toxin A und B an. Eine wirksame Prophylaxe gelingt mit einer guten Nahrungsmittelhygiene: Prädestinierte Lebensmittel wie Saucen, Fisch, Fleisch müssen vor dem Verzehr ausreichend erwärmt werden (Kerntemperatur ≥ 80 °C mindestens sechs Minuten). Mehrfaches Erhitzen > 100 °C macht beim Einkochen die Sporen unschädlich. Ausgebeulte Konservendosen müssen selbstverständlich weggeworfen werden.

Quelle: Aus der Fachliteratur
Quelle: Wendt S et al. Dtsch Med Wochenschr 2017; 142: 1304-1312

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Das Bakterium Clostridium botulinum findet sich häufig in Fischprodukten und Gemüse, welches in Öl eingelegt wurde. Das Bakterium Clostridium botulinum findet sich häufig in Fischprodukten und Gemüse, welches in Öl eingelegt wurde. © fotolia/royaltystockphoto