Drogen werden erschreckend „kindertauglich“ angeboten

Dr. Elisabeth Nolde, Foto: thinkstock

Ärzte sollten insbesondere über Gefahrenpotentiale von K.o.-Tropfen, Research-Chemical-Drogen, Ecstasy, Shisha und E-Zigaretten aufklären.

Vor dem Thema „Drogenkonsum im Kinder- und Jugendalter“ schrecken Eltern und Ärzte oft zurück – auch aus Angst, lebensfern zu beraten. Kompetenz und Einfühlungsvermögen sind von Nöten. Dazu hilfreiche Ratschläge eines Experten.

Drogen-Screening: Arzt als Instrument von elterlichen Kontrollzwängen?

Ein Jugendlicher kommt zur Vorsorgeuntersuchung J 1. Bereits im Vorfeld hat die besorgte Mutter des Teenagers vertraulich darauf hingewiesen, dass ihr Sohn rauche, Alkohol trinke und ihrer Meinung nach auch Drogen konsumiere. Die Frau bittet eindringlich darum, mit verfügbaren Labortests den vermeintlichen Konsum nachzuweisen, um eingreifen zu können.


Grundsätzlich kann man Nikotin, Alkohol und Rauschdrogen labordiagnostisch auf die Spur kommen (s. Kasten). Doch allein auf das Drängen von Eltern ein Drogen-Screening zu veranlassen, halten Experten für fragwürdig. Keinesfalls dürfe man sich gar zum Instrument von elterlichen Kontrollzwängen machen: Manch ein Vater oder eine Mutter kommen direkt mit einer Urinprobe ihres Kindes und fordern ein Drogen-Screening, so Christian Ramolla, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und Amtsarzt im Kreis Euskirchen auf dem 40. Herbst-Seminar-Kongress der bvkj. Vielmehr gelte es bei der J 1 den richtigen Umgang mit Jugendlichen zu finden, also möglichst nicht „missionieren“ und keine frontalen „Zeigefinger-Ansprachen“ halten.

Es sind konkrete Gesprächsangebote zu empfehlen, z.B.:


  • Diese Drogen sind gefährlich und wenn du Probleme oder Fragen dazu hast, bin ich für dich da.
  • Ich kann dir ein kompetenter Gesprächspartner sein und dir helfen, neue Wege zu bahnen.

Gemäß gesetzlicher Vorgaben zur J 1 ist vorgesehen, bei der Anamnese auf gesundheitsgefährdendes Verhalten wie Rauchen, Alkohol- und Drogenkonsum einzugehen. Außerdem sollte „indikationsbezogen“ untersucht und beraten werden – familiäre und soziale Probleme können hierbei eine Rolle spielen. Doch zur Aufklärung gehören auch spezielle Warnhinweise und lebensnahe Tipps, denn Rauschmittel werden nicht immer freiwillig genommen, so Herr Ramolla. Das gelte insbesondere für K.o.-Tropfen, auch Liquid XTC, Liquid E, Liquid X und Fantasy genannt.

K.o.-Tropfen: Auf einfache präventive Maßnahmen sei hinzuweisen:


  • in Discos oder Clubs nur Getränke aus eigens geöffneten Flaschen konsumieren

  • die Flasche nicht irgendwo abstellen, sondern immer in der Hand halten und die Öffnung mit dem Daumen abdecken

Typische Berichte von Opfern, denen derartige Tropfen in den Drink geträufelt wurden, lauten: „Nach einem Cocktail war ich weg. Das kenne ich gar nicht von mir. Ich trinke doch hin und wieder Alkohol.“ Am nächsten Morgen wachen Betroffene auf, können sich an nichts erinnern, spüren Schmerzen irgendwo am Körper oder bemerken, dass sie Geschlechtsverkehr hatten, berichtete der Pädiater.


Klassische K.o.-Tropfen enthalten den schwer nachweisbaren Wirkstoff Gamma-Hydroxy-Buttersäure (GHB). Die Wirkung ist stark dosisabhängig, ab 36 mg/kgKG kann es zur Bewusstseinstrübung bis zum Koma kommen. Die Wirkungen von Alkohol plus GHB bergen auch Lebensgefahr durch das Auftreten von Atemdepressionen (s. Tabelle).

K.o.-Tropfen aus Düngemittel gekocht

Inzwischen sind verschiedenste Anleitungen im Umlauf, die Tropfen auf anderer Basis, z.B. legal erhältlichen Düngemitteln, zu „kochen“. Abgefüllt in kleine Fläschchen kursiert das Rauschmittel und wird in einschlägigen Kreisen überaus skurril beworben, etwa: „Für zehn Euro hast du an zehn Wochenenden einen Sexpartner“.


Gerade auch für junge Konsumenten bergen die so genannten Research Chemicals ein großes Gefahrenpotential. Pro Jahr werden über 30 neue Substanzen in Umlauf gebracht. Das Tückische: Die Hersteller nutzen gezielt Gesetzeslücken aus. So sind gemäß Betäubungsmittelgesetz chemisch klar definierte Substanzen verboten.

