Gut geschützt trotz Diabetes: Neue Impfstoffe sorgen für bessere Immunreaktion

Dr. Dorothea Ranft

Gerade für Diabetiker ist eine Impfung wichtig. Gerade für Diabetiker ist eine Impfung wichtig. © iStock/Amornrat Phuchom

Da Menschen mit Diabetes­ deutlich anfälliger für Infektionen sind, profitieren sie besonders von Impfungen gegen Pneumokokken, Influenza- und Herpesviren. Das Angebot an wirksamen Vakzinen wächst.

Ein Diabetes mellitus torpediert das menschliche Immunsystem auf vielfältige Weise, sodass Patienten vermehrt mit Infektionen rechnen müssen. Häufig betroffen sind die oberen Atem- und Harnwege. Aber auch das Risiko für Haut- sowie Weichteilinfektionen oder eine postoperative Wundinfektion liegt im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung höher. Es erscheint daher nur logisch, dass Menschen mit Typ-1 bzw. Typ-2-Diabetes von Schutzimpfungen profitieren. Am Beispiel Pneumokokkenschutz verdeutlicht sich aber auch das Problem, wieso die Durchimpfungsraten von Diabetikern zu wünschen übrig lassen, erklärte Professor Dr. Fred­ Zepp­, Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin an der Mainzer Universitätsmedizin.

Zunächst PCV13, sechs Monate später PPSV23

Unbestritten helfe die Impfung. Über die optimale Strategie streiten Experten jedoch immer wieder. So wirken Polysaccharidvakzine wie PPSV23 zwar gegen eine Vielzahl von Serotypen, erzeugen aber nur eine schwache immunologische Gedächtnisantwort. Die inzwischen für alle Lebensalter zugelassenen Konjugatimpfstoffe (PCV13) führen hingegen zu einer starken Aktivierung des Immungedächtnisses. Außerdem verringern sie die Kolonisation der Rachenschleimhaut, sodass die Impfung im Kindesalter indirekt auch Erwachsene schützt.

Die Ständige Impfkommission (STIKO) vertritt die Meinung, dass für Menschen ab dem 60. Lebensjahr eine Impfung mit PPSV23 genügt. Zumal die im Konjugatimpfstoff enthaltenen Serotypen aufgrund der Kinderimpfung künftig im Erwachsenenalter keine Rolle mehr spielen sollten. Solange dieses Ziel nicht erreicht ist, plädiert der Kollege aus Mainz für eine sequenzielle Impfung: Zunächst mit PCV13, sechs Monate später mit PPSV23. Auch wisse man mittlerweile, dass der Konjugatimpfstoff bei älteren Diabetikern besser wirkt als bei Stoffwechselgesunden.

Prof. Zepp begrüßte zwar die seit 2016 geltende STIKO-Empfehlung, wonach Diabetiker bis zum Alter von 16 Jahren sequenziell geimpft werden sollen, hält dies aber nicht für ausreichend. Wegen der eingeschränkten Wirkdauer sollte der Schutz mit PPSV23 bei Diabetes­patienten alle sechs Jahre wiederholt werden. Die Auffrischung erzeugt eine der ersten Dosis vergleichbare Immunantwort, erklärte er. Dass die Wirkung nachlässt oder es zu verstärkten Lokalreaktionen kommen könnte, wie mancher Kollege in der nachfolgenden Diskussion vermutete, sei seiner Einschätzung nach nur im höheren Alter wahrscheinlich.

Pneumokokkenimpfung derzeit besonders wichtig

In der aktuellen Coronapandemie komme dem Pneumokokkenschutz eine wichtige Rolle zu. Natürlich wirkt die Vakzine nicht gegen das Virus selbst. Aber sie kann mögliche bakterielle Superinfektionen verhindern, die sich bei Diabetikern oft infolge einer vorausgegangenen bakteriellen Bronchitis oder Pneumonie entwickelt. COVID-19-Patienten hätten zudem ein besonders hohes Risiko für solche Sekundärinfektionen. Befürchtungen, dass eine Pneumokokkenimpfung das Immunsystem schwächen könnte, seien laut Prof. Zepp unbegründet. Im Gegenteil, sie dürfte das Immunsystem sogar stimulieren.

