Epileptiker-Vitamine gefährliche Placebos?

Maria Weiß

Vitaminsupplementation kann sogar gefährlich sein. Vitaminsupplementation kann sogar gefährlich sein. © Fotolia, pat hastings

Brauchen alle Epileptiker unter medikamentöser Therapie routinemäßig Vitaminsupplemente? Diese Frage wird zurzeit kontrovers diskutiert.

Auch wenn eine gesunde vollwertige Ernährung in der Regel ausreicht – bei einigen Vitaminen könnte es für Epileptiker tatsächlich eng werden, meinte Professor Dr. Gerhard Luef von der Medizinischen Universität Innsbruck. So wurde z.B. gezeigt, dass Patienten mit Krampfleiden im Vergleich zur Normalbevölkerung häufiger sehr niedrige Vitamin-D-Spiegel aufweisen – was auch ihre erhöhte Frakturrate erklären könnte.


In einer prospektiven Beobachtungsstudie mit knapp 600 Epileptikern lag der Vitamin-D-Spiegel bei 45 % unter 20 ng/ml. 54 % der Betroffenen nahmen enzyminduzierende Medikamente ein. Aber auch bei Kindern mit neu diagnostizierter idiopathischer Epilepsie stellte man einen im Mittel deutlich erniedrig­ten Vitamin-D-Spiegel fest.

Durch Vitamin-D-Gabe Anfallsrate senken

Bereits eine Studie aus den 1970er Jahren belegt, dass eine Anhebung des Vitamin-D-Spiegels die Anfallshäufigkeit reduzieren kann. Prof. Luef plädierte dafür, bei allen Epileptikern routinemäßig den Vit­amin-D-Spiegel zu kontrollieren und einen Mangel ggf. auszugleichen.


Möglichweise könnte es auch mit der Folsäure- und Vitamin B12-Versorgung hapern, so der Referent. In einer prospektiven Beob­achtungsstudie an 2730 Patienten unter Antiepileptika-Medikation, 170 unbehandelten Epileptikern und 200 gesunden Kontrollen zeigte sich: Patienten, die mit Carbamazepin, Gabapentin, Oxcarbazepin, Phenytoin, Primidon oder Valproat behandelt wurden, hatten signifikant häufiger einen Folsäuremangel als Unbehandelte bzw. Gesunde. Die Therapie mit Phenobarbital, Pregabalin, Primidon oder Topiramat war mit niedrigeren Vit­amin-B12-Spiegeln assoziiert. Unter Valproat fanden sich hingegen höhere Vitamin-B12-Werte.


Viele Antiepileptika rufen also offensichtlich einen Folsäure- oder Vitamin-B12-Mangel hervor, so das Resümeee von Prof. Luef. Er hält deshalb eine gezielte Vitaminergänzung bei medikamentös behandelten Epileptikern für sinnvoll.

Betacarotin-Supplementation erhöhte die Lungenkrebsrate

Professor Dr. Andreas Schulze-Bonhage vom Epilepsiezentrum des Universitätsklinikums Freiburg vertrat dagegen die Meinung, dass Epileptiker nicht per se unter Vitamin-Mangel leiden und folglich keine „Epileptiker-Vitamine“ brauchen. Immer wieder ist man in randomisierten Studien mit einer prophylaktischen Vit­amin-Substitution auf die Nase gefallen, meinte der Neurologe. So konnte die Einnahme von Vitamin A, C, E und Betacarotin Interventionsstudien zufolge weder zur Behandlung noch zur Prophylaxe von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs beitragen. Betacarotin-Supplementation erhöhte sogar die Lungenkrebsrate und die Gesamtsterblichkeit. Auch unter Vitamin A und E stieg die Mortalität an.


Bezüglich des viel gelobten Vit­amin D konnte bisher nach einer Cochrane-Analyse nur gezeigt werden, dass die Mortalität von alten Menschen unter der Substitution etwas abzunehmen scheint, argumentierte der Kollege weiter. In Kombination mit Kalzium kann Vitamin D das Nierensteinrisiko erhöhen. Von einem Mangel scheinen nach einer Schweizer Untersuchung nur Patienten betroffen zu sein, die Enzym-Induktoren einnehmen.

Vitamin A kann Fehlbildungen beim Ungeborenen induzieren

Was das Vitamin A betrifft, so kann es in der Schwangerschaft Missbildungen induzieren und auch eine prokonvulsive Wirkung ist beschrieben. Von der unkontrollierten Einnahme hoch dosierter Vitaminpräparate wird daher zunehmend abgeraten. Vitamine nach dem Gießkannenprinzip auszuschütten, hält der Neurologe alles in allem für Ressourcen-Verschwendung – unnötig, teuer und nicht frei von Risiken. Wie er meinte, sollten sich Epileptiker lieber gesund ernähren und häufiger in die Sonne gehen.


Quelle: Gemeinsame Jahrestagung der Deutschen und Österreichischen Gesellschaften für Epileptologie und der Schweizerischen Liga gegen Epilepsie 2015

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Vitaminsupplementation kann sogar gefährlich sein. Vitaminsupplementation kann sogar gefährlich sein. © Fotolia, pat hastings