Opiatsucht

Definition

Die Opiatabhängigkeit ist eine komplexe, chronische und immer behandlungsbedürftige Erkrankung.

Die Abhängigkeit von Opiaten ist durch eine starke psychische Süchtigkeit gekennzeichnet, die sich in einem unwiderstehlichen Drang, die Droge zu beschaffen und einzunehmen, äußert. Dieser Drang wird durch ein schnell eintretendes Hochgefühl ("Kick") und die nachfolgende, länger andauernde Euphorie begründet. Eine weitere grundlegende Wirkung ist eine Dämpfung der Schmerzwahrnehmung zusammen mit leichter Beruhigung (Sedierung).

Es kommt sehr rasch zu einer Toleranzbildung, wodurch die Dosis erhöht werden muss, um denselben Effekt zu bewirken. Auch eine körperliche Abhängigkeit entwickelt sich rasch. Das am meisten missbrauchte Opiat ist das illegale Heroin, das eine stark ausgeprägte euphorisierende Wirkung und ein hohes Suchtpotenzial hat. Aber auch verschreibungspflichtige Opioid-Schmerzmittel werden zum Teil missbräuchlich angewandt und können zur Opiatabhängigkeit führen.

Die Opiatabhängigkeit geht in der Regel einher mit:

  • einem hohen Anteil an zusätzlichen psychischen und somatischen Störungen
  • massiven Beinträchtigungen im beruflihen, familiären und sozialem Umfeld
  • dem Mischkonsum unterschiedlicher Substanzen (Alkohol, Nikotin, Psychopharmaka)

Zusätzliche Probleme entstehen oft durch die Beschaffungskriminalität und das erhöhte Infektionsrisiko bei intravenöser Anwendung (HIV, Hepatitis B und C).

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Symptomatik

Für die Diagnose einer Opiatabhängigkeit sollten drei oder mehr der folgenden Kriterien über einen Zeitraum von zwölf Monaten gleichzeitig vorhanden sein:

  1. starker bis übermäßiger Wunsch, Opiate zu konsumieren
  2. verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums
  3. Nachweis einer Toleranzentwicklung
  4. körperliches Entzugssyndrom
  5. fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zu Gunsten des Substanzkonsums; erhöhter Zeitaufwand, um die Substanz zu beschaffen
  6. anhaltender Substanzkonsum trotz des Nachweises eindeutig schädlicher Folgen

Ein Opioidentzugssyndrom wird diagnostiziert, wenn der Opiatkonsum aktuell eingestellt oder erheblich reduziert wurde und mindestens drei der unten aufgeführten Symptome vorliegen, die nicht durch eine körperliche Erkrankung bedingt und nicht besser durch eine andere psychische oder Verhaltensstörung erklärbar sind.

  1. Verlangen nach einem Opiat
  2. Rhinorrhoe oder Niesen
  3. Tränenfluss
  4. Muskelschmerzen oder -krämpfe
  5. Abdominelle Spasmen
  6. Übelkeit oder Erbrechen
  7. Diarrhoe
  8. Pupillenerweiterung
  9. Piloerrektion oder wiederholte Schauer
  10. Tachykardie oder Hypertonie
  11. Gähnen
  12. Unruhiger Schlaf
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Untersuchung

Bei der körperlichen Untersuchung sollte auf Injektionsstellen, Abszesse und dermatologische Infektionen geachtet werden.

Eine sonographisch vergrößerte Leber kann auf einen Hepatitis B oder C hinweisen.

Labor

Die Anamnese sollte folgende Faktoren einschließen:

  • Dauer des Opiatkonsumes, Applikationsweise, die Konsummenge der letzten 30 Tage und den Zeitpunkt des letzten Konsums
  • zusätzlicher Konsum anderer psychotroper Substanzen
  • vorausgegangene Komplikationen von Intoxikation und Entzug
  • relevante Begleiterkrankungen im somatischen und psychischen Bereich

Laboruntersuchungen:

  • Umfassendes Drogenscreening (Opioiden , Methadon, THC, Benzodiazepinen, Barbituraten, Amphetamine und Kokain im Urin oder in einer anderen Körperflüssigkeit und die Bestimmung der Alkoholkonzentration in der Atemluft oder im Serum)
  • Bei i.v.-Drogenkonsum Untersuchungen auf Hepatitis B und C sowie HIV
  • Weitere Laborparamter wie Blutbild, Serumkreatinin, Serumharnstoff, Serumnatrium, Serumkalium, SGOT (ASAT), SGPT (ALAT), Gamma GT, Luessuchtest
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Differenzialdiagnostik

Vor allem der Konsum anderer (evtl. zusätzlicher) Drogen sollte untersucht werden.

Pharmakotherapie und nichtinvasive Therapie

Nach einem Konsensupapier der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin sollte bei gesicherter Opitabhängigkeit immer eine Substitutionsbehandlung angeboten und unverzüglich eingeleitet werden.

Ziele sind dabei u.a.:

  • Reduktion der Mortalität und Morbidität
  • Reduktion der intravenösen Anwendung illegaler Opiate (und damit Senkung des Infektionsrisikos)
  • Reduktion der Kriminalität
  • Besserung der Lebensqualität

Als Substitutionsmittel kommen in Frage:

  • Dextro-Levomethadon
  • Levomethadon
  • Buprenorphin)
  • Buprenorphin/Naloxon
  • Diacetylmorphin
  • Codein / Dihydrocodein (zweite Wahl)
  • Retardierte Morphine

Ist nach Stabilisierung aus psychischer, medizinischer und sozialer Sicht ein opioidfreies Leben für den Patienten vorstellbar, wird empfohlen, unter Abwägung der Risiken eine ambulante oder stationäre qualifizierte Entzugsbehandlung zu versuchen.

Eine vollständige Drogenabstinenz ist dabei das übergeordnete Ziel, wird aber bei Opiatsucht nur relativ selten erreicht. In der Regel erfolgt dazu zuerst ein körperlicher Entzug in internistischen oder psychiatrischen Krankenhäusern.

In der Regel ist in Phase I der Entwöhnungsbehandlung eine stationäre Rehabilitation über 6 Monate vorgesehen. Ziele sind dabei:

  • Stärkung des Selbswertgefühls, persönlicher Potenzial und Ressourcen
  • Fördung von Lebenskompetenzen
  • Gesundheiltiche Stabilisierung
  • Distanzierung von drogenbezogenen Lebensstilen
  • Abbau von Delinquenz
  • Behandlung somatischer und psychischer Störungen
  • Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit
  • Förderung der Teilhabechancen
  • Freizeit ohne Drogen
  • Umgang mit Krisen und Rückfällen.

Danach können weitere ambulante Nachsorgemaßnahmen angeboten werden.

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Notfallmanagement

Eine Opiatintoxikation geringen oder mäßigen Ausmaßes erfordert gewöhnlich keine spezifische Behandlung.

Schwerere Opiatintoxikationen mit drohender Ateminsuffizienz dagegen bedürfen der allgemein üblichen notfallmedizinischen Überwachung und Behandlung. Dabei kann zur Antagonisierung einer Atemdepression und anderer Symptome der Opiatintoxikation auch Naloxon angewandt werden. Bei Überdosierungen drohen aber massive Entzugserscheinungen.

Leitlinien
  • Jost Leune et al; Opiatabhängigkeit – schwere komplexe Erkrankung. Deutsches Ärzteblatt (2015); 112 (12): 510-511

Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin DGS e.V.):Therapie der Opiatabhängigkeit–Teil 1: Substitutionsbehandlung

DGPPN-Leitlinie

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