
Starke Gewichtsreduktion und HbA1c-Senkung unter GIP/GLP1-Analogon

Die beiden Inkretine GLP1 und GIP, die im Intestinaltrakt nach Nahrungsmittelzufuhr ausgeschüttet werden, ergänzen sich in ihren Effekten auf das zentrale Nervensystem, das Fettgewebe, den Magendarmtrakt und das Pankreas, erklärte Professor Dr. Daniel Drucker von der Universität Toronto. Beide stimulieren die Insulinfreisetzung aus der Bauchspeicheldrüse in Abhängigkeit vom Glukosespiegel, was das substanzeigene Hypoglykämierisiko minimiert. Insofern erscheint es logisch, sie zu kombinieren. Der duale Agonist Tirzepatid wurde so gestaltet, dass er außer an den GLP1- auch an den GIP-Rezeptor andockt, ohne dass es dafür zwei Moleküle braucht. Mit einer Halbwertszeit von knapp fünf Tagen eignet er sich für die wöchentliche Applikation.
Tirzepatid wurde in drei Dosierungen getestet
Mittlerweile liegen die Ergebnisse von vier randomisierten Phase-3-Studien aus dem SURPASS-Programm mit dem GIP/GLP1-Rezeptoragonisten (GIP/GLP1-RA) vor. Allen gemeinsam ist, dass Tirzepatid den teilnehmenden Personen mit Typ-2-Diabetes in drei Dosierungen verabreicht wurde (5 mg, 10 mg und 15 mg pro Woche), wobei man die Dosierung im Vierwochenrhythmus langsam erhöht hatte, um die von reinen GLP1-RA bekannten gastrointestinalen Unverträglichkeiten zu mildern. Die Studien liefen über 40–52 Wochen. Primärer Endpunkt war der HbA1c-Effekt, wichtigster sekundärer Endpunkt der Einfluss aufs Körpergewicht. Dabei galt das Augenmerk nicht nur den Messwerten, sondern auch dem Anteil der Teilnehmer, die bestimmte Zielkorridore erreichten. Wie üblich wurde in den aktiv kontrollierten Studien zunächst die Nicht-Unterlegenheit von Tirzepatid und anschließend die Überlegenheit geprüft.
SURPASS-1 war eine placebokontrollierte Studie, an der 478 Menschen mit Typ-2-Diabetes mit kurzer Krankheitsdauer teilnahmen, die keine oralen Antidiabetika als Background-Medikation nahmen. Das HbA1c sank von knapp 8 % auf etwa 6 % (Placebo: nahezu kein Effekt), wobei die Unterschiede zwischen den verschiedenen Dosierungen gering blieben (maximal 0,2 Prozentpunkte). 87 % bis 92 % der Teilnehmer erreichten ein HbA1c unter 7 %.
Die Höchstdosis von 14 mg pro Woche Tirzepatid brachte das HbA1c bei mehr als der Hälfte der Patienten unter 5,7 %, also unter die Obergrenze für Normoglykämie. Das Körpergewicht nahm von 85,8 kg auf 76,7 kg bis 79,2 kg ab, wobei sich ein klarer Dosiseffekt abzeichnete. Das Ziel von mindestens 5 % Gewichtsverlust erreichten 67 % bis 78 % der Teilnehmer, wobei jeder vierte unter 15 mg pro Woche Tirzepatid sogar mehr als 15 % Körpergewicht verlor. Das Nebenwirkungsprofil war wie bei Inkretinmimetika üblich von gastrointestinalen Symptomen gekennzeichnet, die meist mild bis moderat und transient blieben und bis auf Übelkeit und Erbrechen keinen Dosiseffekt erkennen ließen. Hypoglykämien kamen vor, jedoch keine schweren mit Blutzuckerwerten unter 54 mg/dl.
In SURPASS-2, an der 1879 Menschen mit Typ-2-Diabetes teilnahmen, trat Tirzepatid gegen den GLP1-RA Semaglutid an (in der damals zugelassenen Höchstdosis von 1 mg/w – inzwischen wurde die 2,4 mg/w-Dosierung für die Adipositastherapie von der amerikanischen FDA zugelassen). In beiden Studienarmen erhielten die Teilnehmer mindestens 1500 mg Metformin pro Tag als Basistherapie.
Beim HbA1c erwies sich der GIP/GLP1-RA als signifikant überlegen (-2,09 bis -2,46 Prozentpunkte versus -1,86 Prozentpunkte). Einen HbA1c-Wert von weniger als 5,7 % erreichten in dieser Studie bis zu 51 % unter Tirzepatid, 20 % unter Semaglutid. Auch beim antiadipösen Effekt schnitt Tirzepatid signifikant besser ab, mit Gewichtsverlusten bis zu 12,4 kg im 15 mg/w-Arm (-6,2 kg unter Semaglutid). Dabei schien bei Studienende noch kein Plateau erreicht zu sein. Auch hier zeigte sich das bekannte Nebenwirkungsprofil. In beiden Studienarmen mit höherer Tirzepatiddosis brachen mehr Patienten die Studie ab als unter Semaglutid (12 % bzw. 13,2 % versus 8,7 %), primär wegen unerwünschter Wirkungen.
