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Adipositas rückt als behandelbarer Risikofaktor in den Fokus

Das Anwendungsgebiet der GLP1-Analoga öffnet sich immer weiter über die ursprüngliche Indikation Diabetes hinaus. Prof. Dr. Michael Böhm vom Universitätsklinikum des Saarlandes stellte die randomisierte STEP-HFpEF-Studie vor. In ihr wurde der Effekt des GLP1-Agonisten Semaglutid bei Patienten mit Adipositas und Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF) untersucht. Das Patientenkollektiv umfasste herzinsuffiziente Erwachsene mit einer EF ≥ 45 %, eingeschränkter Lebensqualität und einem Body Mass Index ≥ 30 kg/m2. Die Teilnehmer erhielten nach initialer Aufdosierung einmal wöchentlich 2,4 mg Semaglutid oder Placebo.
Das durchschnittliche Körpergewicht von 108,4 kg reduzierte sich unter Semaglutid nach 52 Wochen um 13,3 %, unter Placebo um 2,6 %. „Das war eine Menge und deckt sich mit den Diabetes- und Adipositasstudien“, ordnete der Referent ein. Unter dem Wirkstoff verbesserte sich die Lebensqualität – gemessen am KCCQ-CSS*-Score – signifikant. Das Ausmaß war umso deutlicher, je mehr Gewicht reduziert wurde. Als sekundärer Endpunkt verlängerte sich die 6-Minuten-Gehstrecke mit dem GLP1-Agonisten signifikant um 21,5 m (Placebo: 1,2 m).
Spielen auch direkte kardiale Effekte eine Rolle?
Da die Studie nur 529 Teilnehmer umfasste und über ein Jahr lief, war die statistische Power einzelner Endpunkte allerdings begrenzt. Bei der Auswertung zog man deshalb die sogenannte Win Ratio heran. Heraus kam: „Patienten, die mit Semaglutid behandelt werden, haben eine um 72 % größere Chance, nicht ins Krankenhaus zu kommen, nicht zu sterben oder eine stufenweise Verbesserung der Lebensqualität zu erfahren“, schilderte Prof. Böhm.
Es stellt sich die Frage, ob diese positiven Effekte allein durch die Gewichtsabnahme vermittelt werden oder ob GLP1-Agonisten eine direkte Wirkung auf das Herz haben? STEP-HFpEF liefert Hinweise für Letzteres. Zum einen verringerte Semaglutid die Inflammation, erkennbar an einer signifikanten Reduktion des CRP-Werts um 43,5 % vs. 7,3 % unter Placebo. Zum anderen reduzierte es den NT-proBNP-Spiegel um 20,9 % (vs. 5,3 %). Diese Differenz ist laut Prof. Böhm interessant, weil sich die NT-proBNP-Werte bei einer Gewichtsabnahme normalerweise erhöhen. „An dieser Tatsache hängt die Vermutung, dass GLP1-Agonisten unabhängig von der Gewichtsabnahme etwas an der Funktion oder Morphologie des Herzens ändern.“
Auch die SELECT-Studie beantwortet die Frage nach dem genauen Mechanismus nicht. Trotzdem bezeichnete Prof. Dr. Ulrich Laufs vom Universitätsklinikum Leipzig sie als „Meilensteinstudie“. Bei der Ergebnispräsentation auf dem AHA**-Kongress 2023 habe es sogar Szenenapplaus gegeben. In der Studie erhielten etwa 17.600 Patienten ohne Diabetes mit einem BMI ≥ 27 kg/m2 wöchtlich 2,4 mg Semaglutid oder Placebo zur kardiovaskulären Sekundärprävention. Dem Studieneinschluss waren Myokardinfarkt oder Schlaganfall vorausgegangen oder es bestand eine symptomatische PAVK. „Das sind also unsere Patienten“, betonte der Kollege. Das durchschnittliche Follow-up betrug ca. 40 Monate.
Der kombinierte primäre Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt und Schlaganfall reduzierte sich unter Semaglutid um relativ 20 %, die Gesamtsterblichkeit gegenüber Placebo um 19 %. „Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen“, kommentierte Prof. Laufs die erhöhte Chance auf längeres Leben. Die SELECT-Studie identifiziert ihm zufolge Adipositas als einen behandelbaren kardiovaskulären Risikofaktor. „Ich glaube, die Behandlung mit GLP1-Agonisten ist etwas, das als eine neue Domäne in der kardiovaskulären Prävention auf uns zukommt“, sagte er.
* Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire clinical summary score
** American Heart Association
Quelle: 19. DGK-Kardiologie-Update-Seminar
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