Wie es Drogenabhängigen gelingt, sich mit Loperamid zuzudröhnen

Maria Weiß

Loperamid ist nicht nur ein Medikament gegen Diarrhö, sondern kann auch für den nächsten "Kick" sorgen. Loperamid ist nicht nur ein Medikament gegen Diarrhö, sondern kann auch für den nächsten "Kick" sorgen. © fotolia/PRILL Mediendesign

Loperamid gilt als sehr sicheres Arzneimittel und geht in der Apotheke rezeptfrei über den Ladentisch. Opiatsüchtige kennen jedoch verschiedene Wege, das Durchfallmittel „scharf zu machen“.

Über viele Jahrzehnte wurden Opiate zur Behandlung schwerer Diarrhö eingesetzt – mit den entsprechenden Nebenwirkungen. Als 1969 Loperamid auf den Markt kam, meinte man, das Problem gelöst zu haben:   Das synthetische Opioid stoppt den Durchfall, ohne dabei zentral zu wirken.

Hohe Dosen durchbrechen die Blut-Hirn-Schranke

Zwei Mechanismen verhindern, dass Loperamid auch die zentralen Opioidrezeptoren im Gehirn erreicht, schreiben Denise­ Häschke und Professor Dr. Ralf­ Stahlmann vom Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie an der Berliner Charité. Zum einen ist die systemische Verfügbarkeit gering, weil bei oraler Einnahme ein ausgeprägter First-Pass-Metabolismus zum Tragen kommt. Zum anderen kann Loperamid nicht die Blut-Hirn-Schranke überwinden, da der Effluxtransporter P-Glykoprotein (PGp) im Endothel der Hirnkapillaren für einen sofortigen Rücktransport sorgt.

Trotzdem haben sich in den letzten Jahren Meldungen über Missbrauchsfälle gehäuft. Im Internet findet man zahlreiche Anleitungen, wie man das Durchfallmittel „scharf macht“, um den gewünschten „Kick“ zu bekommen oder Entzugserscheinungen abzumildern:

1. Eine supratherapeutische Dosierung – z.T. hundert Tabletten und mehr – sättigt das PGp-System, sodass die Blut-Hirn-Schranke überwunden wird.

2. Die inhalative, intravenöse oder sublinguale Anwendung führt durch die Umgehung des First-Pass-Effektes zu hohen Plasmaspiegeln und hat daher den oben beschriebenen Effekt.

3. Substanzen, die Leber-Enzyme wie CYP3A4 oder CYP2C8 hemmen, bremsen den Abbau von Loperamid. In der Folge steigt der Plasmaspiegel. Dazu reicht schon Grapefruitsaft, aber auch zahlreiche Medikamente wie Ritonavir, Clarithromycin, Itraconazol oder Gemfibrozil.

4. Mittels direkter Inhibition von PGp gelangt Loperamid ins Gehirn, z.B. durch Chinin, enthalten in Tonic Water und Bitterlimonaden. Allerdings müsste man davon mehrere Liter konsumieren. Viele Medikamente wie Omeprazol, Clarithromycin oder Itraconazol erfüllen den gleichen Zweck.

Hat Loperamid erst einmal die Blut-Hirn-Schranke überwunden, unterscheidet sich die zentrale Wirkung nicht von anderen Opioiden: euphorisierend, angstlösend, schlaffördernd, schmerzlindernd – und bei Opiatsüchtigen die Entzugserscheinungen lindernd.

Das Gefahrenpotenzial unterschätzen dabei die meisten Abhängigen. Eine Opiatintoxikation aufgrund einer Überdosierung kann zu Atemdepression bis hin zum -stillstand und nicht-erweckbarem Koma führen und ist damit potenziell lebensbedrohlich. Außerdem fördert die antitussive Wirkung einen Sekretstau in der Lunge, mit der Gefahr einer respiratorischen Insuffizienz.

Bei Verdacht auf Missbrauch die AkdÄ informieren

Weiterhin treten potenziell Bradykardie, Hypotonie und durch die Verlängerung des QT-Intervalls Herzrhythmusstörungen auf. Zusätzliche Gefahr droht von den zur Wirkverstärkung eingenommenen weiteren Medikamenten wegen Nebenwirkungen und nicht einschätzbaren Interaktionen.

Die Autoren empfehlen Ärzten und Apothekern, die Konsumenten auf das Missbrauchspotenzial und die damit verbundenen Risiken hinzuweisen, keine größeren Mengen abzugeben und bei Missbrauchsverdacht die Arzneimittelkommission zu informieren. Beim BfArM* sind inzwischen mehr als hundert Meldungen eingegangen. Die FDA** warnte schon 2016 eindringlich vor der Einnahme hoher Loperamiddosen. Trotzdem findet man hierzulande bisher in der Fachinformation keinerlei Hinweise auf diese Risiken, kritisieren die Berliner Kollegen. Eine Verschreibungspflicht erachten sie als mögliche Option.

* Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
** Food and Drug Administration

Quelle: Häschke D, Stahlmann R. internistische Praxis 2017; 58: 150-157

So behandeln Sie eine Loperamidintoxikation

Die Therapie erfolgt primär symptomatisch, der Fokus liegt auf der Sicherung der Vitalfunktion inklusive dem Freihalten der Atemwege. Falls das spezifische Antidot naloxon zum Einsatz kommen soll, muss man die kurze Halbwertszeit, die damit verbundene Gefahr eines Rebound-Effekts und die Entzugssymptomatik durch das Aufheben der Opioidwirkung beachten.

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