Halluzinationen auf Rezept

Dr. Judith Lorenz

Pilze der Gattung ­Psilocybe werden wegen ihrer psychedelisch wirkenden Inhaltsstoffe auch Magic Mushrooms genannt.
Pilze der Gattung ­Psilocybe werden wegen ihrer psychedelisch wirkenden Inhaltsstoffe auch Magic Mushrooms genannt. © Iarygin Andrii – stock.adobe.com

Psilocybin, eine Substanz aus den sogenannten Magic Mushrooms, kann tatsächlich helfen, schwere Depressionen zu lindern. Doch bei aller Euphorie ist Vorsicht angebracht: Es drohen üble Nebenwirkungen, bis hin zu Suizidgedanken und selbstverletzendem Verhalten.

Für Patienten mit therapierefraktärer Major-Depression gibt es neue Hoffnung: Eine einzige Dosis des Pilzhalluzinogens ­Psilocybin schwächt die Symptome der Erkrankung deutlich ab. Die Sache hat allerdings einen Haken, wie ein Team um Prof. Dr. ­Guy ­Goodwin von der Firma ­COMPASS ­Pathways berichtet: Die Mehrzahl der so Behandelten zeigt teils gefährliche Nebenwirkungen. 

Im Rahmen einer Phase-2-Studie gaben die Wissenschaftler 233 Erwachsenen mit schwerer Depression, die mit den üblichen Verfahren nicht therapierbar war, einmalig synthetisches ­Psilocybin. Je etwa ein Drittel der Patienten erhielt 25 mg, 10 mg bzw. 1 mg (Kontrollgruppe) des Psychedelikums. Angesichts der unvorhersehbaren Rauschzustände erfolgte die Therapie im Rahmen einer mehrstündigen Sitzung, bei der die Studienteilnehmer von äußeren Reizen abgeschirmt und intensiv betreut wurden.

Drei Wochen später zeigten die Patienten mit der höchsten im Vergleich zu denjenigen mit der geringsten Dosis signifikant schwächere Krankheitszeichen. Auch im Hinblick auf das Therapieansprechen und die Remission waren sie gegenüber den Kontrollpersonen im Vorteil. Allerdings erlitten 84 % der mit 25 mg ­Psilocybin Behandelten Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel und Fatigue. Damit nicht genug: Über alle drei Gruppen hinweg berichteten einzelne Studienteilnehmer über Suizidgedanken oder verletzten sich selbst.

Diese Ergebnisse sind sowohl ermutigend als auch ernüchternd, meint Prof. Dr. ­Bertha ­Madras vom ­McLean ­Hospital in ­Belmont in einem Editorial. Insbesondere bezweifelt sie, dass sich die aufwendigen Behandlungsprotokolle im Therapiealltag umsetzen lassen. 

Gegenwärtig sieht Prof. ­Madras den starken Trend, Halluzinogene medizinisch nutzbar zu machen. Derzeit laufen mehr als 180 Studien zur Behandlung der Depression und anderer neuropsychiatrischer Störungen mit ­Psilocybin, LSD* oder ­MDMA**, berichtet die Expertin. Angesichts der Gefahren einer weitgehend unkontrollierten Anwendung der Halluzinogene warnt sie vor der Legalisierung und vorschnellen Kommerzialisierung der Substanzen. Stattdessen hofft sie auf neue Antidepressiva, die zwar wie die ­Psychedelika am serotoninergen 5-HT2A-Rezeptor ansetzen, selbst aber keine bewusstseinserweiternden Effekte zeigen.

*    Lysergsäurediethylamid
**    Methylendioxymethylamphetamin

Quellen: 1. Goodwin GM et al. N Engl J Med 2022; 387: 1637-1648; DOI: 10.1056/NEJMoa2206443 / 2.Madras BK. N Engl J Med 2022; 387: 1708-1709; DOI: 10.1056/NEJMe2210975

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Pilze der Gattung ­Psilocybe werden wegen ihrer psychedelisch wirkenden Inhaltsstoffe auch Magic Mushrooms genannt.
Pilze der Gattung ­Psilocybe werden wegen ihrer psychedelisch wirkenden Inhaltsstoffe auch Magic Mushrooms genannt. © Iarygin Andrii – stock.adobe.com