Glaukom: 24-Stunden-Blutdruck messen!

Dr. Carola Gessner, Foto: thinkstock

Um die zweithäufigste Erblindungsursache zu verhüten, können Sie als Hausarzt viel beitragen: Das Glaukom wird duch Bluthochdruck vorangetrieben.

Dritthäufigste Erblindungsursache weltweit, zweithäufigste in den Industrienationen – es wird Zeit, die Aufmerksamkeit von Hausärzten mehr auf das Glaukom zu lenken. Vielen ist nicht bewusst, wie stark eine arterielle Hypertonie den Sehnervenschaden durch das primäre Offenwinkelglaukom (POWG) fördert, betonte Professor Dr. Carl Erb von der Augenklinik am Wittenbergplatz, Berlin.

Die Relevanz der Erkrankung in Zahlen: Etwa einer halben Million diagnostizierter Glaukompatienten in Deutschland stehen etwa mindestens ebenso viele unentdeckte gegenüber. 50 000 Betroffene sind an der Erkrankung bereits erblindet, informierte der Experte. Jeder zweite Glaukompatient leidet auch unter einer arteriellen Hypertonie. Diese sorgt für pathologische Veränderungen der retinalen Gefäße und Minderperfusion.


Letztlich resultiert eine kombinierte mechanisch-vaskuläre Schädigung: Individuell erhöhter Augeninnendruck und Ischämie provozieren gemeinsam Umbauprozesse am Sehnerv und an der Retina.

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Zwei typische Beispiele einer Glaukompapille mit schwer geschädigtem Sehnnerv, auf dem rechten Bild zeigt dieser fast keinen gesunden rosafarbenen Rand mehr. Fotos: augeninfo.de

Blutdruck-Selbstmessung wiegt in falscher Sicherheit

Besonderen Wert legen die Ophthalmologen vor diesem Hintergrund auf die 24-Stunden-Blutdruckmessung (ABDM). „Es muss das gesamte Profil beurteilt werden, Mittelwerte sind für uns uninteressant“, unterstrich der Referent. So kann es sein, dass ein Hypertoniker sich anhand seiner selbst gemessenen Tageswerte in Sicherheit wiegt, während unbemerkte Ausreißer ebenso wie nächtliches Extrem-Dipping seine Augen in Durchblutungsnot bringen.

Fakten zum POWG
Das primäre Offenwinkel-glaukom ist gekennzeichnet durch:
• i.d.R. keine zusätzlichen (kausalen) Augenkrankheiten
• einen individuell erhöhten intraokulären Druck
• morphologisch veränderte Papillenexkavation
• progressiven Zelltod retinaler Ganglienzellen mit Gesichtsfeldverlust (Skotome)
• offenen Kammerwinkel
Sowohl zu hoher als auch zu niedriger Blutdruck bringt das Augenlicht in Gefahr. Die Prävalenz des POWG nimmt zu, wenn der systolische Blutdruck über 120 mmHg steigt bzw. der diastolische Druck unter 50–70 mmHg sinkt. Tierexperimentell wurde nachgewiesen, dass es bei Werten ≤ 60 mmHg zu deutlichen Aktivitätseinbrüchen retinaler Ganglienzellen kommt.


Dass gerade im Hinblick auf ophthalmologische Komplikationen eine gute Zusammenarbeit zwischen Augenarzt und Hausarzt notwendig ist, unterstrich auch Professor Dr. Burkhard Weisser vom Institut für Sport und Sportwissenschaften der Universitätsklinik Kiel. „Manche Internisten fordern geradezu diastolische Werte unter 70 mmHg in der Nacht, das ist problematisch wegen der Schwankungsbreite der Werte: Die Patienten liegen ja nicht die ganze Nacht bei 69 mmHg, sondern fallen durchaus in kritische Bereiche ab.“


Aufgrund der gestörten Autoregulation müsse man gerade bei Patienten mit Netzhaut- und Sehnervenproblemen den Blutdruck sehr langsam senken. Also bitte nicht von 200/100 auf Idealwerte von 130/75 mmHg in einer Woche, riet der Experte.

Abenddosis bei hohem Blutdruck in der Nacht

Ob bestimmte Antihypertensiva bei Glaukomkranken besonders vorteilhaft sind, weiß man nicht. Daten hierzu liegen leider kaum vor, bedauerte Prof. Weisser: „Hier gibt es noch viel zu lernen!“ In der Praxis verfahre man so, dass der Patient bei nächtlich hohen Werten eine Abenddosis erhält. „Gerne geben wir lang wirksame Antihypertensiva und natürlich solche, die aufgrund eines günstigen Nebenwirkungsprofils eine gute Compliance versprechen.“Denn große Druckschwankungen, die für die Retina schädlich sind, werden leider oft vom Patienten selbst durch unregelmäßige Antihypertensiva-Einnahme provoziert.

Tagesprofil der Blutdruckwerte

Neben Ausreißern "nach oben" kann auch zu starkes Dipping in der Nacht (diast. Wert < 60 mmHg) das Auge schädigen.

Prof. Weissers Fazit: Sowohl Bluthochdruckpatienten als auch ihr Hausarzt müssen verstärkt für die Augengefahr sensibilisiert werden. Den Blutdruck bei Glaukompatienten gilt es besonders gleichmäßig einzustellen, Schwankungen der Werte, vor allem Extrem-Dipping, sind zu vermeiden um das Augenlicht zu schützen.


Quelle: 35. Wissenschaftlichen Kongress der Deutschen Hochdruckliga „Hypertonie Köln 2011“

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