Rekombinante Grippevakzine RIV4 noch dieses Jahr erwartet

Auch bei der Influenza gelten Patienten mit Diabetes als Hochrisikogruppe. Die jährliche (!) Impfung kann auch im Januar noch nachgeholt werden und erzielt eine ebenso gute Immunantwort wie bei Stoffwechselgesunden. Allerdings muss man mit zunehmendem Alter mit niedrigeren Antikörpertitern rechnen. Empfohlen werden nur noch quadrivalente Impfstoffe mit zwei A- und B-Komponenten. Sie bieten eine größere Chance, dass die tatsächlich zirkulierenden Virustypen auch abgedeckt werden. Noch in diesem Jahr soll in Europa die neue rekombinante Influenzavakzine RIV4 zugelassen werden, die ohne Hühnereier hergestellt werden kann. Sie enthält rekombinantes Hämagglutinin von vier Influenza­stämmen (2 A, 2 B). Im Vergleich zu einem herkömmlichen quadrivalenten Impfstoff erzielte RIV4 in einer Studie bei Erwachsenen ab 50 Jahren einen um 30 % verbesserten Impfschutz. Die rekombinante Vakzine bietet vor allem Menschen mit erhöhtem Infektionsrisiko wie Diabetikern eine Alternative, so Prof. Zepp. Für die Hepatitis B wurde mit HBsAg-1018 ebenfalls ein neuer Impfstoff entwickelt. Dieser erreicht mit nur zwei Dosen im Abstand von vier Wochen eine bessere und schnellere Immunreaktion als herkömmliche 3-Dosis-Vakzinen. Der in den USA bereits zugelassene Impfstoff enthält als Antigen rekombinant hergestelltes HBsAg und als Adjuvans einen Toll-like Rezeptor-9-Agonisten. Das Molekül 1018 verstärkt die B- und T-zelluläre Immunantwort. Interessant ist diese Vakzine vor allem für Typ-2-Diabetiker mit Nephropathie, die ein besonders hohes Hepatitis-Risiko tragen. Mit dem neuen Impfstoff wurde in diesem Kollektiv eine Seroprotektionsrate von fast 90 % erzielt, deutlich mehr als mit einem herkömmlichen Impfstoff (65 %).

Typ-1-Diabetes statt ­Durchfall?

Impfstoffe gegen Rotaviren standen lange im Verdacht, sie könnten bei Kindern die Manifestation eines Typ-1-Diabetes begünstigen. Nun kommen retrospektive Registerstudien zu dem Schluss, dass womöglich sogar ein protektiver Effekt besteht. Auch wenn die Aussagekraft der Untersuchungen aufgrund der geringen Nachbeobachtungzeit begrenzt ist – die Hypothese, dass die Rotavirusimpfung einen Typ-1-Diabetes auslöst, scheint laut Prof. Zepp widerlegt.

Seit 2018 gibt es in Deutschland den adjuvantierten Zoster-Impfstoff HZ/su. Er nutzt als Antigen ein Strukturprotein des Varizella-Zoster-Virus und erzeugt bei mehr als 90 % der über 50-Jährigen eine Immunantwort. Aufgrund des starken Adjuvans kann es allerdings häufiger zu Schmerzen, Rötungen und Schwellungen an der Injektionsstelle kommen. Auch systemische Nebenwirkungen wie Fieber und Myalgien seien nicht selten, führte Prof. Zepp aus. Wegen der möglichen Verwechslungsgefahr könnte es deshalb in der aktuellen Corona-Situation sinnvoll sein, die Impfung zu verschieben.

Quelle: 15. Diabetologie-Update-Seminar

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