Colchicin vorsichtig dosieren!

Dr. Anna-Lena Krause

Colchicin verhindert wohl die Aufnahme von Harnsäurekristallen durch Immunzellen. Somit bleibt die Entzündungsreaktion aus. Colchicin verhindert wohl die Aufnahme von Harnsäurekristallen durch Immunzellen. Somit bleibt die Entzündungsreaktion aus. © iStock.com/4kodiak

Februar 2017: Ein Patient mit akutem Gichtanfall nimmt 50 ml eines colchicinhaltigen Medikaments ein. Zwei Tage später ist er tot. Dieser und weitere Fälle von versehentlichen letalen Überdosierungen veranlassten das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, an die Gefahren im Umgang mit dem Mitosegift zu erinnern.

Colchicin wirkt über bislang nicht genau bekannte Mechanismen entzündungshemmend. Bisher waren in Deutschland ausschließlich zur Behandlung des akuten Gichtanfalls zwei Pflanzenextrakte mit dem Wirkstoff zugelassen (Colchicum-Dispert® und Colchysat®Bürger). Off label werden sie aber auch zur Anfallsprophylaxe beim Beginn einer harnsäuresenkenden Therapie oder beim familiären Mittelmeerfieber angewendet. Seit November 2017 ist ein neues colchicinhaltiges Pharmakon für alle drei Indikationen zugelassen (Colchicin Tiofarma®), welches zur Anfallsprophylaxe im Rahmen einer harnsäuresenkenden Therapie nur zum Einsatz kommen darf, wenn NSAR kontraindiziert sind oder nicht vertragen werden. Es erscheint voraussichtlich im zweiten Quartal dieses Jahres auf dem Markt. Standardmäßig gab man bisher bei einem akuten Gichtanfall 1 mg Colchicin und dann bis zum Abklingen der Symptome alle ein bis zwei Stunden weitere 0,5 mg bis zu einer maximalen Tagesdosis von 8 mg, schreiben Christine­ Diesinger­ und Dr. Janet­ Schriever­ vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Eine Studie hat allerdings ergeben, dass die Einnahme von 3 x 0,6 mg ausreicht und seltener zu Nebenwirkungen führt. Daher passten die EULAR­* (1 mg + 0,5 mg) und die DGRh** (1–3 x 0,5 mg) ihre Leitlinien im Jahr 2016 entsprechend an.

Kombi mit Statinen erhöht Myolyserisiko

Bei familiärem Mittelmeerfieber, einem genetisch bedingten periodischen Fiebersyndrom mit Autoinflammation, kann sich eine Amyloidose und daraus ein nephrotisches Syndrom bzw. eine Urämie entwickeln. Um dem vorzubeugen und die Fieberschübe zu reduzieren, gibt man auch in dieser Indikation Colchicin. Die Dosis richtet sich nach dem Alter des Patienten und der Krankheitsaktivität. Durch Wechselwirkungen mit bestimmten Arznei- oder Lebensmitteln (s. Kasten) bzw. Leber- oder Nierenfunktionsstörungen kann es bei der Einnahme von colchicinhaltigen Präparaten zu Überdosierungen kommen. Erhält der Betroffene gleichzeitig Statine, Fibrate, Ciclosporin oder Dig­oxin, besteht ein erhöhtes Risiko für Rhabdomyo­lysen.

Was den Colchicinspiegel in die Höhe treibt

  • Kalziumkanalblocker
  • Makrolidantibiotika
  • Antimykotika
  • HIV-Protease-Inhibitoren
  • Ciclosporin
  • Cimetidin
  • Tolbutamid
  • Grapefruitsaft

Chronische Vergiftungen bei Gichtpatienten sind nach einer wiederholten Gabe von insgesamt 10 mg innerhalb weniger Tage zu erwarten. Todesfälle kamen bereits nach der Ingestion von 7–26 mg vor. Zwischen 1994 und 2015 wurden 71 Fälle von Vergiftungen mit colchicinhaltigen Arzneimitteln gemeldet. Je nach Dosis äußern sich diese mit Erbrechen, Durchfall, Koliken oder Störungen des Blutbildes bis hin zum Multiorganversagen. Ein Antidot gibt es nicht.
Gift und Heilmittel zugleich
Therapeutische Dosen bei Erwachsenenakuter Gichtanfall

≤ 2,5 mg/Tag*, insgesamt

≤ 6 mg* ≤ 8 mg/Tag**, insgesamt ≤ 12 mg**

Anfallsprophylaxe0,5–1 mg/Tag*
familiäres Mittelmeerfieber0,5–3 mg/Tag*
Toxische Dosengastrointestinale Nebenwirkungen < 0,5 mg/kgKG
Knochenmarksdepression> 0,5 mg/kgKG
letal bei akuter Aufnahme ≥ 0,8 mg/kgKG

*Angaben für Colchicin Tiofarma®

**Angaben für Colchicum dispert® und Colchysat®Bürger

Entgiftung ist nur innerhalb einer Stunde möglich Wenn möglich, sollten innerhalb einer Stunde nach Intoxikation eine Magenspülung und die Gabe von Aktivkohle erfolgen. Danach bleibt nur noch die Möglichkeit, den Blutdruck aufrechtzuerhalten sowie Flüssigkeit und Elektrolyte zu geben. Bei letalen Dosen tritt der Tod innerhalb von 24–72 Stunden ein. Vorbeugend mahnen die Autorinnen, die aktuellen Leitlinien sowie Begleitmedikationen und Komorbiditäten der Patienten zu beachten und Betroffene über die Gefahren einer Überdosierung sowie mögliche Wechselwirkungen aufzuklären. Bei Durchfall oder Erbrechen gilt es, das Medikament abzusetzen.

* European League Against Rheumatism
** Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie

Quelle: Diesinger C, Schriever J. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit 2017; 4: 15-23

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Colchicin verhindert wohl die Aufnahme von Harnsäurekristallen durch Immunzellen. Somit bleibt die Entzündungsreaktion aus. Colchicin verhindert wohl die Aufnahme von Harnsäurekristallen durch Immunzellen. Somit bleibt die Entzündungsreaktion aus. © iStock.com/4kodiak