Badezusätze, Kräutermischungen und Luftverbesserer als "legal highs" missbraucht

Werden bei der Produktion chemisch kleinste Veränderungen vorgenommen, etwa eine OH-Gruppe weggelassen, erhält man eine Substanz, die zwar die gleiche Wirkung wie der illegale Ausgangsstoff hat, jetzt aber legal verkäuflich ist. Diese „legal highs“ gibt’s als Badezusätze, Kräutermischungen und Luftverbesserer via Internet. Nutzer inhalieren den Stoff oder kochen sich Tee daraus. Die zuständigen Laboratorien und der Gesetzgeber können kaum Schritt halten, die permanenten Neuentwicklungen zu entschlüsseln und zu verbieten.


Für die Empfänglichkeit von Kindern und Jugendlichen geradezu „maßgeschneidert“ wirken Ecstasy-Tabletten: Sie sind klein, bunt mit originellen oder „süßen trendigen“ Motiven versehen. Gehandelt werden die Pillen unter dem Szenenamen XTC. Die Droge wirkt euphorisch, entspannend und bringt einen Energieschub.

Ecstasy kann Tachykardien und Herzinfarkte auslösen

Die Effekte treten erst etwa 30 Minuten nach der Einnahme auf. Deshalb wird oft gleich eine zweite Tablette „nachgeschoben“ – was das Nebenwirkungsrisiko noch erhöht. Gefürchtet sind vor allem extreme Tachykardien. Auch Koronarspasmen und Herzinfarkte können auftreten. Und eine weitere Gefahr droht: In synthetischen Küchen wird Ecstasy auch mit anderen Stoffen gemischt, die wiederum eigene, unkalkulierbare Effekte entfalten.

Gefahr für Kinder: LSD in Anlecktattoos

Erschreckend „kindertauglich“ wurde vor etwa vier Jahren auch LSD angeboten. Die bei Kids beliebten Anleck-Tattoos waren mit der halluzinogenen Droge getränkt. Generell sei damit zu rechnen, plötzlich mit Patienten oder Patientengruppen konfrontiert zu sein, die unfreiwillig in einen Drogenrausch geraten sind, hob der Kollege hervor.


Besonders wichtig für Aufklärungsgespräche sind die Szene-Namen und die gesundheitlichen Risiken der analeptisch, halluzinogen und sedativ wirkenden Rauschmitel (s. Tabelle). Doch auch die so genannten Volksdrogen Alkohol und Nikotin fordern heraus und verpflichten zur Aufklärung. Gemäß Jugendschutzgesetz (JuSchG) dürfen Teenager ab 14 Jahren Bier, Wein, Sekt und Mixgetränke aus Wein und Bier in der Öffentlichkeit trinken, wenn sie von einer sorgeberechtigten Person begleitet werden.

Achtung: Keine Blankovollmacht für volljährige Begleitperson ausstellen!

Diese Nische wird oft ausgenutzt: Der 14 Jahre alte Teenager präsentiert seinen Eltern einen 18-Jährigen aus der Clique als volljährige Begleitperson für‘s abendliche Ausgehen und bittet um eine entsprechende Vollmacht. Keine Seltenheit, dass 18-Jährige mit einem Grüppchen von Minderjährigen im Schlepptau die Discos besuchen, berichtete Herr Ramolla. Daher sollte man auch die Eltern darauf hinweisen, keine „Blankobescheinungen für irgendwelche Leute auszustellen, die dann nachts mit den Kindern durch die Gegend ziehen“, sagte der Pädiater.


Ab 16 Jahren dürfen Jugendliche Bier, Wein, Sekt und entsprechende Mixgetränke in der Öffentlichkeit trinken, ab dem Alter von 18 ist Alkoholkonsum legal. Etwa 34 % der 15-jährigen Jungen trinken einmal pro Woche Alkohol, bei den Mädchen beträgt diese Rate rund 19 %, so Studiendaten. Komasaufen scheint die Ausnahme zu sein.

Shisha- und E-Zigaretten-Konsum hat zugenommen

Rauchen von Tabak ist in den meisten Bundesländern ab 18 Jahren gesetzlich erlaubt. Während immer weniger Jugendliche klassische Zigaretten rauchen, nimmt der Shisha- und E-Zigaretten-Konsum unter Teenagern zu. So haben fast 40 % der 12- bis 17-Jährigen mindestens schon einmal Wasserpfeife geraucht. Eingesetzt werden dabei Originaltabak oder Fruchtauszüge, etwa Apfel-, Birnen- oder Traubenmischungen.

Eine Shisha-Sitzung so schädlich wie 100 Zigaretten

Der Experte riet, insbesondere vor Tabak zu warnen. Denn bei einer Shisha-Sitzung werden so viele schädliche Stoffe (z.B. Arsen, Chrom, Nickel und Kohlenmonoxid) aufgenommen wie durch das Rauchen von etwa 100 Zigaretten. Bereits in der Kindersprechstunde sitzen heute junge Konsumenten von E-Zigaretten, so Herr Ramolla. Diese Produkte fallen nicht unter das Jugendschutzgesetz, weil die verdampfenden Flüssigkeiten, die Liquide, meist Nikotin oder verschiedene Duftstoffe enthalten. Die Duftaromen bergen jedoch erhebliche Allergierisiken.

Quelle: 40. Herbst-Seminar-Kongress der bvkj, Christian Ramolla, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).