Durchfall und Colitis mit fremdem Kot und Würmern heilen?

Dr. Dorothea Ranft, Foto: thinkstock

Mit Stuhl-Transplantation und Würmern Colitis ulcerosa und Diarrhö behandeln. Was ist von derart heroischen Methoden zu halten?

Sie fühlen sich als „Bürgerwissenschaftler“ und sind fest davon überzeugt, dass Parasiten ihr überschießendes Immunsystem in Schach halten können – bei Allergien ebenso wie bei Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa. In ihrem Eifer bebrüten sie Wurmeier zu Hause in einer Mixtur aus warmem Wasser und dem Stuhlgang des Nachbarn.


Kaum zappeln die kleinen Helminthen in der Eihülle, werden gleich 500 Stück auf einmal verschluckt. Andere Patienten fliegen bis nach Thailand, um sich dort die nötigen Peitschenwurmeier zu besorgen, und hinterher veröffentlichen sie ihre Erfolgsgeschichte im Internet, was noch mehr Menschen auf den Würmertrip bringt.


Wissenschaftler lassen diese eigenmächtigen Heilversuche keineswegs kalt, einige wenden sich scharf gegen jede Wurmtherapie, während sich andere sehr wohl eine wissenschaftliche Prüfung in Studien vorstellen könnten. Einen Forscher aus New York überzeugten wiederholte Koloskopien bei einem Kolitispatienten. Überall dort, wo sich Würmer in dessen Kolon tummelten, war die Entzündung auf dem Rückzug oder verschwunden.

Wer testet Wurmspender auf Hepatitis und HIV?

Allerdings gibt es für Studien einige Hindernisse: Schließlich können Würmer auch als Heilmittel schwere Krankheiten auslösen. Außerdem eignet sich nicht jeder Wurm als Hilfsmediziner. Bestimmte Arten verschlimmern sogar Immunerkrankungen und Allergien, berichtet ein Kollege aus Edinburgh im „New Scientist“.1


Dennoch gibt es sehr wohl kleinere Untersuchungen: So testete Joel Weinstock von der Tufts University in Summerville bereits 2005 in einer kontrollierten Studie die Helminthentherapie bei 52 Freiwilligen mit Colitis ulcerosa. Sie schluckten über den Zeitraum von einem Vierteljahr alle zwei Wochen 2500 Eier des Schweinepeitschenwurms oder Placebo. 45 % der Eierkonsumenten erzielten eine Besserung, in der Placebogruppe betrug diese Rate 17 %. Im gleichen Jahr wurde einer australischen Studie zufolge mit Helminthen bei fünf von neun Crohn-Patienten eine Remission erzielt.


Zurzeit plant eine dänisch-amerikanische Gruppe eine Helminthenstudie bei Multipler Sklerose. Aber viele Menschen wollen nicht auf wissenschaftliche Ergebnisse warten und gehen unkalkulierbare Gesundheitsrisiken ein. Denn keiner kann garantieren, dass die Spender von kommerziell angebotenen Würmern tatsächlich gegen HIV, Hepatitis etc. getestet wurden.

Durchfall beseitigt dank Nachbars Fäzes

Eine weitere Behandlungsform ist die Transplantation von Spender­stuhl bei Patienten mit Clostridium-difficile-Infektionen, wenn die Durchfälle anderweitig nicht beherrschbar sind. Gleich zwei Arbei­ten im „Journal of Clinical Gastroenterology“ widmeten sich 2010 dieser Therapiemethode.


Zum einen ging es um eine Fallserie von 12 Patienten mit therapierefraktärer bzw. rezidivierender C.-difficile-Infektion (CDI) zumeist auf dem Boden einer Divertikulitis. Allen Patienten verschaffte die Transplantation umgehend eine anhaltende Remission.2


Ähnlich war das Ergebnis einer kleinen Studie3 aus Kalifornien, an der 19 Patienten mit mehrfach rekurrierender C.-difficile-Infektion  teilgenonmen hatten. 18 Probanden sprachen bereits auf die initiale Stuhlübertragung an, ein Patient benötigte eine zweite Transplantation. In der Gesamtgruppe hielt der Erfolg zwischen sechs Monaten und fünf Jahren an, drei Patienten erlitten nach erneuter Antibiotikatherapie ein Rezidiv.

So funktioniert die Stuhltransplantation
Die Vorbereitung ist im Prinzip die gleiche wie bei jeder Darmspiegelung. Die kalifornischen Kollegen lassen ihre Patienten am Vorabend vier Liter Polyethylenglykol-Lösung trinken. Aus dem Stuhl des Spenders stellen sie mithilfe von NaCl-Lösung eine dickflüssige Suspension her. Ein Filter verhindert, dass feste Teile den Biopsiekanal des Koloskops, durch den die fremde Fäzes transportiert wird, verstopfen. Die Applikation des Gemischs erfolgt möglichst weit oben (im Ileum, spätestens aber im Caecum). Sicherheitshalber muss der Patient anschließend Motilitätshemmer einnehmen und für einige Stunden Bettruhe einhalten. Aber schon am nächsten Tag kann er sich wieder normal bewegen.

Gesunde Bakterienbesiedlung im kranken Darm wiederherstellen

Die Wirkung der Methode beruht darauf, dass die gesunde Bakterienflora aus dem Spenderfäzes den Darm des Patienten kolonisiert und dabei die natürliche Resistenz gegen C. difficile wiederherstellt. Selbstverständlich werden alle Fäzes-Spender vorher auf Krankheitserreger wie Clostridien, HIV und Hepatitis-Viren getestet.


Obwohl die Transplantation relativ einfach durchführbar ist, kommt sie erst infrage, wenn mehrere Vortherapien gescheitert sind. Und sie hält auch nicht lebenslang vor: Interkurrente Antibiotikagaben können – wie in der Studie – den Erfolg jederzeit wieder zunichtemachen. In Zukunft hofft man das gleiche Resultat viel einfacher mit einer Transplantation einzelner Bakterienstämme zu erlangen.

1. New Scientist 2011; 211, No. 2824: 6-7,
2. Sonya S. Yoon et al., J Clin Gastroenterol 2010; 44: 562-566,

3. Faith Rohlke et al., J Clin Gastroenterol 2010; 44: 567-570

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