Größte Studie zum Magenkarzinom ausgewertet

Birgit-Kristin Pohlmann, Foto: thinkstock

Erstmals seit etwa zwanzig Jahren liegen aktuelle Daten zur Versorgung von Patienten mit Magen-Ca in Deutschland vor. Die Magenkarzinom-Studie 2 zeigt einige Defizite bei der Umsetzung perioperativer Konzepte auf. Fazit: Chirurgen müssen stärker interdisziplinär arbeiten.

Initiiert und bundesweit durchgeführt wurde die Deutsche Magenkarzinom-Studie 2 vom Magdeburger AN-Institut für Qualitätssicherung in der operativen Medizin (gGmbH) in Kooperation mit dem Klinikum Magdeburg.

Anfang der 90er-Jahre hatte die legendäre Deutsche Magenkarzinom-Studie für Aufsehen gesorgt, die seinerzeit federführend von Professor Dr. Jörg Rüdiger Siewert vom Klinikum rechts der Isar in München durchgeführt wurde. Danach gab es nie wieder eine so große reale Darstellung der Versorgungssituation beim Magenkarzinom in Deutschland, erläutert der Chirurg Prof. Ridwelski vom Klinikum Magdeburg im Gespräch mit Medical Tribune Onkologie  n  Hämatologie.

Erstmals wieder reale Versorgungsdaten zum Magenkrebs in Deutschland

„Nach 20 Jahren war aus unserer Sicht die Zeit reif, die Versorgungssituation zum Magenkarzinom in Deutschland erneut zu erfassen“, begründet Prof. Ridwelski die Initiative aus Magdeburg. Die Idee fußte auch wesentlich darauf, dass sich in den letzten Jahren mit der Einführung neoadjuvanter bzw. perioperativer Therapiekonzepte die Behandlung bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Magenkarzinom erweitert und laut Studienlage die Prognose der Patienten signifikant verbessert hat gegenüber der bis dato üblichen primären Operation.

Wie wirken sich die neuen Therapiekonzepte auf die Prognose aus?

„Uns interessierte unter anderem, ob bzw. inwieweit das neue Therapiekonzept im klinischen Alltag umgesetzt wird“, erläutert Prof. Ridwelski, und: „Darüber hinaus stehen natürlich die Langzeitdaten im Fokus und die Frage, ob wir tatsächlich eine Prognoseverbesserung für unsere Patienten erreichen.“ Für die Deutsche Magenkarzinom-Studie 2 wurden die Daten von 2897 operativ versorgten Magenkarzinom-Patienten aus 141 Kliniken ausgewertet. Es handelt sich damit um die bislang größte retrospektive Datenauswertung, die es in Deutschland zur Magenchirurgie gegeben hat. Die Daten stammen aus den Jahren 2007/2008 und dem Jahr 2009. Die Teilnahme an der bundesweit durchgeführten Studie ist freiwillig.

Die meisten Magenkarzinome werden noch immer in späten Stadien diagnostiziert

Die teilnehmenden Kliniken schicken die dokumentierten Therapieverläufe ihrer Patienten anonymisiert zur zentralen Aufarbeitung an das AN-Institut nach Magdeburg. Die Listen werden mit dem Controlling der jeweiligen Klinik abgeglichen, um sicherzustellen, dass alle in dem Krankenhaus operierten Magenkarzinom-Patienten auch tatsächlich gemeldet wurden.

„Wir haben ein breites Versorgungsspektrum an teilnehmenden Kliniken, darunter Universitätskliniken und Krankenhäuser der Maximalversorgung, aber auch kleinere, sogenannte periphere Häuser. Wir können davon ausgehen, repräsentative Daten zu generieren“, betont Prof. Ridwelski. Bei einer Inzidenz von ungefähr 10 000 operierten Magenkarzinom-Patienten pro Jahr in Deutschland wurden laut Prof. Ridwelski etwa 10 % der Magenkarzinom-Patienten erfasst.

Die Ergebnisse zeigen, dass in Deutschland nach wie vor sehr selten frühe Magenkarzinome diagnostiziert werden. Die überwiegende Mehrzahl der Patienten hat einen fortgeschrittenen Tumor im Stadium T2 bis T4 und in der Regel befallene Lymphknoten. Hier hat sich in den letzten 20 Jahren nicht viel geändert, sagt der Chirurg.

