
Cartoon Gesundheitspolitik
Expertenteam vermisst bei den vielen Gesetzesänderungen den großen Wurf

„Wir stellen fest: Das deutsche Gesundheitssystem ist krank.“ So lautet der erste Satz im Papier von Prof. Dr. med. Matthias Schrappe, Hedwig François-Kettner, Franz Knieps, Univ.-Prof. Dr. phil. Klaus Kraemer, Hartmut Reiners, Prof. Dr. med. Martin Scherer und Dr. med. Thomas Voshaar. Hunderte Gesetzesänderungen der vergangenen Jahrzehnte hätten keinen großen Wurf ergeben. Alle Sektoren seien mit immer neuen und wenig wegweisenden Änderungen beschäftigt worden, ohne dass sich die intersektorale Koordination und Kooperation verbessert habe.
In sieben Abschnitten, angelehnt an das Gutachten des Sachverständigenrates zur Über-, Unter- und Fehlversorgung von 2000/2001, bringt die Expertengruppe die längst spürbaren Defizite des Gesundheitswesens auf den Punkt. „Früher haben wir in Deutschland nur über Über- und Fehlversorgung gesprochen, heute ist das deutsche Gesundheitssystem durch ein neues Phänomen bedroht: die Unterversorgung.“ Die Autoren beobachten bei diesem Thema in fachlichen und wissenschaftlichen Kreisen jedoch „eine erhebliche Zurückhaltung“.
Problematische Wartezeiten trotz Terminservicestellen
Ganz oben auf der Defizitliste steht der Personalmangel in der hausärztlichen Versorgung, der sich u. a. durch fehlende Ärztinnen und Ärzte in den städtischen Randgebieten und in ländlichen Regionen bemerkbar macht. Aus Sicht der Autoren ist auch die Kooperation mit der spezialfachärztlichen Versorgung weiterhin mangelhaft. Besonders für gesetzlich Versicherte sei es trotz KV-Servicestellen schwierig, zeitnahe Termine zu erhalten. Termine würden durch Wiedereinbestellungen blockiert. Außerdem sei die Verteilung der Facharztpraxen stärker als bei den Hausarztpraxen auf die urbanen Zentren konzentriert. Lange Wartezeiten führen die Autoren auch auf eine veränderte Einstellung zu Arbeitszeit und Privatleben in der jüngeren Ärztegeneration zurück.
Unterversorgung sehen die Autoren ebenso im Krankenhaus. Durch die eingeleitete Vergütungsreform könnten die Mengenanreize für skalierbare Leistungen steigen. Wegen des Vorhaltebudgets könnten Patientinnen und Patienten mit Komorbiditäten zum ökonomischen Risiko werden. Mit der Folge, dass eine Versorgung für diese Personen schwerer zugänglich werden könnte.
Die Unterversorgung in der Pflege manifestiert sich durch eine steigende Zahl an Pflegebedürftigen bei gleichzeitigem Fachkräftemangel und der Schließung von Einrichtungen. Defizite sehen die Experten zudem in der Arzneimittelversorgung: „Wichtige Bereiche werden von der Pharmaindustrie systematisch vernachlässigt.“ Viele Medikamente seien oft nur schwer erhältlich, während mit Orphan Drugs überteuerte Höchstpreise erzielt würden.
Dass sich Unterversorgung allein durch mehr Kapazitäten reduzieren lässt, denken die Autoren nicht. Es bedürfe eines strategischen Ansatzes, der regionale Bedürfnisse berücksichtigt, Bürokratie reduziert sowie die interprofessionelle Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe fördert. Trotz zahlreicher Initiativen für eine wirksame „integrierte Versorgung“ sei diese an den von getrennten Budgets getriebenen Sektoregoismen gescheitert. „Eine wirksame Bekämpfung der Unterversorgung müsste also an dieser Stelle ansetzen.“ Die Gruppe plädiert zudem für die schrittweise Auflösung des Beihilfesystems für Beamtinnen und Beamte sowie deren Überführung in den Kreis der GKV.
Quelle: DOI: 10.24945/MVF.02.25.1866-0533.2709
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