Halten Sie es mit der STIKO oder der SIKO?

Dr. Elke Ruchalla

Sequenziell lässt es sich besser gegen Pneumokokken impfen und schützen. Sequenziell lässt es sich besser gegen Pneumokokken impfen und schützen. © Alexey Novikov – stock.adobe.com

Beim Thema Pneumokokken­impfung sind sich Deutschlands Experten nicht ganz einig. Dass über 60-Jährige und Risikogruppen immunisiert werden sollen, wird zwar von allen propagiert. Dissens besteht jedoch in puncto Immunisierungsschema­.

Ab dem Alter von etwa 60 Jahren fängt die Immunabwehr an zu schwächeln. Das Risiko, nach Kontakt mit Pneumokokken eine schwere und potenziell tödliche Infektion zu entwickeln, steigt deutlich. Erhöhte Gefahr besteht auch für Immunsupprimierte und bei bestimmten Komorbiditäten. Ist eine schwere Pneumokokken­infektion überstanden, gibt es immer noch keine Entwarnung: Im Vergleich zu alters- und geschlechtsgematchten Kontrollen haben die Betroffenen ein mehr als doppelt so hohes 5-Jahres-Mortalitätsrisiko.

Erst PCV13, dann PPV23 oder nur PPV23?

Eine der Ursachen ist, dass die Infektion über eine starke Inflammation akut sowie langfristig zu kardiovaskulären Komplikationen führt, schreiben Professor Dr. Mathias Pletz vom Institut für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Jena und Dr. Christina­ Bahrs von der Medizinischen Universitätsklinik Wien. Bis zur invasiven Pneumokokkenpneumonie muss man es aber nicht kommen lassen, denn seit vielen Jahren stehen wirksame Impfstoffe zur Verfügung. In Deutschland zugelassen sind derzeit verschiedene Vakzinetypen: 

  • ein Polysaccharidimpfstoff und
  • zwei Konjugatimpfstoffe.

Die Polysaccharidvakzine enthält Polysaccharide von 23 der mehr als 90 Pneumokokkenserotypen. Sie stimuliert die B-Zellen und schützt zu 73 % vor einer invasiven Infektion. Bei Immunsupprimierten ist sie allerdings nur eingeschränkt wirksam, ein Schutz vor nicht-bakteri­ämischen Infektionen ließ sich nicht eindeutig nachweisen, schreiben Prof. Pletz und Dr. Bahrs. Die Konjugatimpfstoffe enthalten 10 bzw. 13 Serotypen, wobei die Polysaccharide an ein hochimmunogenes Trägerprotein gebunden sind. Dadurch werden auch die T-Zellen stimuliert, Gedächtniszellen gebildet und die Schleimhautimmunität gebessert.

Welcher Patient sollte wann welche Impfung erhalten? Nicht nur was die Standardimmunisierung von Erwachsenen über 60 Jahre angeht, streiten sich die Gelehrten. STIKO und Sächsische Impfkommission (SIKO) propagieren unterschiedlich Konzepte. Für Prof. Pletz und Dr. Bahrs ist unstrittig, dass die sequenzielle Impfung den besten Schutz bietet. Dabei erhält der Patient zunächst PCV13, Monate später dann PPV23. Diese Reihenfolge darf man nicht einfach umkehren, warnen die beiden Kollegen, denn nach einer ersten Impfung mit PPV23 fällt die Impfreaktion auf PCV13 geringer aus. Manche Fachleute meinen allerdings, dass sich das Problem bei ausreichend langem Abstand zwischen den beiden Impfungen von selbst erledigt.

Die SIKO spricht sich im Hinblick auf die „Alten“ für die sequenzielle Strategie mit einem PCV13-PPV23-Intervall von mindestens einem Jahr aus, während die STIKO die alleinige PPV23-Impfung für ausreichend hält und zur Wiederholungsimpfung nach frühestens sechs Jahren bei individueller Indikationsstellung rät. Die SIKO sieht die erneute PPV23-Gabe nach fünf Jahren vor.

Sequenzielle Impfung für alle vs. nur bei Immunsuppression

Ein unterschiedliches Bild ergibt sich auch bei den Indikationsimpfungen für Risikogruppen. Die SIKO empfiehlt in jedem Fall die sequenzielle Impfung, verkürzt allerdings das Intervall zwischen PCV13 und PPV23 auf ≥ 8 Wochen. Die STIKO plädiert für die sequenzielle Impfung bei Patienten mit angeborener oder erworbener Immunsuppression – dazu gehören auch diejenigen mit nephrotischem Syndrom und chronischer Nieren- und/oder Leberinsuffizienz – sowie bei Menschen mit anatomischen Besonderheiten (u.a. Liquorfistel und Cochlea-Implantat).

Dissens auch bei Kindern und Jugendlichen

Das PCV13-PPV23-Intervall soll für diese Gruppen sechs bis zwölf Monate betragen. Patienten im Alter ≥ 16 Jahre mit sonstigen chronischen Krankheiten, etwa Herz- oder Lungenerkrankungen, Diabetes mellitus, neurologischen Störungen, erhalten nach dem Willen der STIKO ausschließlich PPV23.

Nur mit der Polysaccharidvakzine geimpft werden laut STIKO auch Personen, die gegenüber Metallrauch exponiert sind (zum Beispiel Schweißer) und dadurch stärker Gefahr laufen, an einer Pneumokokkenpneumonie zu erkranken. Eine erneute Immunisierung erfolgt frühestens nach sechs Jahren, sofern die Indikation weiter besteht. Die SIKO weicht auch in diesem Fall nicht von ihrer sequenziellen Linie mit einem PCV13-PPV23-Intervall von mindestens acht Wochen und der erneuten PPV23-Impfung nach fünf Jahren ab.

Quelle: Pletz MW, Bahrs C. Internist 2021; 62: 807-815; DOI: 10.1007/s00108-021-01100-2

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Sequenziell lässt es sich besser gegen Pneumokokken impfen und schützen. Sequenziell lässt es sich besser gegen Pneumokokken impfen und schützen. © Alexey Novikov – stock.adobe.com