Ein Fall für Pneumologen

Manuela Arand

Viele Kinder mit Down-Syndrom brauchen schon in den ersten Lebensmonaten eine pneumologische Maximaltherapie: Tracheostomie, Beatmung und Medikamente. Viele Kinder mit Down-Syndrom brauchen schon in den ersten Lebensmonaten eine pneumologische Maximaltherapie: Tracheostomie, Beatmung und Medikamente. © iStock/FroggyFrogg

Menschen mit Down-Syndrom leiden unter multiplen pulmonalen Komplikationen. Ein Grund liegt darin, dass auf dem überzähligen Chromosom 21 viele Gene liegen, die bei überschießender Expression schädliche Prozesse in Gang setzen.

Bei Menschen mit Down-Syndrom finden sich häufig anatomische Anomalien der oberen und unteren Atemwege wie Makroglossie, verengte Nasengänge, hypertrophe Tonsillen oder subglottische und tracheale Stenosen. Knöcherne Strukturen können im Sinne einer Osteomalazie verändert sein, etwa die des Larynx und des Tracheobronchialsystems, was womöglich deren Kollaps zur Folge hat. Aspiration, akute und chronische virale und bakterielle Infektionen sowie parenchymale Lungenerkrankungen werden begüns­tigt, erklärte Professor Dr. Paul E. Moore, Department of Pediatrics,  Vanderbilt University, Nashville. 

Dysphagie ist ein häufiges Phänomen beim Down-Syndrom und kann zur fast immer stummen Aspiration führen. Deshalb emp­fiehlt die American Association for Pediatrics bei Kindern mit ausgeprägter Hypotonie, Problemen beim Füttern oder unerklärlicher Gedeihstörung sowie rezidivierenden Pneumonien, den Schluckakt radiologisch zu kontrollieren. Bei einigen ist das Problem so ausgeprägt, dass eine Magensonde gelegt werden muss. Wenn ein Kind mit Down-Syndrom stirbt, ist in jedem dritten Fall eine Pneumonie daran schuld, warnte Prof. Moore. Das unterstreicht die Bedeutung von Früherkennung und Behandlung respiratorischer Probleme bei diesen Patienten.  

Impfschutz immer auf dem Laufenden halten

Patienten mit Down-Syndrom zeigen vielfältige Immunstörungen. Akute lymphatische und myeloische Leukämien kommen bei ihnen 20- bis 25-mal häufiger vor als in der Allgemeinbevölkerung. Daneben gibt es B- und T-Zelldefekte, die respiratorische Infektionen begünstigen, sowie Autoimmunerkrankungen wie Zöliakie, Schilddrüsenerkrankungen und Typ-1-Diabetes. Wichtig zu wissen: Down-Patienten sprechen auf Impfungen schlechter an und bilden weniger Antikörper. Trotzdem ist es wichtig, den Impfschutz in jedem Lebensalter möglichst komplett zu halten, speziell gegen Atemwegserreger inklusive SARS-CoV-2. Es gibt Hinweise, dass Down-Patienten besonders gefährdet sind für eine Infektion mit dem Coronavirus. Denn einige Gene für Proteine, die den Viren den Eintritt in die Zellen ermöglichen, werden auf Chromosom 21 exprimiert, ebenso Gene für Zytokine, die mit der Virusabwehr interferieren. Gegen das Respiratory Syncytial Virus RSV gibt es (noch) keinen Impfschutz, aber die Infektion gefährdet Down-Betroffene wesentlich stärker als andere Kinder. Deshalb ist zumindest bei schwerer Immunschwäche, kongenitalen Herzschäden und chronischer, sauerstoffpflichtiger Lungenerkrankung eine Immunprophylaxe zu erwägen. „Es gibt Stimmen, die eine Immunprophylaxe für alle Kleinkinder mit Down-Syndrom fordern“, so Prof. Moore. So weit sind die Fachgesellschaften aber noch nicht.

Maximaltherapie oft schon in den ersten Lebensmonaten

Auch die Lunge selbst kann im Rahmen der Trisomie 21 betroffen sein. Pulmonale Hypoplasie und Lymphangiektasien kommen ebenso vor wie interstitielle Lungenerkrankungen. Subpleurale Zysten, oft nur als Zufallsbefund in der CT entdeckt, finden sich praktisch ausschließlich beim Down-Syndrom, berichtete Prof. Moore. Möglicherweise entstehen sie bei der fehllaufenden Alveolarisation, die übergroße Alveolen in reduzierter Zahl entstehen lässt.   Kinder mit Down-Syndrom brauchen oft schon in den ersten Lebensmonaten eine pneumologische Maximaltherapie, wie Professor Dr. Eric D. Austin, Vanderbilt Pediatric Pulmonary Hypertension Program, Vanderbilt University, Nashville, am Beispiel des sechs Monate alten Nathaniel verdeutlichte. Der Junge, von einer drogenabhängigen Mutter in der 32. Woche zur Welt gebracht, litt an einer schweren pulmonalarteriellen Hypertonie und einer trotz Substitution ausgeprägten Hypothyreose. Als er die Klinik sieben Monate später verlassen konnte, war er tracheostomiert, beatmet und stand u. a. unter einer Tripletherapie mit Sildenafil, Bosentan und Treprostinil. Alles off-label natürlich, denn keiner der Wirkstoffe ist für Kinder zugelassen.   Der bei Down-Syndrom häufig zu findende Vorhof- und/oder Ventrikelseptumdefekt ist zwar beteiligt, aber nicht der Hauptgrund dafür, dass jedes dritte Kind einen Lungenhochdruck entwickelt. Vielmehr spielen strukturelle Schäden im pulmonalen Gefäßbett, Rarefizierung der Kapillaren, Hypoxie und Atemwegsobstruktion wohl die größere Rolle.  Auf Chromosom 21 liegen Gene, die für antiangiogenetische Faktoren kodieren, was die reduzierte Gefäßentwicklung beim Down-Syndrom erklärt. Insgesamt handelt es sich um eine multifaktorielle Interaktion pulmonaler, vaskulärer und kardialer Störungen, erklärte Prof. Austin. Die Behandlungsoptionen umfassen neben der spezifischen medikamentösen Therapie Supportivmaßnahmen mit Sauerstoff und Diuretika, eine Herzkatheterintervention, um die Shunts zu schließen, sowie natürlich das Management respiratorischer Komplikationen, was häufig die Tracheostomie einschließt. Dann können gute Verläufe erreicht werden. Nathaniel ist heute fast sechs Jahre alt und auf einem gutem Weg, berichtete Prof. Austin. Er braucht immer noch die Trachealkanüle, aber keine Beatmung mehr. Unter der Tripletherapie haben sich Herz- und Lungenbefunde nahezu normalisiert, auch wenn der Blutdruck in den Pulmonalgefäßen immer noch leicht erhöht ist.

Kongressbericht: ATS 2021 International Conference (Online-Veranstaltung)

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Viele Kinder mit Down-Syndrom brauchen schon in den ersten Lebensmonaten eine pneumologische Maximaltherapie: Tracheostomie, Beatmung und Medikamente. Viele Kinder mit Down-Syndrom brauchen schon in den ersten Lebensmonaten eine pneumologische Maximaltherapie: Tracheostomie, Beatmung und Medikamente. © iStock/FroggyFrogg