SURPASS-3 verglich Tirzepatid mit Insulin degludec bei 1444 insulinnaiven Patienten, bei denen orale Antidiabetika die Therapieziele verfehlt hatten. Metformin mit oder ohne SGLT-2-Inhibitor diente als Basistherapie. Vom Ausgangswert 8,18 % fiel das HbA1c unter Tirzepatid um 1,93 bis 2,37 Prozentpunkte und damit signifikant stärker als unter dem Insulinanalogon (-1,34 Prozentpunkte). Knapp die Hälfte der Patienten erreichte unter 15 mg pro Woche Tirzepatid einen Wert unter 5,7 %. Wie zu erwarten, nahmen Patienten im Insulinarm zu (+ 2,3 kg), unter Tirzepatid dagegen kam es zur deutlichen Gewichtsabnahme um 7,5 kg bis 12,9 kg.
In der Tirzepatidgruppe brachen mehr Patienten die Studie aufgrund von Nebenwirkungen ab als unter dem Insulinanalogon (7,2 bis 10,9 % versus 1,4 %). Unerwünschte Nebenwirkungen erwiesen sich jedoch zumeist als mild bis moderat und schwächten sich im Verlauf ab. Wenig überraschend: Unter Insulin degludec kamen klinisch relevante Hypoglykämien wesentlich häufiger vor (8,4 bis 14,5 % versus 47,5 %).
In SURPASS-4 stand der Vergleich zwischen Tirzepatid und Insulin glargin an. Die 2002 Teilnehmer erhielten als Basismedikation Metformin und SGLT2-Hemmer sowie Sulfonylharnstoff. Es zeigten sich ähnliche Ergebnisse wie in SURPASS-3 in Bezug auf Gewichtszunahme in der Insulingruppe (+1,9 kg) und Gewichtsabnahme in der Tirzepatidgruppe (-7,1 bis -13,0 kg) sowie die HbA1c-Reduktion (-2,24 bis -2,58 Prozentpunkte).
In SURPASS-5 wurde Tirzepatid gegen Placebo verglichen, Insulin glargin mit oder ohne Metformin diente als Basistherapie. Teilnehmer waren Menschen mit Typ-2-Diabetes, die bereits Insulin glargin erhielten, aber bei Studieneinschluss eine Dosissteigerung benötigten. Die Insulintitration brachte zwar einen gewissen HbA1c-Abfall, der aber unter Tirzepatid signifikant stärker ausfiel (-0,93 Prozentpunkte versus -2,23 bis -2,59 Prozentpunkte). Ein HbA1c unter 5,7 % erreichten bis zu 62 % der tirzepatidbehandelten Teilnehmer, aber nur 3 % der Placebogruppe. Die Gewichtszunahme unter Placebo betrug 1,7 kg, während Patienten unter Tirzepatid 6,2 kg bis 10,9 kg abnahmen. Auch in dieser Studiengruppe gab es mehr gastrointestinale Nebenwirkungen unter dem GIP/GLP1-RA.
Effekte von Tirzepatid in den SURPASS-Studien | |||
---|---|---|---|
Studie | HbA1c-Reduktion (Prozentpunkte) | Abnahme Körpergewicht (kg) | Vergleichssubstanz |
SURPASS-1 | 1,87–2,07 | 7,0–9,5 | Placebo |
SURPASS-2 | 2,09–2,46 | 7,8–12,4 | Semaglutid 1 mg/w |
SURPASS-3 | 1,93–2,37 | 7,8–12,4 | Insulin degludec |
SURPASS-4 | 2,24–2,58 | 7,1–13,0 | Insulin glargin |
SURPASS-5 | 2,23–2,59 | 6,2–10,9 | Placebo (on top Insulin glargin) |
„Das nächste Kapitel der inkretinbasierten Therapien“
„Das sind extrem eindrucksvolle Daten, die alles toppen, was wir mit GLP1-RA bisher gesehen haben“, kommentierte Prof. Drucker. Natürlich fehlten direkte Vergleichsstudien, außer der jetzt vorgelegten gegen Semaglutid 1 mg/w, welche die Überlegenheit von Tirzepatid untermauert habe. Der kanadische Experte zeigte sich aber überzeugt, dass „dies das nächste Kapitel der inkretinbasierten Therapien aufschlägt, das bedeutsame Verbesserungen für Gesundheit und Lebensqualität von Menschen mit Diabetes bringen wird“. Die Verträglichkeit dürfte im klinischen Alltag noch steigen, wo man sich nicht an ein starres Titrationsschema klammert, sondern die Dosis flexibel steigern oder zwischenzeitlich reduzieren wird.
Das SURPASS-Programm umfasst weitere Studien, darunter auch die kardiovaskuläre Endpunktstudie SURPASS-CVOT, deren Resultate voraussichtlich 2025 vorliegen werden. Zwei weitere Studienprogramme mit Tirzepatid sind 2019 gestartet: SURMOUNT (Adipositas) und SYNERGY-NASH (nicht-alkoholische Fettleber).
Quelle: 81st Scientific Sessions der American Diabetes Association (ADA)
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