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Einflussreiche Mikroben

Die metabolische Inflammation sollte man präventiv angehen, um gleich mehrere Erkrankungen auf einmal zu adressieren, sagte Prof. Dr. Matthias Laudes von der Klinik I für Innere Medizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel. Eine solche vorbeugende Therapie muss man aber nicht mit teuren Medikamenten durchführen, meinte der Referent. Eine deutlich mildere und zugleich zielgerichtete Intervention sieht er in der Beeinflussung des Mikrobioms.
Denn einer der Auslöser der niedriggradigen metabolischen Entzündung ist seiner Einschätzung nach nicht etwa die häufig beschuldigte Adipositas, sondern das Darmmikrobiom. Schon vor einiger Zeit sei gezeigt worden, dass auch im Fettgewebe keimfrei aufgezogener Labormäuse Entzündungszellen vorhanden sind. Sie stellen an sich keine Gefahr dar, beschrieb der Experte, ihre Aufgabe ist es vielmehr, alte Adipozyten zu zerstören. Bringt man bei den Mäusen aber auch nur einen einzigen E.-coli-Stamm in den Darm ein, kommt es im entfernt liegenden Fettgewebe zur Entzündung. Die intestinale Flora steuert also nicht nur das Geschehen im Darm, so Prof. Laudes, die Mikroben nehmen Einfluss auf den gesamten Körper.
Gene bestimmen über das Mikrobiom
Durch die Ernährung kann man die Zusammensetzung des Mikrobioms positiv beeinflussen. Nach Ende einer solch speziellen Diät stellen sich jedoch die ursprünglichen Verhältnisse recht schnell wieder ein. Die Ursache dafür scheint in unseren Genen zu liegen. Offensichtlich sind es zwei Spots im menschlichen Genom, die bestimmen, welche Bakterien sich dauerhaft im Darm ansiedeln und welche nicht. Dabei handelt es sich um das Gen für den Vitamin-D-Rezeptor sowie das für Proopiomelanocortin, das unter anderem für die Regulation des Körpergewichts von Bedeutung ist. Dieser Einfluss der Gene auf die Darmbakterien bedeutet, dass wohl jede Intervention am Mikrobiom eine Dauertherapie sein muss.
Anhand der Kieler Kohorten FoCus und KIK wird u.a. untersucht, wie das Mikrobiom den Stoffwechsel beeinflusst, erläuterte Prof. Laudes. Dabei zeigt sich, dass bestimmte Enterobakterien wie Parasutterella im Darm von Menschen mit Adipositas deutlich stärker vertreten sind als bei Normalgewichtigen. Während einer erfolgreichen Adipositastherapie geht die Abundanz dieser Spezies zurück, bei sehr hoher Kohlenhydrataufnahme steigt ihr Anteil an der Darmflora wieder an.
Parasutterella verstoffwechselt Cystein recht intensiv. In der Folge sinkt der Cystein-Serumspiegel bei den betreffenden Personen erheblich. Der Körper benötigt die Aminosäure aber, um über die Glutathionsynthese mit oxidativem Stress klarzukommen. Für oxidativen Stress wiederum sind Betazellen besonders empfänglich. Das Fehlen von Cystein könnte zum Typ-2-Diabetes mit Verlust der Betazellreserve beitragen, erklärte der Referent.
Auch die Fettsäuresynthese ist bei Menschen mit einem hohen Anteil von Parasutterella im Darm deutlich erhöht, was eine Verbindung zur Gewichtszunahme bei Diabetes sein könnte. Einzelne Stoffwechseleffekte lassen sich also ganz bestimmten Bakterienspezies zuordnen. Am Ende sind es aber nicht die Bakterien, die krank machen, sondern der veränderte Metabolismus, so Prof. Laudes.
Dies könnte die Möglichkeit eröffnen, die intestinale Flora mit spezifischen Therapien zu beeinflussen. Bei Typ-2-Diabetes sind die Bakterien beispielsweise nicht in der Lage, Nikotinsäure richtig umzusetzen. Bietet man den Bakterien das Vitamin direkt im Darm an, könnte man sie zu einem metabolisch günstigeren Phänotyp auslenken, was der systemisch entzündlichen Reaktion entgegenwirken dürfte. Ein Präparat mit verkapselter Nikotinsäure, die erst im Darm freigesetzt wird, befindet sich derzeit in einer Phase-2-Studie bei Menschen mit Prädiabetes.
Quelle: Diabetes Kongress 2023
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