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Dr. Madlen Jetzsch, Leipzig, über die aktuellen Therapieoptionen

Mitte 2021 wurde mit der Zulassungserweiterung von Venetoclax für die Therapie der neu diagnostizierten akuten myeloischen Leukämie (AML) bei Patient:innen, die nicht für eine intensive Therapie infrage kommen, ein neuer Therapiestandard in Europa geschaffen.
In der randomisierten Phase-3-VIALE-A-Studie konnte gezeigt werden, dass AML-Patient:innen signifikant hinsichtlich des Gesamtüberlebens profitieren, wenn eine Kombinationstherapie mit Azacitidin und Venetoclax eingesetzt wird, im Vergleich zum bis dahin geltenden Standard der Azacitidin Monotherapie (medianes Gesamtüberleben 14,7 vs. 9,6 Monate, HR 0,66, p < 0,001).1 Diese Therapie kann AML-Patient:innen unabhängig von deren genetischen Charakteristika angeboten werden, auch wenn insbesondere Patient:innen mit IDH- und NPM1-Mutationen zu profitieren scheinen.
Seit Mai 2023 steht mit der Zulassung des IDH1-Inhibitors Ivosidenib nun eine Alternative für IDH1-mutierte AML-Patient:innen zur Verfügung, da auch für die Kombination von Ivosidenib mit Azacitidin ein signifikanter Überlebensvorteil gegenüber Azacitidin alleine gezeigt wurde (medianes Gesamtüberleben 24,0 vs. 7,9 Monate, HR 0,44, p < 0,001).2
Für IDH1-mutierte Patient:innen (6–16 % aller AML-Patient:innen)3 stehen entsprechend zwei konkurrierende Therapieregime zur Verfügung. Ein randomisierter Vergleich beider Optionen fehlt und die heterogenen Patient:innenpopulationen verbietet auch einen direkten Vergleich der beiden Phase-3-Zulassungsstudien.
Auf der Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) 2023 in San Diago wurden nun Daten einer Real-World-Analyse vorgestellt, die den Einsatz, die Effektivität und die Sicherheit beider Kombinationen in den USA zwischen November 2021 und November 2023 untersucht hat.4 Insgesamt konnten 283 Patient:innen analysiert werden (182 erhielten Ivosidenib, 101 Venetoclax, je in Kombination mit den hypomethylierenden Substanzen Azacitidin oder Decitabin).
Ähnliches Sicherheitsprofil beider Therapieregime
Beide Kohorten waren ausgeglichen in Bezug auf den Performance Score bei Diagnose sowie die Erkrankungshistorie (myelodysplasieassoziiert, nach myeloproliferativer Erkrankung oder de novo), während in der Ivosidenib-Gruppe signifikant mehr Patient:innen ein günstiges genetisches Risiko nach ELN aufwiesen. Ivosidenib wurde darüber hinaus weniger durch universitäre Einrichtungen verschrieben.
Patient:innen, die die ivosidenibhaltige Kombination erhielten, zeigten signifikant häufiger ein Therapieansprechen im Sinne einer kompletten Remission mit (42,9 % vs. 26,7 %, p = 0,007) oder ohne (63,2 % vs. 49,5 %, p = 0,03) hämatologische Regeneration im Vergleich zur Venetoclax-Gruppe.
Tendenziell konnten mehr der Patient:innen in der Ivosidenib-Gruppe einer potenziell kurativen allogenen Stammzelltransplantation zugeführt werden (11,5 % vs. 5 %, p = 0,07). Bei den Patient:innen, die nicht für eine Transplantation infrage kamen, zeigte sich in der Ivosidenib-Gruppe darüber hinaus ein signifikant längeres ereignisfreies Überleben nach sechs Monaten Therapie (56% vs. 39,6 %, p = 0,04).
Insgesamt waren beide Therapieregime gut verträglich und zeigten ein ähnliches Nebenwirkungsspektrum, was insbesondere Zytopenien (Grad III/IV: Neutropenien 11 %, Thrombopenien 12 %) und Infektionen (Grad III/IV: febrile Neutropenien 11,7 %, Sepsis 3,9 %, Pneumonie 3,9 %) beinhaltete.
Lediglich die Rate an febriler Neutropenie Grad III/IV innerhalb der ersten 30 Therapietage war signifikant geringer bei den Patient:innen, die Ivosidenib erhielten (1,6 % vs. 7,9 %, p = 0,009). Konsekutiv waren notfallmäßige ärztliche Vorstellungen in den ersten zwölf Therapiewochen ebenfalls seltener in der Ivosidenib- als in der Venetoclax-Gruppe (42,9 % vs. 70,3 %, p < 0,001).
Die Studie analysierte auch das Verschreibungsverhalten von Venetoclax und zeigte, dass nur 22,8 % der Patient:innen die zugelassene Dauer von 28 Tagen Venetoclax pro Therapiezyklus erhielten, während 44,6 % der Patient:innen nur 11 Tage oder weniger pro Therapiezyklus mit Venetoclax behandelt wurden. Die Autor:innen diskutierten, dass die verkürzte Gabe von Venetoclax sich potenziell günstig auf das Nebenwirkungsprofil, aber ungünstig auf das Therapieansprechen ausgewirkt haben könnte.
Auch wenn randomisierte Vergleiche fehlen, legt diese retrospektive Studie mit knapp 300 eingeschlossenen Patient:innen nahe, dass IDH1-mutierte, neu diagnostizierte, und nicht für eine intensive Therapie geeignete AML-Patient:innen von einer Erstlinientherapie mit Ivosidenib statt Venetoclax in Kombination mit hypomethylierenden Substanzen zu profitieren scheinen. Entsprechend ist eine konsequente molekulargenetische Testung vor Therapieeinleitung auch in diesem Patientenkollektiv von entscheidender Bedeutung, um adäquate Therapieentscheidungen treffen zu können.
Quellen:
1. DiNardo CD et al. N Engl J Med. 2020, DOI: 10.1056/NEJMoa2012971
2. Montesinos P et al. N Engl J Med. 2022, DOI: 10.1056/NEJMoa2117344
3. Courtney D DiNardo et al. Am J Hematol. 2015, DOI: 10.1002/ajh.24072
4. Smith BD et al. Blood 2023; DOI: 10.1182/blood-2023-173033
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