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Die Nahrungsmittel-Intoleranz per Stufendiagnostik klären
Mindestens jeder vierte Bundesbürger leidet an einer Nahrungsmittelunverträglichkeit, wobei man allergische Reaktionen auf Eiweiße von nicht immunvermittelten Störungen, die sich v.a. nach dem Genuss von Fetten und Kohlehydraten (KH) manifestieren, unterscheidet. Die häufigste nicht immunologische Unverträglichkeit ist die Laktoseintoleranz.
Etwa 10 bis 15 % der Erwachsenen entwickeln nach Zufuhr von Milchzucker (> 10 g) abdominelle Beschwerden, schreibt die Arbeitsgruppe um Professor Dr. Martin Raithel, Universitätsklinikum Erlangen. Durch den genetisch bedingten Laktaseverlust gelangt das Disaccharid ungespalten ins Kolon und wird dort unter Gasbildung abgebaut. Oft besteht gleichzeitig eine Fruktose- und Sorbit-Malabsorption, meist ausgelöst durch eine Überlastung des intestinalen Transporters bei hohem Fruchtzucker-Konsum bzw. Süßstoff-Genuss.
Jeder Zehnte leidet an Laktose-Intolleranz
Die Autoren raten deshalb als primäre Diagnostik zur Abklärung aller drei KH-Intoleranzen mittels H2-Atemtests. Als wichtige Differenzialdiagnose zur KH-Malabsorption nennen sie die bakterielle Fehlbesiedelung des Dünndarms, die sich ebenfalls im H2-Atemtest (mit 50 g Glukose) nachweisen lässt. Besonders gefährdet sind z.B. Patienten mit Divertikeln, Kollagenosen, Diabetes oder solche, die PPI einnehmen.
Auf der zweiten Stufe der Diagnostik folgt bei fehlendem Anhalt für eine Kohlenhydrat-Unverträglichkeit die Suche nach einer Darminfektion. Die mikrobiologische Stuhlanalyse auf pathogene Keime, Viren und Parasiten ist bei Patienten mit Diarrhöen, Stuhlunregelmäßigkeiten oder Eosinophilie obligat. Einer Unverträglichkeit für Nahrungsfette liegt häufig eine biliäre oder pankreatische Störung zugrunde. Entsprechend sollte auf Stufe 3 der Diagnostik die Funktion der Bauchspeicheldrüse anhand der fäkalen Elastase 1 geprüft werden.
H2-Atemgastest erkennt Fehlbesiedlung im Darm
Als vierten Schritt schlagen die Kollegen eine labordiagnostische Abklärung der Entzündungsaktivität, eine Serologie und eine Basisimmunologie vor, deren Ausmaß sich nach der Verdachtsdiagnose richtet. Bei Verdacht auf eine Organpathologie folgt weitere Bildgebung (Sono Abdomen, Endoskopie etc.). Insbesondere muss bei rezidivierenden Diarrhöen eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung ausgeschlossen werden.
Eine weitere Rolle in der Genese von Unverträglichkeitsreaktionen spielen Nahrungsmittelallergien, auch wenn sie im Erwachsenenalter (2–5 %) seltener auftreten als bei Kindern (5–10 %). Gastrointestinal vermittelte Allergien können sich im gesamten Verdauungstrakt vom Mund bis zum Rektum und auch an extraintestinalen Organen wie Auge oder Haut manifestieren. Basis der Allergie-Diagnostik ist eine sorgfältige Anamnese mit genauer Erfassung der Ernährungs- und Lebensgewohnheiten (ggf. Tagebuch).
Wie viel Labor? |
Zur Abklärung von Nahrungsmittelunverträglichkeit und -allergie sollten je nach Verdacht folgende Parameter bestimmt werden:
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Erst im zweiten Schrit nach Allergie suchen
Als Suchtest und fünfte Stufe der Abklärung wird häufig das Methylhistamin im 12-Stunden-Urin bestimmt. Allergiker zeigen unter Allergenprovokation höhere Spiegel, unter einer Kartoffel-Reis-Diät fällt der Wert im Allgemeinen ab. Die erweiterte Diagnostik der Nahrungsmittelallergie umfasst Prick-Tests, spezifische IgE-Bestimmungen und ggf. orale Provokationstests. Im Zweifel hilft evtl. eine endoskopische Darm-Lavage (lokale Antikörper-Produktion?) weiter.
Intoleranzreaktionen können auch durch biogene Amine (z.B. Histamin, Tyramin) in herkömmlichen Nahrungsmitteln ausgelöst werden. Entsprechenden Verdacht weckt z.B. der vorangegangene Genuss von reifem Käse, Rotwein oder Sauerkraut. Zum Screening eignet sich der Harntest auf Methylhistamin, Goldstandard ist die orale Provokation unter Überwachung der Vitalparameter.
Salicylat-Intoleranz kann sich auch gastrointestinal äußern
Auch die Unverträglichkeit von Alkohol beruht häufig auf einer Histamin-Intoleranz, da das Amin nicht genügend abgebaut oder vermehrt freigesetzt wird. Die gleiche Symptomatik kann aber ebenso durch andere Inhaltsstoffe (z.B. Sulfite) oder Allergene (Gerste, Malz etc.) getriggert werden.
Eine Salicylat-Intoleranz lässt sich durch eine funktionelle Testung peripherer Leukozyten nachweisen (Stufe 6). Sie kann neben den klassischen Symptomen wie Sinusitis oder Asthma auch durch Meteorismus, Flatulenz und Diarrhö auffallen. Viele Patienten berichten bereits auf Nachfragen eine ASS- und NSAR-Unverträglichkeit, auch stark salicylatreiche Lebensmittel (Curry, Rosinen, Kartoffeln) bereiten Probleme.
Quelle: C. Reiser et al., internist prax 2015; 55: 719-735
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