Fatigue mit Biologika am Schopf packen

Dr. Sonja Kempinski

Fatigue sollte als Outcome-Parameter in Zukunft mitgedacht werden. Fatigue sollte als Outcome-Parameter in Zukunft mitgedacht werden. © stmool – stock.adobe.com

Die Fatigue gehört zu den schwerwiegendsten Symptomen bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Antiinflammatorische Wirkstoffe können die chronische Erschöpfung lindern. Wie stark, sollte eine Metaanalyse zeigen.

Entzündlich-rheumatische und muskuloskelettale Erkrankungen beeinträchtigen die Patienten nicht nur durch Schmerzen und Funktionseinschränkungen. Eines der häufigsten zusätzlichen Symptome ist Fatigue. Ihre Bedeutung ist so groß, dass Autoren eines internationalen Konsensuspapiers vorschlagen, sie in allen zukünftigen Studien zur rheumatoiden Arthritis (RA) als zentralen Outcome-Parameter zu berücksichtigen. 

Fatigue variiert inter- und intraindividuell beträchtlich

Trotz ihres Stellenwertes ist das Management der Fatigue wenig zufriedenstellend. Das liegt zum einen an der Komplexität des Symptoms  – die Fatigue variiert nicht nur von Patient zu Patient, auch der Verlauf unterscheidet sich intraindividuell. Zum anderen fehlen Belege für die Kosteneffektivität der verschiedenen Behandlungsoptionen. 

Inzwischen mehren sich die Hinweise, dass die pharmakologische antiinflammatorische Therapie die chronische Erschöpfung der Patienten lindern kann. Bisher war die Datenlage dazu unklar. Um herauszufinden, welche pharmakologischen Interventionen die Fatigue reduzieren und ob diese sicher sind, hat ein multinationales Expertenteam im Auftrag der EULAR systematisch die Literatur durchforstet und die vorhandenen Daten analysiert.

Fast 4.000 Studien wurden gescreent und 99 Studien im Review der Experten berücksichtigt. Voraussetzung für die Publikationen war, dass die Fatigue zu den Outcome-Parametern gehörte und über einen standardisierten Score erfasst worden war – am häufigsten kam dafür der FACIT-F zum Einsatz. Außerdem mussten die Patienten erwachsen sein, eine gesicherte Rheumadiagnose aufweisen und eine medikamentöse antirheumatische Therapie erhalten. Bei den untersuchten Wirkstoffen handelte es sich in den meisten Fällen um Biologika. In fast allen Studien (95 %) war der Komparator Placebo, nur in fünf war gegen die Standardtherapie getestet worden, schreibt das Autorenteam um Dr. Bayram Farisogullari von der Haceteppe University in Ankara. 

In die Metaanalyse gingen schlussendlich 19 randomisierte und kontrollierte Studien ein. Dazu gehörten 13 Studien zur rheumatoiden Arthritis, eine PsA- und drei SpA-Studien. Die Effektgrößen berechneten die Wissenschaftler als mittlere Differenz der Fatigue-Level im Vergleich zu Placebo. 

Bei RA-Patienten verringerten alle untersuchten Wirkstoffe die Fatigue und waren Placebo signifikant überlegen. Im Einzelnen lauteten die Ergebnisse

  • Adalimumab reduzierte die Fatigue nach 52 und 12 Wochen um 2,25 bzw. 3,0,
  • Golimumab verringerte sie nach 24 Wochen um 5,27,
  • bei Baricitinib betrug der Effekt nach 24 Wochen -4,06,
  • die IL-6-Hemmer Sarilumab und Tocilizumab hatten nach jeweils 24 Wochen einen Effekt von -3,15 bzw. -3,69 und
  • Tofacitinib verbesserte die Fatigue nach 12 Wochen Therapie um -5,22.

Eine Subgruppenanalyse der RA-Studien erbrachte für Sarilumab, Tocilizumab und Tofacitinib einen Dosis-Wirkungs-Effekt. Das heißt, je höher die Dosis, desto stärker war der positive Effekt auf die chronische Erschöpfung. 

Bei der SpA erwies sich Secukinumab dem Placebo als überlegen, es reduzierte nach 16 Wochen die Fatigue der Patienten um 4,15, ebenfalls mit einer Dosis-Wirkungs-Beziehung. Etanercept war in puncto Fatigue bei SpA-Patienten nach zwölf Wochen Behandlung nicht effektiver als Placebo. Das galt auch für Adalimumab in der einzigen PsA-Studie, die in die Metaanalyse einging. 

Die Forscher werteten auch diejenigen Studien aus, die bei der Metaanalyse nicht berücksichtigt werden konnten (siehe Kasten). Viele der darin eingesetzten Wirkstoffe waren offenbar ebenfalls in der Lage, Fatigue zu lindern. Dazu gehörten u.a. Rituximab und Filgotinib bei der RA, Abatacept, Belimumab u.a. beim SLE sowie Infliximab, Upadacitinib u.a. bei der PsA. Beim Sjögren-Syndrom zeigten dagegen etliche Substanzen  hinsichtlich der Fatigue keinen Unterschied gegenüber Placebo. Studien gab es z.B. zu Infliximab, Gammalinolensäure, Interleukin-1-Rezeptorantagonisten und Hydroxychloroquin (das auch beim SLE keine Wirkung auf die Fatigue hatte).

Anzahl der in das Review eingeflossenen Studien (ohne Metaanalyse)

  • Rheumatoide Arthritis: 50
  • Spondyloarthritis: 13
  • Sjögren-Syndrom: 15
  • Psoriasisarthritis: 10
  • systemische Sklerose: 1
  • systemischer Lupus erythematodes: 8
  • idiopathische inflammatorische Myopathien: 1
  • Riesenzellarteriitis: 1

Neue Sicherheitssignale traten nicht auf

In den allermeisten untersuchten Studien wurden die Medikamente gut vertragen und führten nicht häufiger zu unerwünschten Wirkungen als Placebo. Neue Sicherheitssignale traten nicht auf. Offenbar trägt die Inflammation erheblich zur Fatigue bei. Ihre Behandlung kann die Beschwerden bei einigen rheumatischen Erkrankungen verbessern, resümieren die Autoren. 
Sie raten dazu, diese evidenzbasierte Information an die Patienten weiterzugeben. Dies könne dazu beitragen, die Adhärenz zu festigen. 

Zu wenig weiß man noch über die Auswirkungen von Antirheumatika auf die Fatigue bei Riesenzellarteriitis, systemischer Sklerose und idiopathischen inflammatorischen Myopathien. Die Autoren schlagen deshalb vor, in zukünftigen Studien zu diesen Erkrankungen auch die Wirkung der Therapeutika auf die Fatigue als Outcome-Parameter zu prüfen. 

Quelle: Farisogullari B et al. RMD Open 2023; 9: e003349. DOI:10.1136/rmdopen-2023-003349

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