Postpartale PTBS Das Trauma im Kreißsaal
Manche Frauen werden durch die Geburt ihres Kindes so stark belastet, dass sie das Erlebte nicht ohne professionelle Hilfe verarbeiten können. Aber auch eine vergleichsweise unkomplizierte Geburt kann extreme psychische Folgen für die Mütter haben und zum Trauma führen, berichtet eine Autorengruppe um Prof. Dr. Pauline Slade von der Universität Liverpool.
Viele traumatisierte Mütter sprechen jedoch nicht über ihre belastenden Erfahrungen bei der Entbindung. Sie ziehen sich zurück und meiden Situationen, die Erinnerungen an die Geburt wecken könnten. Schuldgefühle kommen auf oder das Empfinden, versagt zu haben. Das menschliche Gehirn versucht jedoch stets, einen Sinn hinter belastenden Geschehnissen zu finden. Aus diesem Grund wird das Ereignis immer wieder neu durchlebt – tagsüber in Form von Flashbacks, nachts äußert sich dies mit Albträumen.
Unverarbeitete Ereignisse belasten Beziehungen
Die nachhaltige Verarbeitung des Erlebten kann aber nur gelingen, wenn sich die Frauen dem Problem stellen, so die Erfahrung der drei Autorinnen. Verdrängen begünstigt die Chronifizierung im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), was das Wohlbefinden der Mutter beeinträchtigt, Partnerschaft und Familie belastet und die Mutter-Kind-Beziehung sowie die sozial-emotionale Entwicklung des Kindes aufs Spiel setzt. Die traumatisierten Mütter erleben die Welt als gefährlich, sie befinden sich in einem anhaltenden Alarmzustand. Hinzu kommen negative Gedanken und emotionale Abstumpfung. Das kann bis zur dissoziativen Störung führen.
Oft bleibt eine PTBS nach Geburt eines Kindes lange unerkannt, da nicht gezielt nach ihr gefahndet wird. Zudem befindet sich nahezu jede Mutter nach der Entbindung in einer Ausnahmesituation. Insbesondere bei Erstgebärenden führt die neue Mutterrolle zu Unsicherheit und Ängsten, und durch die neue Situation sind Schlafstörungen, Erschöpfung und Reizbarkeit vorprogrammiert. Die Grenzen zur Pathologie sind dann nicht klar zu ziehen.
Obwohl die Diagnose einer postpartalen PTBS frühestens vier Wochen nach Geburt gestellt werden kann, empfehlen Prof. Slade und Kolleginnen, die Frauen bereits im Wochenbett – in der Klinik oder im Rahmen der Betreuung durch die Hebamme – gezielt nach ihren Empfindungen während der Entbindung zu fragen. Viele Betroffene öffnen sich allerdings erst nach Monaten, weshalb auch Hausärztinnen und Hausärzte für das Thema sensibel sein sollten. Die ersten Termine beim Kinderarzt bieten sich gleichfalls für solche Gespräche an.
Differenzialdiagnostisch ist die postpartale PTBS von einer Wochenbettdepression abzugrenzen, betonen die drei Autorinnen. Eine Fehldiagnose wäre problematisch, da sich beide Erkrankungen mit Blick auf die Therapie unterscheiden. Falls sich die Symptome innerhalb einiger Wochen nicht deutlich bessern, sollte ein spezialisierter Kollege hinzugezogen werden.
Quelle: Slade P et al. BMJ 2022; 377: e067659; DOI: 10.1136/bmj-2021-067659