Gelbwurz - Eine Gefahr für die Krebstherapie?

Maria Weiß, Foto: thinkstock

Pflanzliche Zubereitungen sind bei Krebspatienten beliebt. Doch manche Mittel setzen die übliche Tumortherapie außer Kraft – oder wirken sogar toxisch.

Wer an einem bösartigen Tumorleiden erkrankt, muss sich häufig einer Chemotherapie oder Bestrahlung unterziehen und Nebenwirkungen wie Erbrechen, Durchfall, Haarausfall und Kachexie in Kauf nehmen – von der psychischen Belastung durch die Krebsdiagnose einmal ganz abgesehen.

Krebstherapie: Pflanzliche Mittel senken die Bioverfügbarkeit.

Kein Wunder, dass Tumorpatienten gerne und oft in Eigenregie zu pflanzlichen Mitteln greifen, um die Nebenwirkungen der Krebstherapie zu lindern. In Kräutertees enthaltene ätherische Öle sollen Entzündungen an den Schleimhäuten lindern, Johanniskrautextrakte die Stimmung aufhellen. 

Tumorhemmende Wirkung von Weihrauch- und Mistelextrakten 

Besonders attraktiv sind alternative Heilmethoden, wenn sie nicht nur die Nebenwirkungen der Krebstherapie lindern, sondern zudem einen tumorhemmenden Effekt aufweisen. Dies sei z.B. bei Weihrauch- und Mistelextrakten der Fall. Allerdings sind pflanzliche Mittel nicht immer harmlos und nebenwirkungsfrei. Einige können Pharmakokinetik und -dynamik von Tumortherapeutika erheblich verändern, indem sie auf das Cytochrom-P450-System oder auf Effluxtransporter wie das P-Glykoprotein einwirken.


Doch welche klinisch relevanten Wechselwirkungen zwischen Tumortherapeutika und pflanzlichen Präparaten sind bisher bekannt? Ein Beispiel ist die erheblich verminderte Bioverfügbarkeit der Zytostatika Irinotecan und Imatinib bei Anwendung von Johanniskraut. So wurde in klinischen Untersuchungen die Bioverfügbarkeit von Imatinib um durchschnittlich 30 % und diejenige von Irinotecan sogar um 41 % reduziert, wenn gleichzeitig hyperforinhaltige Johanniskrautpräparate gegeben wurden. Denn diese Pflanzenextrakte erhöhen die Expression von CYP3A4 und P-Glykoprotein.

Wirkung der Krebstherapie schwer einzuschätzen

Die Inhaltsstoffe von Schisandra- Spezies wirken umgekehrt: Sie hemmen die Expression von CYP3A4 und P-Glykoprotein und steigern damit die Bioverfügbarkeit von CYP3A4- und P-Glykoprotein- Substraten. So erhöhte ein Extrakt aus den Früchten von Schisandra sphenanthera die AUC des Kurzhypnotikums Midazolam um 119 % und die maximale Plasmakonzentration um 86 %. Bei dem Immunsuppressivum Tacrolimus wird die Bioverfügbarkeit durch Schisandra-Inhaltsstoffe sogar um 164 % erhöht.


Ein weiteres Phytotherapeutikum, das auf CYP-Enzyme einwirkt, ist die Kanadische Gelbwurz (Hydrastis canadensis), die oft in Kombination mit Echinacea bei grippalen Infekten eingesetzt wird. Zubereitungen aus der Wurzel der Kanadischen Gelbwurz erhöhen die Toxizität von P-Glykoprotein als Membranpumpe. 

Infobox zum P-Glykoprotein


Das P-Glykoprotein zählt zu den Membranproteinen, die Substanzen aus Zellen hinausbefördern. 

 

 

  • Im Magen-Darm-Trakt limitiert es die Aufnahme von Arzneimitteln
  • In Leber und Niere steigert es die Elimination
  • Es spielt für die Blut-Hirn-Schranke eine wichtige Rolle:   verhindert den Eintritt zahlreicher, potenziell toxischer Substanzen

⇒ Eine Hemmung des P-Glykoproteins kann zu ausgeprägter Neurotoxizität führen, während eine Induktion (z.B. durch Johanniskraut) zu einer verminderten Arzneistoffkonzentration im Gehirn führen kann.

 

Wechselwirkungen mit Krebsmedikamenten durch ärztliche Aufklärung vermeiden

CYP3A4-Substrate wie Irinotecan und Imatinib können die Wirkung von Tamoxifen fast komplett aufheben. Wechselwirkungen zwischen Krebsmedikamenten und pflanzlichen Arzneimitteln lassen sich nur vermeiden, wenn Ärzte und Apotheker über die beschriebenen Mechanismen Bescheid wissen. Ihnen kommt die Aufgabe zu, Patienten über mögliche Risiken umfassend aufzuklären. 

Infobox zum CYP-Enzym CYP3A4


Cytochrom-P450(CYP)-Enzyme katalysieren den Stoffwechsel vieler Arzneimittel. Besonders wichtig ist das Enzym CYP3A4, das 50–70 % aller Arzneistoffe metabolisiert.

  • Es metabolisiert auch die Zytostatika Irinotecan und Imatinib.
  • Weil CYP3A4 nur eine geringe Substratspezifität aufweist, gibt es viele kompetitive Inhibitoren und damit auch zahlreiche mögliche Arzneimittelinteraktionen.

Zu den Inhibitoren von CYP3A4 zählen:
  • Grapefruitsaft
  • Kanadische Gelbwurzel
  • Schisandra-Spezies (in der chinesischen Medizin: Wu Wei Zi)

 

Johanniskraut ist dagegen ein Induktor von CYP3A4. 



 

Quelle: Matthias Unger, Forschende Komplementärmedizin

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