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Ein Jahr nach CANTOS: Inflammation bremsen, kardiovaskuläres Restrisiko senken?
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Für CANTOS-Studienleiter Professor Dr. Paul Ridker von der Harvard Medical School, quasi der Vater der Inflammationshypothese, ist die Sache völlig klar: Für ihn gibt es auch unter Hochdosistherapie mit potenten Statinen ein inflammatorisches Restrisiko, das komplett unabhängig von den Blutfetten existiert. Gegen das cholesterinbedingte Restrisiko, das sich in einem LDL über dem Zielwert manifestiert, hilft die weitere LDL-Senkung, etwa mit einem PCSK9-Inhibitor.
Um das entzündungsbedingte Risiko, erkennbar an einem erhöhten hochsensitiv gemessenen CRP (hsCRP), zu reduzieren, braucht es einen Wirkstoff wie Canakinumab. Der Antikörper blockiert Interleukin-1β und setzt damit relativ weit oben in der inflammatorischen Kaskade an. In CANTOS reduzierte Canakinumab, zusätzlich zur Standardtherapie gegeben, das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Herztod signifikant um 15 % (p = 0,007) – Inflammationshypothese bewiesen. Der Schutzeffekt fiel umso stärker aus, je höher das hsCRP war.
Mortalität sinkt um 30 % bei Patienten mit hohem hsCRP
Neue Analysen, die Prof. Ridker vorstellte, zeigen zudem einen Rückgang der kardiovaskulären und der Gesamtmortalität um rund 30 % bei Patienten, bei denen das hsCRP dauerhaft unter 2 mg/l lag. Diejenigen mit höheren Spiegeln profitierten dagegen praktisch nicht von Canakinumab. „Mit hsCRP haben wir einen Biomarker, der uns sagt, ob ein Patient auf die Therapie anspricht und davon profitieren wird“, meinte der Bostoner Kardiologe.
Eine interessante Zielgruppe für die Behandlung dürften seiner Ansicht nach Patienten mit fortgeschrittener Nierenerkrankung werden, die auf Statine erfahrungsgemäß oft schlecht ansprechen. In CANTOS fielen die Ereignisraten in dieser Hochrisikogruppe zwar höher aus als bei nierengesunden Teilnehmern. Unter dem Antikörper waren sie aber immer noch signifikant niedriger als unter Placebo. Insgesamt fand sich keine Subgruppe, die nicht von Canakinumab profitiert hatte.
Für die Patienten hätte diese Therapie den Charme, dass sie nur einmal im Vierteljahr zum Arzt gehen müssten, um sich ihre Subkutanspritze abzuholen. Für die Allgemeinheit würde sie dagegen sehr teuer werden: Canakinumab ist derzeit nur als Orphan Drug für einige seltene IL-1β-getriebene Erkrankungen zugelassen und entsprechend kostspielig. Eine Injektion, die bei den „Waisenerkrankungen“ einmal pro Monat fällig ist, schlägt mit 15 000 € zu Buche.
Erste Dosis umsonst, die weiteren zahlen?
Die Kosten sind ein wichtiges Argument, wie Professor Dr. Milton Packer von der Universität Dallas mit einer simplen Abstimmung bewies: „Stellen Sie sich vor, Sie hätten ein erhöhtes hsCRP – wer von Ihnen würde Canakinumab nehmen?“ Etwa jeder zehnte Kollege hob die Hand. Fast alle waren jedoch dabei, als Prof. Packer anfügte: „Und was, wenn es kostenlos wäre?“
Er hatte einen Vorschlag parat, wie das Kostenproblem zumindest ein bisschen entschärft werden könnte: allen Patienten, die für Canakinumab infrage kommen, die erste Dosis umsonst geben und nach drei Monaten diejenigen weiterbehandeln, die gemessen am hsCRP angesprochen haben.
Abspecken reduziert auch das inflammatorische Risiko
Eine andere Option wäre, den Preis für den Wirkstoff um 90 % zu senken, aber daran glaubt Prof. Packer nicht: Der Hersteller rechne wohl nicht damit, dass die medizinische Community es schnell und breit einsetzen würde, und werde sich das Geschäft mit den Orphan-Indikationen nicht verderben wollen.
Es gibt übrigens andere, kostengünstige Möglichkeiten, das inflammatorische Restrisiko zu senken: Gewichtsabnahme reduziert alle Risikofaktoren und hsCRP sogar stärker als andere. „Das ist vor allem für die Primärprävention wichtig“, meinte Prof. Ridker. Also künftig bei allen kardiovaskulären Risikopatienten hsCRP messen? Unbedingt, meinte Prof. Ridker: „Sie wissen ja sonst gar nicht, was Sie therapieren.“
Quelle: ESC* Congress 2018
* European Society of Cardiology
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