Senior pflückt Blumen – und bringt sich damit um: Multiorganversagen trotz chirurgischer Entnahme der Pflanzen aus dem Magen

Ulrike Viegener

Verwechslungsgefahr: Herbstzeitlose (oben) und Bärlauch (unten). Verwechslungsgefahr: Herbstzeitlose (oben) und Bärlauch (unten). © fotolia/emer

In der Notaufnahme des Stadtspitals Triemli in Zürich stellte sich ein 72-jähriger Mann mit profuser Diarrhö und rezidivierendem Erbrechen vor, nachdem er in suizidaler Absicht zwei Schüsseln colchicinhaltiger Blätter der Herbstzeitlosen konsumiert hatte. Ihm war nicht mehr zu helfen.

19,6 µg/l Colchicin hatte der Mann im Blut und damit die als toxisch geltende Schwelle von 5 µg/l weit überschritten. Er befand sich in deutlich reduziertem Allgemeinzustand, war aber allseits orientiert. Der Blutdruck war auf 150/75 mmHg erhöht und mit 50 Schlägen/Minute bestand eine Sinusbradykardie. Außerdem war eine metabolische Azidose mit einer Hyperlaktatämie von 3,7 mmol/l nachweisbar. Der Suizidversuch war vor dem Hintergrund einer langjährigen Schizophrenie sowie einer – aktuell nicht behandelten – bipolaren Störung zu sehen.

Nachdem sich eine Dekontamination per Gastroskopie als unmöglich erwiesen hatte, wurden die colchicinhaltigen Blätter zehn Stunden nach Ingestion per Laparotomie und Gastrotomie aus dem Magen entfernt. Anschließend wurde unter intensivmedizinischer Überwachung eine Therapie mit Aktivkohle eingeleitet. Die perioperativ begonnene Hämodiafiltration wurde kontinuierlich fortgeführt.

In der Nacht trat dann ein AV-Block dritten Grades auf, woraufhin eine Isoprenalin-Therapie gestartet wurde. Laborchemisch kündigte sich zudem ein Leberversagen an und der Patient entwickelte ausgeprägte Mikrozirkulationsstörungen als Zeichen einer disseminierten intravasalen Koagulopathie. Am nächsten Tag – 32 Stunden nach Einnahme der giftigen Blätter – kam es nach Auftreten eines Kammerersatzrhythmus zum Kreislaufstillstand.

Herbstzeitlose sonst eher versehentlich gegessen

Zum Tode führte letztlich die direkte Kardiotoxizität von Colchicin. Hauptverantwortlich für die Giftigkeit des Alkaloids ist aber die Hemmung der Zellteilung: Colchicin verhindert die Ausbildung des Spindelapparats während der Mitose. Zunächst reagieren deshalb bei einer Colchicin-Vergiftung Zellen mit hoher Teilungsaktivität wie die der Darmmukosa, was die initiale choleraähnliche Symptomatik erklärt. Im weiteren Verlauf führt die ausgeprägte systemische Toxizität zu multiplen Dysfunktionen, die im Multiorganversagen gipfeln können. Infolge der Kardiotoxizität besteht zudem das Risiko gefährlicher Herzrhythmusstörungen.

Der Suizidversuch mit Blättern der Herbstzeitlosen ist sicher ein außergewöhnlicher Fall. Aber auch wenn längst nicht derart hohe Giftmengen ins Blut gelangen, muss bei Colchicin-Intoxikationen mit einer Letalität von rund 10 % gerechnet werden. Wiederholt wurde über versehentliche Vergiftungen berichtet, weil die Blätter der Herbstzeitlosen leicht mit Bärlauch zu verwechseln sind.

Auch eine Überdosierung colchicinhaltiger Medikamente kann aufgrund der engen therapeutischen Breite zu Vergiftungserscheinungen führen. Wegen seiner entzündungshemmenden und schmerzlindernden Wirkung kommt Colchicin vor allem bei Gicht, aber auch bei rezidivierender Perikarditis sowie bei Sklerodermie zum Einsatz.

Im Verdachtsfall sofortige Dekontamination

Bei Verdacht auf eine Colchicinvergiftung ist umgehend – ohne die mehrere Stunden dauernde Analyse der Plasmaspiegel abzuwarten – eine gastrointestinale Dekontamination angezeigt. Anschließend sind supportive Maßnahmen in einem intensivmedizinischen Setting einzuleiten. Dazu gehört unbedingt die Anwendung von Aktivkohle, da sich Colchicin wegen seiner Lipophilie rasch im Gewebe verteilt. Wegen des hohen enterohepatischen Kreislaufs sollte diese wiederholt gegeben werden.

Qulle: Aus der Fachliteratur
Valek R et al. Schweizerisches Medizin-Forum 2017; 17: 143-146

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Verwechslungsgefahr: Herbstzeitlose (oben) und Bärlauch (unten). Verwechslungsgefahr: Herbstzeitlose (oben) und Bärlauch (unten). © fotolia/emer