Erst Fieber, dann Haut ab

Dr. Dorothea Ranft

Fieber als Symptom der Prodromalphase geht den Hautmanifestationen beim Stevens-Johnson-Syndrom um wenige Tage voraus. Für die Auslösersuche kann das ein entscheidender Hinweis sein. Fieber als Symptom der Prodromalphase geht den Hautmanifestationen beim Stevens-Johnson-Syndrom um wenige Tage voraus. Für die Auslösersuche kann das ein entscheidender Hinweis sein. © red2000 – stock.adobe.com

Patienten mit akut aufgetretener Hautablösung sollte man unbedingt nach neu eingenommenen Medikamenten fragen. Handelt es sich um eine epidermale Nekrolyse, kann diese unbehandelt schnell tödlich verlaufen.

Aufgrund von Fieber und Abgeschlagenheit suchte ein 79-jähriger Patient das Zuger Kantonsspital auf. Zwei Tage vorher hatte er Ohrenschmerzen, Schüttelfrost und eine Körpertemperatur von fast 40 °C gehabt. Diclofenac verschaffte ihm vorübergehend Erleichterung, die Pyrexie blieb jedoch bestehen, berichtet das Autorenteam um Dr. Julian Mair am Tinkhof.

Die Anamnese ergab eine KHK und Hypertonie sowie und ein erst kürzlich diagnostiziertes metastasiertes Prostatakarzinom. Zehn Tage zuvor hatte der Patient eine antiandrogene Therapie mit Apalutamid begonnen. Seine Standardmedikation (ASS, Ezetimib, Atorvastatin) nahm er unverändert weiter.

Das Fieber (39 °C) blieb weiterhin bestehen. Laborchemisch fiel ein CRP von fast 100 mg/l auf. Aufgrund rechtsseitiger Oberbauchschmerzen, erhöhter Leberwerte und einer leichten Ektasie der Gallenwege dachten die Autoren bei dem febrilen Patienten an eine beginnende Cholezystitis bzw. Cholangitis. Wegen des septischen Bildes (Thrombozytopenie, Niereninsuffizienz) begannen sie eine empirische Therapie mit Ceftriaxon sowie Metamizol und Paracetamol nach Bedarf.

Innerhalb von Stunden löste sich die Haut großflächig ab

Im Verlauf klagte der Patient über eine Odynophagie, später bildeten sich schmerzhafte, teils großflächige Blasen an der Haut. Besonders betroffen waren Gesäß, Oberschenkel, Rücken, Axillae und linke Ohrmuschel. Hinzu kamen bullöse Läsionen an der oralen Mukosa. Innerhalb weniger Stunden löste sich die Haut großflächig ab.

Ab diesem Moment dachten die Schweizer Kollegen an ein Stevens-Johnson-Syndrom (SJS). Zur Sicherung der Diagnose entnahmen sie eine Hautbiopsie von der Bauchdecke. Der Befund passte zu einer perakuten zytotoxischen Dermatitis aus dem Spektrum von SJS und toxischer epidermaler Nekrolyse (TEN).

Die weitere Behandlung erfolgte in einem Verbrennungszentrum. Innerhalb weniger Tage waren 55 % der Hautoberfläche betroffen. Somit wurden die Kriterien für eine TEN erfüllt. Unter einer intensiven Therapie (Volumensubstitution, Transfusion, spezielle Wundpflege) besserte sich der Hautbefund und es kam zu einer graduellen Reepithelialisierung.

SJS und TEN unterscheiden sich nicht hinsichtlich Pathomechanismus und Auslösern. Beide werden als epidermale Nekrolysen zusammengefasst. Ihre jährliche Inzidenz liegt bei einem bis zwei Fällen pro eine Million Menschen. Die Hautablösung beträgt bei SJS < 10 % der Körperoberfläche und bei der TEN > 30 %. Zwischen 10 und 30 % spricht man von einer SJS/TEN-Übergangsform.

Medikamente mit Risiko für eine epidermale Nekrolyse

  • Allopurinol
  • Antikonvulsiva mit einer aromatischen Ringstruktur (Phenytoin, Lamotrigin, Carbamazepin, Oxcarbazepin)
  • bestimmte NSAR (darunter Diclofenac, Oxicame, COX-2-Inhibitoren)
  • manche Antibiotika (Sulfonamide, Trimethoprim, Aminopenicilline, Chinolone)

Vor dem Auftreten der Hautläsionen gibt es wie im beschriebenen Fall eine wenige Tage anhaltende Prodromalphase mit Fieber und grippalen Symptomen. Photophobie, konjunktivaler Pruritus und Schluckschmerzen sprechen für eine frühe mukokutane Beteiligung. Die Hautveränderungen beginnen meist an Gesicht und Thorax mit einem makulösen, seltener einem generalisierten erythematösen Exanthem. Die Palpation der Haut ist sehr schmerzhaft. 90 % der Patienten entwickeln mukokutane Veränderungen, 80 % eine okuläre Beteiligung und 66 % eine Urethritis. 

Latenzzeit liegt zwischen vier Tagen und vier Wochen

Die Nekrolyse ist in 75 % der Fälle medikamentös bedingt. Es gibt Hinweise, dass sich medikamentenspezifische zytotoxische T-Zellen gegen Keratinozyten richten. Seltener wird die Erkrankung durch eine Infektion (z.B. Mycoplasma pneumoniae) ausgelöst. In bis zu einem Drittel der Fälle lässt sich keine Ursache identifizieren. Typischerweise findet sich eine Latenzzeit zwischen vier Tagen und vier Wochen nach dem Therapiebeginn. Ein starker Risikofaktor ist die HIV-Infektion, außerdem besteht eine Assoziation mit Malignomen insbesondere hämatologischer Natur.

Bei dem Schweizer Patienten ist eine Verbindung mit Diclofenac, Metamizol, Paracetamol und Ceftriaxon unwahrscheinlich, weil der Mann bei Gabe dieser Substanzen bereits Prodromalsymptome aufwies. Außerdem hatte er Ceftriaxon bereits zuvor mehrfach vertragen. Apalutamid hingegen wurde zehn Tage vor der Prodromalphase angesetzt und in der Literatur finden sich Berichte zu entsprechenden Nebenwirkungen.

Quelle: am Tinkhof J et al. Swiss Med Forum 2024; 53: 168-171; DOI: 10.4414/smf.1174042413

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Fieber als Symptom der Prodromalphase geht den Hautmanifestationen beim Stevens-Johnson-Syndrom um wenige Tage voraus. Für die Auslösersuche kann das ein entscheidender Hinweis sein. Fieber als Symptom der Prodromalphase geht den Hautmanifestationen beim Stevens-Johnson-Syndrom um wenige Tage voraus. Für die Auslösersuche kann das ein entscheidender Hinweis sein. © red2000 – stock.adobe.com