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GLP1-Analoga als leistungsfähige Alternative zu bariatrischen Operationen
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Ziel einer jeden Therapie bei Adipositas muss die dauerhafte Änderung von Ernährung und Lebensstil sein. Unverzichtbarer Bestandteil ist und bleibt dabei die kalorienreduzierte Ernährung, stellt ein Autorenteam um Dr. Roxana Wimmer vom Kantonsspital Aarau klar. Viele verschiedene Kostformen sind in Studien verglichen worden, ohne dass sich wesentliche Unterschiede im langfristigen Gewichtsverlauf hätten erkennen lassen. Aber unter der sogenannten mediterranen Ernährung bzw. Low-Carb-Diät besserte sich das metabolische Profil deutlicher als mit einer Low-Fat-Strategie, so Dr. Wimmer und Kollegen. Die beste Evidenz für die Senkung von kardiovaskulären Ereignissen und Mortalität besteht für die mediterrane Ernährungsweise. Umstritten ist, wie sich das zirkadiane Essverhalten und längere Fastenpausen auf Gewicht und Gesundheit auswirken.
Die alleinige Steigerung der körperlichen Aktivität hat nur moderaten Einfluss auf das Körpergewicht. Die Effekte verstärken sich aber mit zunehmender Intensität. Optimal ist wahrscheinlich die Kombination von reduzierter Kalorienaufnahme und regelmäßiger Bewegung, wobei Ausdauertraining dem Krafttraining überlegen zu sein scheint.
Eine psychologische Mitbetreuung erleichtert die Lebensstilumstellung. Essenziell ist sie bei der Behandlung klassischer Essstörungen wie der Binge-Eating-Störung, des Night-Eating-Syndroms oder bei psychosozialen Traumata mit kompensatorischem Essen. Verhaltenstherapeutische Ansätze bewirken eine kurzfristige Gewichtsreduktion um durchschnittlich 10 %. Ohne multimodales Nachsorgeprogramm sind die Langzeiteffekte aber gering.
Entscheidend ist der appetitzügelnde Effekt des GLP1
Den bariatrischen Operationen, mit denen sich ein Gewichtsverlust von 20 % erreichen lässt, war die Pharmakotherapie lange Zeit klar unterlegen. Das änderte sich mit den GLP1-Analoga. Das körpereigene glucagon-like peptide-1 wird nahrungsabhängig sezerniert und fördert die Synthese und Sekretion von Insulin, während es die Glukagonproduktion hemmt. Für die Adipositastherapie am wichtigsten ist wohl der appetitzügelnde Effekt des GLP1, der durch eine verzögerte Magenentleerung noch verstärkt wird.
Tablette zur Mahlzeit
Der Lipasehemmer Orlistat reduziert die intestinale Fettresorption und erzielt eine moderate Gewichtsreduktion um etwa 2 kg. Allerdings mindern Nebenwirkungen wie imperativer Stuhldrang, Steatorrhö und Meteorismus die Adhärenz. Inzwischen ist der Wirkstoff bis zur Maximaldosis von 60 mg auch ohne Rezept erhältlich.
Der GLP1-Rezeptoragonist Liraglutid wurde ursprünglich für die Diabetestherapie entwickelt. Die SCALE-Studie konnte im Jahr 2005 zeigen, dass die tägliche subkutane Injektion auch bei Patienten ohne die Stoffwechselstörung zum durchschnittlichen Gewichtsverlust von 8 % innerhalb eines Jahres führt. Demzufolge wurde Liraglutid als erstes GLP1-Analogon in einer Maximaldosis von 3 mg/d für die Adipositastherapie zugelassen. Häufigste Nebenwirkungen sind Übelkeit, Erbrechen und Diarrhö, die meist mild ausgeprägt sind. Sie treten zu Beginn der Therapie auf und werden im Allgemeinen recht gut toleriert.
Ein weiteres GLP1-Analogon, Semaglutid, steht inzwischen ebenfalls für die Adipositastherapie zur Verfügung. Es muss im Gegensatz zu Liraglutid nur einmal wöchentlich injiziert werden, die Maximaldosis beträgt 2,4 mg. Es wird ebenfalls schrittweise aufdosiert, beginnend mit 0,25 mg und vierwöchentlicher Steigerung. Belegt ist eine durchschnittliche Gewichtsabnahme von 15 % innerhalb eines Jahres, 30 % der Patienten erreichten sogar eine Reduktion um bis zu 20 %.
Inzwischen steht auch orales Semaglutid zur Verfügung. In der PIONEER-4-Studie hat diese Darreichungsform einen signifikanten Vorteil gegenüber der subkutanen Anwendung gezeigt, ein Direktvergleich steht aus. Die Einnahme morgens nüchtern und 30 Minuten vor dem Essen verbessert die Resorption. Auch für die GLP1-Rezeptoragonisten Dulaglutid, Exenatid und Lixisenatid, die zur Diabetestherapie zugelassen sind, konnte eine Gewichtsreduktion gezeigt werden.
Einen dualen Ansatz bietet Tirzepatid, ein kombinierter Rezeptoragonist für GLP1 und GIP (glukoseabhängiges insulinotropes Polypeptid). Körpereigenes GIP hat eine ähnliche Wirkweise wie das GLP1 und einen synergistischen Effekt auf das Körpergewicht. Die Ergebnisse, die sich mit Tirzepatid erzielen lassen, entsprechen denen der bariatrischen Operationen. In der SURPASS-Studie wurden Typ-2-Diabetiker mit Tirzepatid in unterschiedlichen Dosierungen (max. 15 mg) behandelt. Das führte zu einer dosisabhängigen Gewichtsminderung von 15 % bei bis zu 27 % der Patienten. Dieser Effekt fand sich auch für Personen ohne Diabetes. Die mittlere Gewichtssenkung über 72 Wochen lag unter 15 mg Tirzepatid bei etwa 20 %. Mittlerweile wurde die Substanz in der EU zugelassen, ist aber noch nicht erhältlich.
Kombination effektiver als Monotherapie
Derzeit erforscht wird das lang wirksame Amylin-Analogon Cagrilintid. Neben dem zentralen sättigenden Effekt hemmt es die postprandiale Glukagonsekretion. Die in der Monotherapie ermittelte Gewichtsminderung ließ sich auch in Kombination mit Semaglutid zeigen. In einer Studie mit 25 Wochen Follow-up bei präadipösen Patienten wurde die Wirkung von Cagrilintid/Semaglutid mit der des alleinigen GLP1-Agonisten verglichen. Die Kombination erzielte eine Gewichtsreduktion um gut 15 % des Ausgangsgewichts, Semaglutid erreichte 8 %.
Quelle: Wimmer R et al. Swiss Med Forum 2023; 23: 1162-1167; DOI: 10.4414/smf.2023.09438
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