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Unterschätzt und missverstanden

Fettgewebe ist eine unterschätztes und missverstandenes Organ, denn Fett ist nicht gleich Fett. Es müssen zwei Formen unterschieden werden. Weißes Fett trifft man vor allem in subkutanen und viszeralen Depots an. Bei schlanken Frauen macht es etwa 30–40 % der Gesamtkörpermasse aus, bei schlanken Männern ca. 15–25 %. Braunes Fett liegt nur in geringen Mengen vor. Erwachsene zwischen 20 und 50 Jahren haben etwa 50–500 g braunes Fett, lokalisiert im Bereich von Hals, Schultern, hinterem Thorax und Abdomen.
Fettgewebe erfüllt verschiedene wichtige Funktionen. Das Weiße dient vor allem als Energiespeicher und spielt deshalb eine zentrale Rolle bei der Adipositas-Pandemie. Seine Reaktion auf eine zu hohe Kalorienzufuhr wirkt sich auf jedes Organsystem aus und hat enorme Effekte auf Morbidität und Mortalität,, schreiben Dr. Aaron Cypess von der Abteilung Diabetes, Endokrinologie und Adipositas der National Institutes of Health, Bethesda, und Kollegen.
Aktives braunes Fett mindert die Atherosklerosegefahr
Braunes Fett ist dagegen kein Energiespeicher, sondern ein Energieverbraucher. Es verbrennt Glukose und Triglyzeride und erzeugt auf diese Weise Wärme. Beim Neugeborenen ermöglicht es die lebenswichtige zitterfreie Thermogenese. Im Erwachsenenalter senkt die Aktivierung von braunem Fett wahrscheinlich das Atheroskleroserisiko und beeinflusst das Mikrobiom.
Derzeitige Strategien zur Therapie von Übergewicht und Adipositas sind alle auf das weiße Fett ausgerichtet. Mithilfe einer negativen Energiebilanz soll der Triglyzeridgehalt in dem Gewebe gesenkt werden. Dies erreicht man, indem man die Nahrungszufuhr drosselt, die Absorption von Nährstoffen reduziert oder den Energieverbrauch erhöht. Einige von der FDA zugelassene Substanzen zur Therapie der Adipositas setzen direkt am Fettgewebe an: GLP1-Rezeptoragonisten wie Liraglutid hemmen den Appetit und dadurch die Kalorienzufuhr. Ihre günstige Wirkung könnte aber auch durch eine Stimulation der Lipolyse im weißen und der Thermogenese im braunen Fettgewebe vermittelt sein.
Zusammenspiel mit dem Immunsystem
Liposuktion kann nach hinten losgehen
Die effektivste Gewichtsreduktion sowie metabolische Verbesserungen lassen sich durch die bariatrische Chirurgie erzielen. Bariatrische Operationen reduzieren Adipositaskomplikationen über verschiedene Wege, wobei ein Großteil ihrer Wirkung auf die verringerte Kalorienzufuhr und die dadurch bedingte Reduktion des weißen Fettgewebes zurückzuführen ist. Es gibt allerdings auch den Ansatz, Fettgewebe direkt zu entfernen. Entnimmt man jedoch die falschen Fettdepots, verschlechtert sich potenziell die metabolische Situation. Interessanterweise führt die nicht-kosmetische Liposuktion subkutanen Fettgewebes weder zu einem langfristigen Gewichtsverlust noch zu einer Verbesserung des Gesundheitszustands. Es stellt sich daher die spannende Frage, ob man die Adipositas und ihre begleitenden metabolischen Erkrankungen auch über Ansätze am braunem Fettgewebe beeinflussen kann. In Tiermodellen wurden entsprechende Effekte schon nachgewiesen, beim Menschen steht die Antwort noch aus. Immerhin zeigen Studien mit Erwachsenen eine umgekehrte Assoziation zwischen der Aktivität des braunen Fettgewebes und dem BMI. Eine aktuelle Studie ergab zudem, dass Personen mit braunem Fettgewebe bessere Werte für Blutzucker, Triglyzeride und HDL aufwiesen als Probanden ohne braunes Fettgewebe. Darüber hinaus litten diejenigen mit braunem Fettgewebe seltener an Typ-2-Diabetes, Dyslipidämie, Hypertonie und KHK. Der Autor fordert klinische Studien, in denen die Effekte einer langfristigen Aktivierung von braunem Fettgewebe untersucht werden.Unterschiedliche Funktionen des Fettgewebes | |
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Weiße Adipozyten | Braune Adipozyten |
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Kälte und adrenerge Stimulation führen zu einem Übergang von „weißen Funktionen“ in „braune Funktionen“. |
Von Weiß zu Braun mit Beta-3-Rezeptoragonisten
Experimente mit Nagetieren weisen darauf hin, dass eine Aktivierung von braunem Fettgewebe zu einer kompensatorischen Nahrungsaufnahme oder aber im Gegenteil zu einem verminderten Appetit führen kann. Erste prospektive klinische Studien ergaben, dass die langfristige Behandlung mit Beta-3-adrenergen Rezeptoragonisten braunes Fettgewebe vermehrt bzw. die Umwandlung von weißem in braunes Fettgewebe fördert und damit zu einer Besserung von Insulinsensitivität und kardiometabolischen Risikofaktoren führt.Quelle: Cypess AM et al. N Engl J Med 2022; 386: 768-779; DOI: 10.1056/NEJMra2032804
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