R0-Resektionsrate hat zugenommen bei weniger explorativen Laparotomien

Die Daten zeigen aber, dass die R0-Resektionsrate auf 83,1 % angestiegen ist bei einer Gesamtresektionsrate von 90,7 %. Die Anzahl explorativer Laparotomien ist deutlich rückläufig. „Das ist ein sehr positives Ergebnis“, betont Prof. Ridwelski, „denn die R0-Resektion ist Voraussetzung für eine kurative Chance bzw. ein Langzeitüberleben der Patienten.“

Eine R0-Resektionrate von über 80 % bezeichnet Prof. Ridwelski als ein „gutes Resultat“. Ein höherer Wert ist seinen Worten zufolge unrealistisch, da ein Teil der Patienten palliativ reseziert wird. Zudem ist es technisch operativ oft nicht möglich, einen histologisch tumorfreien Schnittrand zu erzielen. Die positive Entwicklung der letzten Jahre begründet Prof. Ridwelski damit, dass sich die präoperative Diagnostik und die Expertise der Chirurgen verbessert haben.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit muss besser werden

Eine entscheidende Voraussetzung für die Umsetzung des perioperativen Therapiekonzeptes in den klinischen Alltag ist, dass der Chirurg, als in der Regel erster Ansprechpartner, gewillt ist, interdisziplinär zu arbeiten, verdeutlicht Prof. Ridwelski. Dies scheint bundesweit noch nicht überall adäquat zu funktionieren.

Laut der Daten aus 2007/2008 erhielten lediglich knapp 15 % der Patienten mit lokal fortgeschrittenem Magenkarzinom eine perioperative bzw. neoadjuvante Behandlung. Für 2009 erwartet Prof. Ridwelski hier eine Zunahme. Ziel sollte es sein, dass mindestens 40 % der Magenkarzinom-Patienten perioperativ behandelt werden.

Ist die subtotale Resektion eine adäquate Option?

Es gibt immer einige Patienten, die z.B. aufgrund eines sehr schlechten Allgemeinzustandes für das Konzept nicht geeignet sind oder die das Konzept ablehnen. Wichtig ist, dass ein perioperatives Vorgehen von Anfang an interdisziplinär besprochen und unter Beteiligung des Chi-rurgen, des Gastroenterologen und des Onkologen durchgeführt wird. Die zentrale Aufgabe, das Konzept klinisch umzusetzen, hat jedoch der Chirurg, betont Prof. Ridwelski.

Ein weiteres interessante Ergebniss der Deutschen Magenkarzinom-Studie 2 ist laut Prof. Ridwelski, dass etwa die Hälfte der Patienten mit distalem Karzinom nur magenreseziert und nicht gastrektomiert wird. Trotzdem, so der Chirurg, zeigten sich leichte Überlebensvorteile für die subtotal resezierten Patienten.

Die operativen Standards sind weiter gültig

Gleichwohl, unterstreicht Prof. Ridwelski, bleibt die Gastrektomie bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten der operative Standard. Im Einzelfall könnte aber bei Patienten mit T1/T2-Karzinomen mit distalem Sitz auch eine subtotale Magenresektion durchgeführt werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Patienten D2-lymphadenektomiert werden.

Die operativen Standards gelten, so Prof. Ridwelski weiter, unverändert auch im Rahmen eines perioperativen Therapiekonzeptes. Derzeit gibt es keine Daten, dass als Folge der Tumorrückbildung unter neoadjuvanter Therapie eingeschränkt operiert werden kann, ohne das Langzeitüberleben zu beeinträchtigen. Die Daten zeigen, dass dies in Deutschland im Wesentlichen auch so gemacht wird.

Technik der Rekonstruktion irrelevant, Hauptsache man beherrscht sie

Eine optimale Rekonstruktion nach Gastrektomie gibt es nicht, erklärt Prof. Ridwelski. In Deutschland werden überwiegend zwei Methoden eingesetzt: die Ösophago-Jejunostomie oder der Pouch. Beide Verfahren haben ihre Vor- und Nachteile. Grundsätzlich gilt, das Verfahren anzuwenden, das am besten beherrscht wird.

Die Daten der Deutschen Magenkarzinom-Studie 2 sollen auch dazu beitragen, die Therapie weiter zu optimieren. Dabei müssen nach Worten von Prof. Ridwelski zwei Aspekte berücksichtigt werden: die unmittelbare perioperative Ergebnisqualität und die Langzeitergebnisqualität. Beide korrelieren nicht zwingend miteinander. Je radikaler operiert wird, z.B. mit dem Ziel der R0-Resektion, umso höher ist in der Regel die perioperative Morbidität. Trotzdem mag die radikalere Operation Vorteile beim Langzeitüberleben zeigen.

Noch keine Daten zum Langzeitüberleben


So hat laut der Magdeburger Daten nicht nur die R0-Resektionsrate zugenommen, inkl. einer hohen Rate resezierter Lymphknoten, sondern auch die perioperative Letalität ist um 6 % gestiegen. Daten zum Langzeitüberleben liegen noch nicht vor. Wichtig ist, betont Prof. Ridwelski, dass Magenkarzinom-Patienten in spezialisierten Kliniken von erfahrenen Therapeuten behandelt werden. Das können auch kleinere Häuser sein, wenn die Infrastruktur und die Expertise der Ärzte gut sind.

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