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Gewappnet für die potenziellen Gefahren der Immuntherapie gegen Krebs
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In den letzten Jahren wurden mehrere Immun-Checkpoint-Inhibitoren zur Behandlung von fortgeschrittenen Melanomen, Nierenzell- und Lungenkarzinomen zugelassen. Ipilimumab hemmt die Signalwege von CTLA-4 (cytotoxic T-lymphocyte-associated protein 4), Pembrolizumab und Nivolumab die von PD-1 (programmed cell death protein 1), erinnern Professor Dr. Oliver Gautschi vom Kantonsspital Luzern und Kollegen.
Der Einsatz dieser Substanzen sei mittlerweile so weit verbeitet, dass jeder praktizierende Arzt die möglichen Komplikationen und deren Therapie zumindest in Grundzügen kennen sollte. Dies auch deshalb, weil die unerwünschten Effekte erst nach Ende der Immuntherapie auftreten bzw. irreversibel sein können. Systematisch gehen die Kollegen die wichtigsten Nebenwirkungen durch.
Sofortreaktionen: Schon während der Infusion kann es zu innerer Unruhe, Hautreaktionen, Blutdruckabfall bis hin zu Quincke-Ödem, Dyspnoe und Schock kommen. Dann muss abhängig vom Schweregrad der Reaktion die Medikamentengabe unterbrochen bzw. gestoppt und Volumen, Kortikosteroide und Antihistaminika verabreicht werden. Schwere Fälle erforden Reanimationsbereitschaft.
Eine Dermatitis manifestiert sich häufig innerhalb der ersten Tage nach der Medikamentenapplikation. Meist entwickelt sich ein stammbetontes, makulopapulöses juckendes Exanthem, das in schweren Fällen mehr als 30 % der Körperoberfläche betrifft. Die Hautreaktion kann durchaus Zeichen des Tumoransprechens sein, differenzialdiagnostisch sind aber auch Infekte, Reaktionen auf sonstige Medikamente und paraneoplastische Phänomene denkbar.
Basis der Therapie bei allen Schweregraden ist die lokale Hautpflege und die Gabe von Antihistaminika gegen den Juckreiz. Bei der leichtgradigen Dermatitis (< 10 % der Körperoberfläche betroffen) können, bei der mittel- und schwergradigen Form sollten topische Steroide gegeben werden. Liegt eine Infektion vor, besteht die Indikation zur antibiotischen Therapie. Haben sich großflächige oder exfoliative Hautveränderungen entwickelt, braucht es den Dermatologen und oft eine Biopsie. Liegt ein medikamentös ausgelöstes Stevens-Johnson-Syndrom oder eine toxische epidermale Nekrolyse vor, besteht für den Patienten Lebensgefahr, die eine entsprechende Intensivbehandlung erfordert.
Pneumonitis: Neu auftretende pulmonale Symptome, wie Husten, Dypnoe, Fieber und Thoraxschmerzen, sind klinisch und mit einem (hochauflösenden) Thorax-CT abzuklären. Im Fall einer Pneumonitis stellen sich unspezifische Infiltrate dar. Je nach Lungenfunktionstest (CO-Diffusionskapazität) und arterieller Blutgasanalyse kann diagnostisch eine Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage und therapeutisch die Gabe von (hoch dosierten) Kortikosteroiden und Breitbandantibiotika sinnvoll sein. In schweren Fällen benötigen die Patienten Sauerstoff und eine intensivmedizinische Behandlung.
Eine Kolitis tritt besonders unter Ipilimumab recht häufig, meist einige Tage bis wenige Wochen nach Therapiebeginn, auf. Die Symptome reichen von einer milden Diarrhö (45 %) bis zur schweren Kolitis mit Perforation (0,5 %).
Eine Erhöhung der Stuhlfrequenz auf maximal fünf pro Tag darf unter engmaschiger Beobachtung kurzfristig mit Motilitätshemmern behandelt werden. Bei häufigeren Stuhlgängen ist eine Koloskopie zu erwägen. Vorausgesetzt, es liegt keine Infektion vor, werden Kortikosteroide gegeben. "Motilitätshemmer und Opiatanalgetika sind in diesem Stadium kontraindiziert, weil sie das Fortschreiten der Kolitis maskieren und im schlimmsten Fall die Progression zum toxischen Megakolon mit Darmperforation begünstigen", schreiben Prof. Gautschi und Kollegen. Die Immuntherapie wird unterbrochen. Erweist sich die Kolitis als weiter progredient, kommt Infliximab zum Einsatz.
Hepatitis: Hepatische Nebenwirkungen treten bei etwa 5–10 % der Patienten auf, sie reichen von einer leichten Transaminasenerhöhung auf das 2- bis 3-Fache der Norm bis zur immunvermittelten Hepatitis.
In leichten Fällen genügt es, den Patienten weiter engmaschig zu kontrollieren und darauf zu achten, dass er keine lebertoxischen Medikamente wie Paracetamol einnimt. Sind andere Ursachen für den Transaminasenanstieg (z.B. Lebermetastasen) ausgeschlossen und steigen die Werte weiter an, wird die Immuntherapie unterbrochen. Fallen die Transaminasen danach nicht ab, ist eine Leberbiospie zu erwägen sowie eine systemische Kortikosteroidtherapie einzuleiten. Spricht der Patient darauf nicht an, bietet sich die Behandlung mit Mycophenolat Mofetil (MMF) an.
Nephritis: Renale Nebenwirkungen sind selten und laufen meist asymptomatisch ab. Sie können jedoch auch zu interstitieller Nephritis, akuter Tubulusnekrose und Glomerulonephritis führen. Damit irreversible Schäden vermieden werden, sind eine regelmäßige Kontrolle von Kreatinin oder Cystatin C im Serum, die Messung des Albumin-Kreatinin-Quotienten im Urin und die Untersuchung des Urinsediments erforderlich. Allerdings wird die interstitielle Nephritis durch diese Routineuntersuchungen oft verpasst oder spät erkannt, warnen die Autoren.
Die sichere Diagnose ist nur durch eine Nierenbiopsie möglich. Bleibt das Kreatinin unter dem 1,5-Fachen der Norm, liegt der Albumin-Kreatinin-Quotient < 100 mg/mmol und lässt sich keine glomeruläre Erythrozyturie nachweisen, kann die Immuntherapie weiter gegeben werden, sofern einmal pro Woche eine Verlaufskontrolle erfolgt. In allen anderen Fällen muss das Medikament abgesetzt und eine nephrologische Diagnostik veranlasst werden.
Endokrinologische Nebenwirkungen können die Hypophysitis, Thyreoiditis, Adrenalitis und den Diabetes umfassen. Im Hinblick auf die Entwicklung einer Hypophysen- und Schilddrüsenentzündung ist es ratsam, vor jedem Therapiezyklus TSH und fT4 zu kontrollieren. Die Werte müssen auch nach abgeschlossener Behandlung alle zwei bis drei Monate kontrolliert werden. Je nachdem, ob und welche klinischen Symptome der Patient entwickelt, sind spezifische Tests und Therapien notwendig.
Quelle: Gautschi O et al. Swiss Medical Forum 2016; 16: 836–41
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