Neue und bekannte antiinflammatorische Wirkstoffe sollen kardiovaskuläres Risiko senken

Manuela Arand

Salzarme Ernährung und Bewegung reduzieren die Inflammation. Salzarme Ernährung und Bewegung reduzieren die Inflammation. © iStock/bluebay2014

Was machen wir jetzt damit, mag sich mancher Kollege vor zwei Jahren gefragt haben. 2017 hatte die CANTOS-Studie das Konzept vom inflammatorisch bedingten Restrisiko für kardiovaskuläre Komplikationen untermauert. Nach wie vor ringen Experten um Antworten.

Zur Erinnerung: CANTOS, rund 10 000 Teilnehmer stark und vier Jahre Laufzeit, hatte gezeigt, dass Postinfarktpatienten mit hohem hsCRP von einer Therapie mit Canakinumab profitieren. Das Risiko schwerwiegender kardiovaskulärer Komplikationen sank um rund 15 % im Vergleich zu Placebo. Der Effekt war ausschließlich auf die antiinflammatorische Wirkung zurückzuführen, denn der Anti-Interleukin-1beta-Antikörper drehte am LDL gar nichts, betonte Studienleiter Professor Dr. Paul M. Ridker, Harvard Medical School Boston.

Dafür ließ sich nachweisen, dass das Ausmaß der Risikoreduktion direkt mit der Senkung proinflam­matorischer Mediatoren (CRP und IL-6) korrelierte. Bei Patienten mit deutlicher CRP-Senkung reduzierte Canakinumab zudem kardiovaskuläre und Gesamtmortalität.

Kardiovaskuläre Risikopatienten werden von diesen Erkenntnissen allerdings auf absehbare Zeit nicht viel haben, denn der Hersteller entwickelt den Antikörper zunächst für onkologische Indikationen weiter. Quasi nebenbei hatte CANTOS auch eine deutliche Senkung des Lungenkrebsrisikos gezeigt. Für das inflammatorische Restrisiko müssen also andere Strategien her. Und da befindet sich einiges in der Pipeline, wie Prof. Ridker berichtete.

Studie mit Colchicin läuft noch bis Ende 2019

  • Colchicin, alter Bekannter aus der Gichttherapie, konnte bereits punkten. In der kleinen Sekundärpräventionsstudie LoDoCo (532 Patienten mit stabiler KHK, Laufzeit drei Jahre) reduzierten 0,5 mg/Tag das Risiko für akutes Koronarsyndrom, Herzstillstand und Schlaganfall um zwei Drittel. LoDoCo2 läuft und soll im Dezember 2019 abgeschlossen sein, drei weitere Studien sind unterwegs. Als Hindernis dürfte sich die gastrointestinale Verträglichkeit erweisen: Selbst bei dieser niedrigen Dosis brachen 2,5 % der Teilnehmer die Therapie ab.
  • Gegen Interleukin 6, das wie IL-1 in der Inflammationskaskade vor CRP sitzt, richtet sich der Antikörper Tocilizumab. Einmal verabreicht, senkte er bei NSTEMI-Patienten Inflammationsmarker und Troponinausschüttung. Ob sich daraus ein klinischer Benefit ableiten lässt, bleibt zu prüfen. Unter Prof. Ridkers Leitung wird außerdem ein bispezifischer Antikörper erprobt, der IL-6 und das Lipidenzym PCSK9 gleichzeitig ins Visier nimmt.
  • In einem frühen Stadium der Entwicklung befindet sich MCC950, ein Inhibitor des Inflammasoms NLRP3. Immerhin: Im Tierversuch reduzierte er Infarktgröße und bewahrte die Herzfunktion.
  • Sogar an einer „Atherosklerose-Impfung“ arbeiten Forscher, ergänzte Professor Dr. Göran Hansson, Karolinska-Institut Stockholm. Als Antigen dient oxidiertes LDL, besser gesagt Fragmente von ApoB100. Die Therapie soll regulatorische T-Zellen auf den Plan rufen, die durch die Gefäße patrouillieren, sich gezielt auf Antigene in den Plaques stürzen und das Immunsystem dagegen scharf machen.
    Tatsächlich konnten die schwedischen Kollegen an Versuchstieren zeigen, dass die nasale Applikation dieser Antigene IgG-Antikörper gegen LDL provoziert, welche die LDL-Clearance vorantreiben und die Atherosklerose zurückdrängen. Prof. Hansson ist aber skeptisch, ob es gelingen wird, ein Unternehmen dafür zu interessieren: „An einer Pille pro Tag lässt sich mehr verdienen als mit einer Impfung.“
  • Einen ganz neuen Ansatz stellt die Nanoimmuntherapie dar, eine Anleihe aus der Krebsmedizin. Vereinfacht gesagt, soll eine Kombination von Nanopartikeln mit Immuntherapeutika das Immunsystem gegen arteriosklerotische Prozesse in Stellung bringen. Die Forschung dazu steckt zwar noch in den Kinderschuhen, aber der Ansatz scheint vielversprechend.

Auch der Zahnarzt kann seinen Beitrag leisten

Viel Zukunftsmusik also, aber was können Ärzte heute anbieten? Man sollte nicht vergessen, dass auch die „üblichen Verdächtigen“ antiinflammatorisch wirken, erinnerte Professor Dr. Thomasz Guzik, Universität Glasgow. Bewegung und salzarme Ernährung mit reichlich Pflanzenprodukten und Omega-3-Fettsäuren reduzieren die Entzündung, auch bei Adipösen. Einen wichtigen Beitrag kann der Zahnarzt leisten, denn Parodontitis ist eine der wichtigsten Quellen systemischer Inflammation. Eine Studie ergab, dass eine intensive Plaquebeseitigung bis tief in die Zahnfleischtaschen den Blutdruck senkt und die Gefäßfunktion verbessert.

Quelle: ESC* Congress 2019

* European Society of Cardiology

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Salzarme Ernährung und Bewegung reduzieren die Inflammation. Salzarme Ernährung und Bewegung reduzieren die Inflammation. © iStock/bluebay2014