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Einladungskarte zum Darmkrebs-Screening?
Von 2003 bis 2012 nahmen bundesweit knapp 20 % der berechtigten über 55-Jährigen das Angebot der Vorsorge-Koloskopie wahr, Frauen geringfügig häufiger als Männer, wie Professor Dr. Hermann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg berichtete. Es gab jedoch erhebliche regionale Unterschiede. Am fleißigsten gingen die Versicherten im Bereich der KVen Hamburg, Berlin und Bremen zur Darmspiegelung, während von den Versicherten in Bayern, Sachsen-Anhalt, Westfalen-Lippe und Hessen die wenigsten das Screening in Anspruch nahmen.
Die aktuellsten Krebsregisterdaten (GEKID 2014) zeigen altersstandardisiert zwischen 2003 und 2011 einen Trend zur Abnahme der kumulativen Inzidenz von Darmkrebs bei Männern und bei Frauen zwischen 55 und 85 Jahren. In einer jüngeren Altersgruppe dagegen ist die altersstandardisierte kumulative Inzidenz gleich geblieben. Unter dem Strich hat also die Vorsorgekoloskopie offenbar zu einem Rückgang der Darmkrebshäufigkeit geführt.
Randomisierte kontrollierte Studien stehen noch aus
![]() Eingesenkter Darmpolyp T1 | Randomisierte Studien zum präventiven Nutzen der Koloskopie liegen aber noch nicht vor. Die NORDICC-Studie mit 66 000 Teilnehmern wurde erst 2009 begonnen. Ihre Ergebnisse zur Darmkrebsmortalität werden etwa für das Jahr 2030 erwartet. Allerdings gibt es randomisierte kontrollierte Studien zur Sigmoidoskopie, z.B. eine britische Erhebung aus dem Jahr 2010.
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Risikoreduktion durch Screening um 90%
In Deutschland wurde kurz nach Einführung der Vorsorge-Koloskopie die Dachs-Studie (Darmkrebs: Chancen der Verhütung durch Screening) gestartet, eine bevölkerungsbezogene Fallkontrollstudie, an der mehr als 20 Kliniken beteiligt sind. Bisher sind über 4800 Fälle (Patienten, die an Darmkrebs erkrankten) und ebenso viele Kontrollen rekrutiert. Anhand persönlicher Interviews und Krankenakten wird die Effektivität der Koloskopie unter Routinebedingungen untersucht.
Eine Analyse dieser Daten mit 1688 Fällen und 1932 Kontrollen ergab, dass 41,1 % der Kontrollen, aber nur 13,6 % der Fälle in den letzten zehn Jahren eine Koloskopie hatten vornehmen lassen.1 Daraus errechnet sich eine Risikoreduktion um ganze 77 %. War die Koloskopie als Screeningmaßnahme erfolgt, fand sich sogar eine Risikoreduktion um 90 % in den ersten zehn Jahren nach der Screening-Maßnahme. Eine Meta-Analyse einer Reihe von Beobachtungsstudien ergab eine vergleichbare Reduktion des Erkrankungsrisikos um 72 % und der Darmkrebsmortalität um 68 %.2
Koloskopie: innerhalb 10 Jahren 80 000 Todesfälle weniger
Auf der Basis von Daten des Nationalen Registers der Früherkennungskoloskopien wurde unter Berücksichtigung des Anteils der GKV-Versicherten an der Gesamtbevölkerung eine Hochrechnung für Deutschland erstellt. Die Auswertung der ersten zehn Jahre des Screeningprogramms3 ergab, dass das Screening etwa 180 000 klinisch manifeste Darmkrebsfälle verhütet hat und dass ca. 40 000 Darmkrebserkrankungen früh erkannt wurden. Dabei resultierten weniger als 5000 Überdiagnosen, d.h. es wurden Neoplasien identifiziert, die ansonsten im Leben der Patienten nicht aufgefallen wären.
Unter der Annahme, dass 40 % der Patienten mit manifestem Darmkrebs und 20 % der Patienten mit früh erkanntem Darmkrebs an der Erkrankung versterben, bedeutet dies, dass in zehn Jahren durch die Vorsorgekoloskopie etwa 80 000 Todesfälle an Darmkrebs verhütet wurden. Bei diesem klaren Nutzen erhebt sich die Frage, ob es wirklich noch ethisch vertretbar ist, prospektiv kontrolliert zu vergleichen, wie dies in der NORDICC-Studie derzeit noch geschieht, meinte Prof. Brenner.
Quelle:
41. Deutscher Koloproktologen-Kongress
1.Brenner H. et al., Ann Intern Med 2011; 154: 22-30
2.Brenner H. et al., Brit Med J 2014; 348: 348: online
3.Brenner H. et al., Clin Gastroenterol Hepatol 2014; online first
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