Posttraumatische Belastungsstörung
Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine spezifische Folgeerkrankung nach einem oder mehreren traumatischen Erlebnissen.
Zu solchen Traumata gehören z.B. sexueller Missbrauch, Vergewaltigung, gewalttätige Angriffe auf die eigene Person, Entführung, Geiselnahme, Terroranschlag, Krieg, Kriegsgefangenschaft, politische Haft, Folterung, Gefangenschaft in einem Konzentrationslager aber auch Katastrophen, Unfälle oder die Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit.
Die Häufigkeit des PTBS hängt von der Art des Traumas ab:
- Ca. 50 % Prävalenz nach Vergewaltigung
- Ca. 25 % Prävalenz nach anderen Gewaltverbrechen
- Ca. 50 % bei Kriegs-, Vertreibungs- und Folteropfern
- Ca. 10 % bei Verkehrsunfallopfern
- Ca. 10 % bei schweren Organerkrankungen, (Herzinfarkt, Malignome)
Die Lebenszeitprävalenz für eine PTBS liegt in Deutschland zwischen 1,5 und 2 %. Wesentlich höher ist die Prävalenz subsyndromaler Störungsbilder. Es besteht eine hohes Chronifizierungsrisiko und eine psychische Komorbidtät (Angst, Depression, Somatisierung, Sucht, Dissoziation) ist eher die Regel als die Ausnahme.
Das Störungsbild ist geprägt durch:
- sich aufdrängende, belastende Gedanken und Erinnnerungen an das Trauma (Intrusionen) oder Erinnerungslücken (Bilder, Alpträume, Flashbacks, partielle Amnesie) Übererregungssymptome (Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit, vermehrte Reizbarkeit, Affektintoleranz, Konzentrationsstörungen)
- Vermeidungsverhalten (Vermeidung traumaassoziierter Stimuli)
- emotionale Taubheit (allgemeiner Rückzug, Interesseverlust, innere Teilnahmslosigkeit)
- im Kindesalter teilweise veränderte Symptomausprägungen (z.B. wiederholtes Durchspielen des traumatischen Erlebens, Verhaltensauffälligkeiten, z.T. aggressive Verhaltensmuster)
Die Symptomatik kann unmittelbar nach dem Trauma oder auch mit (z.T. mehrjähriger) Verzögerung (verzögerte PTBS).
Die körperliche Untersuchung ist in der Regel unauffällig.
Die Diagnose wird aufgrund der typischen Symptomatik im Zusammenhang mit einem oder mehreren traumatischen Ereignissen gestellt.
In folgenden Situationen wird eine PTBS oft übersehen:
- lange zurückliegende Traumatisierung (z.B. Kriegserfahrungen in der Kindheit)
- klinisch auffällige Komorbidität (Angst, Depression, Somatisierung, Sucht, Dissoziation)
- bei unklaren therapieresistenten Schmerzsyndromen (z.B. somatoforme Schmerzstörung)
- bei misstrauischen, feindseligen und emotional-instabilen Verhaltensmustern (insbesondere bei Persönlichkeitsstörungen)
- bei medizinische Eingriffe und Erkrankungen als auslösendes Trauma (z.B. Malignomdiagnose, Betreuung auf der Intensivstation, Problemgeburt)
Zur Unterstützung der Diagnostik können psychometrische Tests und PTBS- spezifische strukturierte klinische Interviews eingesetzt werden.
Abgrenzt werden müssen:
Andere Folgeerkrankungen einer Traumatisierung wie
- akute Belastungsreaktionen
- Anpassungsstörungen
- relevante psychische Vorerkrankungen
- andere traumaassoziierte und komorbide Störungen (z.B. Angst, Depression, Somatisierung, Sucht/Substanzmissbrauch, Dissoziation, Organerkrankung)
- subsyndromale Störungsbilder (z.B. Intrusionen und Übererregungssymptome ohne Vermeidungsverhalten)
An erster Stelle muss der individuelle Stabilisierungsbedarf durch einen entsprechend qualifizierten ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten ermittelt werden.
Dabei muss eine unzureichende Affektregulation (z.B. mangelnde Impulskontrolle, dissoziative Symptome, Substanzmissbrauch, Selbstverletzungen, Suizidalität) diagnostisch abgeklärt werden und ist ggf. initial in der Behandlungsplanung zu berücksichtigen.
Eine Psychopharmakotherapie soll bei PTBS nicht als alleinige Therapie eingesetzt werden. Sie kann zur Unterstützung der Symptomkontrolle notwendig sein (z.B. Antidepressiva), ersetzt aber nie die traumaspezifische Psychotherapie. Die Traumabearbeitung ist ein wesentlicher Bestandteil der Therapie im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplanes.
Die Traumabearbeitung ist ein wesentlicher Bestandteil der Therapie im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplanes. Sie beinhaltet:
- dosierte Konfrontation mit dem auslösendem Ereignis
- Durcharbeitung und Integration unter geschützten therapeutischen Bedingungen
- Bearbeitung traumatisch fixierter Erinnerungen und sensorischer Fragmente
Dabei sind folgende Kontraindikationen zu beachten:
Absolute Kontraindikationen:
- akutes psychotisches Erleben
- akute Suizidalität
- Täterkontakt mit Traumatisierungsrisiko
Relative Kontraindikationen:
- Mangelnde Affekttoleranz
- Anhaltende schwere Dissoziationsneigung
- Unkontrolliert autoaggressives Verhalten
- Mangelnde Distanzierungsfähigkeit zum traumatischen Ereignis
- Hohe akute psychosoziale und körperliche Belastung
Bei Vorliegen von Kontraindikationen ist eine konfrontative Traumabearbeitung erst indiziert, wenn äußere Sicherheit und eine hinreichend gute Emotionsregulierung (ausreichende Stabilisierung) vorhanden sind.
Als obsolet gelten:
- Anwendung nicht traumaadaptierter kognitiv-behavioraler oder psychodynamischer Techniken (z.B. unmodifiziertes psychoanalytisches Verfahren, unkontrollierbare Reizüberflutung, unkontrollierte regressionsfördernde Therapien)
- Alleinige Pharmakotherapie
- Traumatherapie ohne Gesamtbehandlungsplan
Zusätzliche Therapieoptionen im Rahmen eines Gesamtkonzeptes:
Adjuvante Therapie
- Ergotherapie
- Kunsttherapie
- Musiktherapie
- Körper- und Bewegungstherapie
- Physiotherapie
Psychosoziale Integration:
- Soziale Unterstützung
- Einbeziehung von Angehörigen
- Opferhilfsorganisationen
- Berufliche Rehabilitation
- Opferentschädigungsgesetz
Erstmaßnahmen nach akuter Traumatisierung können einer PTBS mit Chronifizierung entgegenwirken:
- Herstellen einer sicheren Umgebung, wenn immer möglich (Schutz vor weiterer Traumaeinwirkung)
- Organisation des psycho-sozialen Helfersystems
- Frühes Hinzuziehen eines mit PTBS-Behandlung erfahrenen Psychotherapeuten
- Psychoedukation und Informationsvermittlung bzgl. traumatypischer Symptome und Verläufe
S3 - Leitlinie posttraumatische Belastungsstörung
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