Gedeihstörung - Auch die seltenen Ursachen erkennen

Dr. Anja Braunwarth Foto: thinkstock

Bei einem Säugling mit Gedeihstörung darf man nicht nur die häufigen Ursachen auf der differenzialdiagnostischen Palette haben. Leidet das Kind z.B. unter Durchfällen, ist auch mal an Transporterdefekte oder angeborenen Enzymmangel zu denken.

Gedeihstörungen im Neugeborenen- und Säuglingsalter können viele verschiedene Ursachen haben, die es sorgfältig abzuklären gilt. Sie reichen vom einfachen „Hunger an der Brust“ durch inadäquate Zusammensetzung oder geringe Menge der Muttermilch über organische Ursachen bis hin zum Münchhausen-by-proxy-Syndrom.

Die häufigeren Ursachen der Gedeihstörung sind:

-  Kardiainsuffizienz, Hernie
-  gastroösophagealer Reflux, Ösophagitis
-  Nahrungsmittelallergie (Kuhmilch), proteininduzierte Enterokolitis
-  Obstipation (auch M. Hirschsprung)
-  angeborene Darmstenose, Lageanomalie
-  Vernachlässigung, Münchhausen-by-proxy-Syndrom
-  Frühkindliche Essstörung
-  nicht organische Gedeihstörung
-  nicht gastroenterologische Grunderkrankung


Von größter diagnostischer Bedeutung ist daher die Anamnese, vor allem die ausführliche Ernährungsanamnese, betonte Dr. Stephan Buderus von der Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin am St.-Marien-Hospital in Bonn.  Was berichten die Eltern bzw. die Betreuer über das Essverhalten des Kindes bzw. die ganze Füttersituation? Wie lange dauert eine Mahlzeit? Wann und wie regurtiert das Kind? Hat es Durchfälle?

Zur Basisdiagnostik bei Gedeihstörung gehört auch das Ernährungsprotokoll

Ein Ernährungsprotokoll, das Menge und Zusammensetzung der Nahrung erfasst, gehört ebenfalls zur Basisdiagnostik der Gedeihstörung. Bei der körperlichen einschließlich der neurologischen Untersuchung sollten auch die somatischen Messparameter – Länge (Armspannweite), Gewicht, Oberarmumfang (Hautfaltendicke) – ermittelt und mit den entsprechenden Perzentilen abgeglichen werden. Weiterhin sind bei der Diagnostik einer Gedeihstörung Laboruntersuchungen notwendig.

Zum sog. „Malnutritions-/Malabsorptionslabor“ gehören:

- Blutbild
- Entzündungsparameter
- Eisenstatus
- Gesamteiweiß, Albumin
- Vitamine (PTH/Vit. D, Vit. E, Vit. A, Folsäure, Vit. B12)
- Gerinnungsparameter (Vit. K)
- Kalzium, Phosphat
- alkalische Phosphatase
- Triglyzeride, Cholesterin
- Ggf. Spurenelemente: Zink, Selen
- Ggf. IgF-1, IgF-BP3


Je nach erhobenen Befunden kommen die apparative Diagnostik und psychologisch/psychiatrische Untersuchungen ins Spiel.

Eine intraktable Diarrhö droht auch auch durch Zinkmangel

Sind die häufigen Ursachen von Dystrophie und Gedeihstörung sicher ausgeschlossen, kann man die seltenen genetisch/syndromal bedingten in Erwägung ziehen – z.B. die sog. intraktable Diarrhö.

So  werden Durchfälle bezeichnet, die sich nach alter Definition bis zum 3. Lebensmonat manifestieren, länger als zwei Wochen anhalten und bei denen drei Stuhlkulturen negativ bleiben. „Neuere“ Parameter sind ein Symptombeginn in den ersten 6-24 Monaten und die Notwendigkeit für eine totale parenterale Ernährung (oder enterale).

Intraktable Diarrhöen werden bei etwa 0,6 bis 0,9/100 000 Säuglingen beobachtet. Man unterscheidet Formen mit erhaltener Architektur von Zotten und Krypten von solchen mit Villusatrophie, erklärte Dr. Buderus. Zu den Formen ohne Strukturveränderung gehören das Kurzdarmsyndrom, Mangel an Spurenelementen (z.B. Zn, Acrodermatitis enteropathica) oder Enzymen (Enterokinase) und Transporterdefekte.

Glukosurie kann bei Gedeihstörung den diagnostischen Weg weisen

Zu den Letztgenannten zählt u.a. die Glukose-Galaktose-Malabsorption. Sie geht mit einer intermittierenden oder dauerhaften Glukosurie einher. Ansonsten manifestiert sich der angeborene Defekt des Natrium-Glukose-Co-Transporters mit bereits neonatal einsetzenden osmotischen Diarrhöen.

Diese sind u.a. durch ein normales bis erhöhtes Stuhlvolumen, Stuhl-Natriumwerte < 70 mmol und einen Stuhl-pH < 5,5 charakterisiert. Außerdem sistieren sie beim Fasten.Die Therapie besteht in der Gabe von glukose- und galaktosefreier Nahrung bzw. Säuglingsmilch mit Zusatz von Fruktose.


Intraktable Diarrhöen mit Zottenatrophie sind z.B. die Autoimmun- und die allergische Enteropathie, aber auch syndromatische Formen, erklärte Dr. Buderus.

Hinter einer Gedeihstörung kann auch ein angeborenes Syndrom stecken

Ein Beispiel für schwere Gedeihstörungen, die ohne gastrointestinale Symptome einhergehen, ist das Cockayne-Syndrom. Es wird autosomal-rezessiv vererbt und führt zu Abmagerung, Dystrophie, Wachstumsstillstand und vorzeitiger Alterung.

„Aus den Kindern werden kachektische Zwerge“, so der Päd­iater.Außerdem leiden die Betroffenen an einer verstärkten Photosensibilität. Auffällig im MRT sind intrazerebrale Verkalkungen, die ein gutes Leitsymtpom darstellen.

Das Cockayne-Syndrom wird in drei Typen eingeteilt. Während Kinder mit Typ I innerhalb der ersten zwei Lebensjahre die klassische Symptomatik entwickeln, sind diejenigen mit Typ II bereits bei der Geburt auffällig. Bei Kindern mit Typ III verläuft die Erkrankung dagegen recht mild, z.T. können sie sich sogar ganz normal entwickeln. 


Bei Gedeihstörung unbedingt an die cystische Fibrose denken!

Wegen einer Gedeihstörung wird der fünf Monate alte Säugling in die Klinik gebracht. Gewicht und Größe liegen unter der dritten Perzentile. Das Baby wirkt hungrig, die Ärzte finden generalisierte Ödeme und eine Hepatomegalie. Ihre Diagnose: Cystische Fibrose.

Die CF ist gar keine so seltene Ursache für eine Gedeihstörung, berichtete Dr. Stephan Buderus. Richtungsweisend sind ein pathologischer Schweißtest und erniedrigte Pankreaselastasewerte. Außerdem schmecken viele der betroffenen Kinder besonders salzig. Gesichert wird die CF heute in der Regel durch Nachweis der genetischen Veränderungen. In unseren Breitengraden liegt am häufigsten die Delta-F-508-Mutation im CFTR-Gen vor.


Vortrag auf der 26. Jahrestagung der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung e.V. (GPGE) in Aachen

 

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