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Effektive Symptomkontrolle und Einfühlungsvermögen

Palliativversorgung funktioniert am besten im Team. Dadurch kann gewährleistet werden, dass Sterbende rund um die Uhr schnell Hilfe bekommen, wenn diese gebraucht wird, schreiben Dr. Matthias Thöns vom Palliativnetz Witten und Dr. Thomas Sitte, Deutsche Palliativstiftung, Fulda. Im Umgang mit Sterbenden hilft Selbstreflexion: Was wäre für mich in dieser Situation hilfreich? Begegne ich dem Menschen so, wie ich mir das wünschen würde? Allerdings sollte man vermeiden, dem Patienten eigene Wertvorstellungen „überzustülpen“.
Für einen guten Umgang mit dem Patienten und seinen An- und Zugehörigen, aber auch innerhalb des Teams, sind Merkmale wie Wertschätzung, Achtung, Ehrlichkeit und Mitempfinden (aber nicht Mitleid) eine gute Basis. Für die letzte Lebensphase sollten möglichst nicht-invasive Behandlungsstrategien mit viel menschlicher Nähe gewählt werden („low tech – high touch“). Als häufigste Beschwerden Sterbender nennen die Autoren Atemnot, Schmerzen und gastrointestinale Probleme.
Atemnot
Atemnot ist nicht als Sauerstoffmangel definiert, sondern als „ein Gefühl erschwerter Atmung, das den Patienten zur Atemsteigerung zwingt und seine Aktivität einschränkt“. Fast alle Palliativpatienten entwickeln am Lebensende Atemnot. Sie wird als bedrohlich empfunden und führt zu Angst, die die Atemnot zusätzlich verschlimmert. Die Autoren empfehlen, ruhig zu bleiben und einfache Maßnahmen anzuordnen, beispielsweise:
- angenehme Lagerung herstellen (in sitzender Position, die Arme unterpolstert, damit die Atemhilfsmuskulatur besser eingesetzt werden kann)
- Fenster öffnen oder Ventilator mit Luftstrom anschalten
- beengende Kleidung öffnen
- Zimmertemperatur absenken
- Sicherheit vermitteln (auch den Angehörigen, denn deren Ängste übertragen sich auf den Patienten)
Zur symptomatischen Behandlung der akuten Atemnot empfehlen Leitlinien die Gabe von Morphin oder anderen Opioiden. Sie wirken, indem sie den Atemantrieb reduzieren, die Atemfrequenz senken und den Stress des Patienten lindern. „Ein mögliches Anwendungsschema sind 5 mg Morphin intravenös alle fünf Minuten oder subkutan alle 30 bis 60 Minuten“, schreiben die beiden Palliativexperten. Fentanyl wirke schneller, daher könne man auch eine Off-Label-Gabe von 100 µg Fentanyl nasal, maximal alle fünf Minuten in ein oder beide Nasenlöcher erwägen. Sauerstoff sollte außerhalb der Terminalphase bei begleitender Angst nur eingesetzt werden, wenn die Sauerstoffsättigung unter 90,5 % liegt.
Schmerzen
Gegen Schmerzen helfen manchmal einfache Mittel wie Wärme, Positionswechsel oder Lagerungsmaßnahmen. Ist eine medikamentöse Therapie erforderlich, empfehlen die Kollegen retardierte Formulierungen, die individuell und hoch genug
dosiert werden sollen. Retardiertes Morphin setzt man zu Beginn niedrig dosiert ein, z. B. 3 x 10 mg täglich. Die Dosis sollte dann täglich um etwa 30–50 % gesteigert werden, bis eine gute Schmerzlinderung erreicht ist. Zusätzlich wird ein nicht-retardiertes Präparat gegen Durchbruchschmerzen verordnet, z.B. das von der WHO empfohlene kurz wirksame Morphin. Da Morphintropfen aber erst nach etwa 20 Minuten wirken, bevorzugen die Autoren bei Schmerzspitzen das sehr rasch wirksame nasale Fentanyl. Es kommen aber auch andere stark wirksame Opioide wie Hydromorphon oder Oxycodon infrage.
Behandlung von Übelkeit und/oder Erbrechen
1. Mittel der ersten Wahl: Dexamethason (kann in jeder Stufe eingesetzt werden)
2. Alizaprid (2 × 50 mg) und Ondansetron (1 × 8 mg)
3. weitere: nHaloperidol (5–10 Tropfen z.N.) oder nDimenhydrinat (3 × 1 Tablette/Suppositorium oder nMetoclopramid* (bis 4×10 mg)
4. Haloperidol und Dimenhydrinat
5. Hinzunahme von Levomepromazin (5 Tropfen z.N.)
6. als Add-on: Aprepitant (i.v./oral) und Cannabinoide (oral)
* nicht bei kolikartigen Schmerzen; keine Kombination mit Anticholinergika
Gastrointestinale Beschwerden
Palliativpatienten leiden häufig unter Obstipation sowie Übelkeit und Erbrechen. Bei Verstopfung ist eine frühe symptomatische Therapie erforderlich (siehe Kasten). Gegen die opioidbedingte Obstipation wirken Naloxegol oder Naltrexon – subkutan oder oral verabreicht – rasch und gründlich. Diese Substanzen sollte man allerdings nicht zu hoch dosieren, sondern eher eintitrieren.
Stufentherapie bei Obstipation
1. osmotische Laxanzien (Macrogol, 3 × ein Beutel)
2. stimulierende Laxanzien (Natriumpicosulfat (5–40 Tropfen) oder Prucaloprid (2 mg abends)
3. zusätzlich Suppositorien (morgens)
4. Klistier
5. manuelles Ausräumen (ggf. unter Sedierung)
Zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen stehen verschiedene Optionen zur Verfügung. Die Autoren empfehlen ein symptomatisches Stufenschema (siehe Kasten). Eine besonders gefürchtete Komplikation bei Palliativpatienten ist der mechanische Ileus mit kolikartigen Bauchschmerzen, Völlegefühl und starken Blähungen. Wenn eine Operation nicht mehr indiziert ist, sollte mit einer Dauerinfusion die Peristaltik so weit blockiert werden, dass eine gute Symptomkontrolle möglich ist. Dazu eignet sich ein Mix aus Metamizol, N-Butyl-Scopolamin, Ondansetron, Haloperidol und Morphin.
Quelle: Thöns M, Sitte T. Schmerzmedizin 2023; 39: 50-53; DOI: 10.1007/s00940-023-4165-6
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