Adipositas und Typ-2-Diabetes per Endoskop bekämpfen

Dr. Andrea Wülker

Wenn ein Ballon den Magen blockiert, tritt das Sättigungsgefühl schneller ein. Wenn ein Ballon den Magen blockiert, tritt das Sättigungsgefühl schneller ein. © Science Photo Library/ART4STOCK

Lebensstilmaßnahmen und medikamen­töse Therapien bringen bei starkem Übergewicht oft nicht den gewünschten Langzeiterfolg. Die Adipositaschirurgie ist teuer, mit Kompli­kationen und Langzeitfolgen behaftet und steht nicht allen Patienten zur Verfügung. Daher stoßen endoskopische Verfahren auf zunehmendes Interesse.

Endoskopische Methoden der Adipositasbehandlung haben gegenüber bariatrischen Operationen einige Vorteile zu bieten: Sie sind weniger invasiv und verursachen seltener Komplikationen. Man kann sie wiederholen und sie sind potenziell reversibel. Zudem sind sie kostengünstiger als chirurgische Eingriffe und könnten durchaus eine Therapie für ein breiteres Patientenkollektiv darstellen, erklärte Dr. Katharina Laubner vom Universitätsklinikum Freiburg.

Generell unterscheidet man zwischen restriktiven und malabsorptiven endoskopischen bariatrischen Therapien (EBT). Zu den restriktiven Verfahren zählt der Magenballon, der endoskopisch in den Magen eingebracht, mit Luft, Gas oder Flüssigkeit gefüllt und meist sechs Monate im Magen belassen wird. Der Ballon sorgt beim Essen für ein rascheres Sättigungsgefühl und führt zu einer Abnahme von etwa 25–31 % des überschüssigen Gewichts (Excessive Weight Loss, EWL). Allerdings nehmen viele Patienten nach Entfernung des Ballons einen Teil des Gewichts wieder zu. Es gibt nur wenige Daten zur glykämischen Kontrolle durch den Magenballon; eine Metaanalyse zeigte eine HbA1c-Reduktion um 0,6 Prozentpunkte und eine Abnahme der Nüchternglukose um 12,9 mg/dl.

Welches EBT-Verfahren für wen?

Die endoskopische bariatrische Therapie (EBT) kann die Lücke zwischen konservativer und chirurgischer Therapie füllen, so Dr. Laubner. Im Rahmen einer Adipositas-Stufentherapie kann die EBT als „Bridging“ vor einer bariatrischen Operation eingesetzt werden. Für Patienten, die nicht operabel sind oder Adipöse, die eine Operation ablehnen, ist die EBT ebenfalls eine interessante Option. Für die Behandlung des Typ-2-Diabetes sind vor allem malabsorptive Verfahren vielversprechend.

Eine hierzulande nicht sehr häufig eingesetzte restriktive Methode ist die perkutane endoskopische Gast­rostomie (AspireAssist®), bei der der Patient nach einer Mahlzeit etwa 30 % der ingestierten Nahrung über das Stoma wieder entfernt. Eine Pilotstudie mit 18 Patienten ergab eine EWL um 49 % nach einem Jahr und um knapp 55 % nach zwei Jahren.

Weniger gastroösophageale Nebenwirkungen

Als drittes restriktives Verfahren stellte Dr. Laubner die endoskopische Sleeve-Gastroplastie vor, die die laparoskopische Anlage eines Schlauchmagens imitiert. Hierbei wird ein Mehrkanalendoskop in den Magen eingeführt, mithilfe einer endoskopischen Rundnadel kann eine Vollwandnaht angelegt und damit ein Schlauchmagen gebildet werden. In Studien wiesen Patienten ein Jahr nach Anlage des endoskopischen Schlauchmagens einen EWL von 63 % auf, nach einem laparoskopisch angelegten Schlauchmagen wa­ren es 69 %. Allerdings schnitt das endoskopische Vorgehen in Bezug auf unerwünschte Nebenwirkungen deutlich besser ab als das laparoskopische – insbesondere kam es nach der Sleeve-Gast­roskopie sehr viel seltener zur Entwicklung einer gastroösophagealen Refluxkrankheit. Ein interessantes malabsorptives Verfahren ist der duodenal-jejunale Bypass Liner (EndoBarrier®). Dabei wird via Endoskop ein Teflonschlauch in den Gastrointestinaltrakt eingebracht und mit einem Stent distal des Pylorus am Bulbus duodeni fixiert. Er verhindert, dass der Nahrungsbrei mit der Schleimhaut und den Verdauungsfermenten in Kontakt kommt, wodurch sich vermutlich die gastrointestinale Hormonausschüttung verändert. Indiziert ist das Verfahren bei Typ-2-Diabetes und Adipositas – es ist also nicht für eine reine Adipositastherapie gedacht. Der Schlauch bleibt bis zu zwölf Monate im Dünndarm. Eine Metaanalyse ergab unter dem Endobarrier eine Senkung des HbA1c um 1,3 Prozentpunkte und eine EWL von knapp 37 %. Derzeit ist er in Deutschland allerdings nicht verfügbar, was sich jedoch demnächst ändern könnte. Ein noch experimentelles ablatives Verfahren ist das Duodenal Mucosal Resurfacing, bei dem im Duodenum eine zirkumferente thermische Ablation der Schleimhaut distal der Papilla Vateri durchgeführt wird. Eine Pilotstudie mit 39 Menschen mit Typ-2-Diabetes ergab nach sechs Monaten eine HbA1c-Reduktion um 1,2 Prozentpunkte und eine Gewichtsabnahme von 2,5 kg Körpergewicht.

Welchen Einfluss haben EBT auf Herz und Kreislauf?

Dr. Laubner rechnet mit einer zunehmenden Bedeutung endoskopischer Methoden. Allerdings sind noch mehr Daten notwendig: Ergebnisse aus randomisierten, kontrollierten Studien, Langzeitdaten sowie Daten zum Einfluss der Verfahren auf kardiovaskuläre Endpunkte.

Quelle: Diabetes Herbsttagung 2020

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Wenn ein Ballon den Magen blockiert, tritt das Sättigungsgefühl schneller ein. Wenn ein Ballon den Magen blockiert, tritt das Sättigungsgefühl schneller ein. © Science Photo Library/ART4STOCK