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Hodenhochstand: Abwarten vereitelt Vaterfreuden
Der Hodenhochstand ist die häufigste genitale Fehlbildung: Deszensusstörungen finden sich bei etwa 1 bis 4 % der termingerecht geborenen Jungen (Frühgeborene 45 %). Die Mehrheit der fehlgelagerten Testikel deszendiert im ersten Halbjahr. Ein verspäteter Deszensus nach dem 6. Lebensmonat ist unwahrscheinlich, so der Kinderurologe Dr. Bernhard Haid vom Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Linz.
Pendelhoden bis zur Pubertät kontrollieren
Als normal gilt eine Hodenposition etwa in der Mitte des Skrotums bzw. darunter (bei entspannten Untersuchungsbedingungen). Pendelhoden wechseln zwischen skrotaler und inguinaler Lage und gelten als physiologische Variante des deszendierten Hodens. Sie müssen bei überwiegend skrotaler Position nicht behandelt, aber bis zur Pubertät regelmäßig kontrolliert werden. Denn 10 bis 15 % der betroffenen Jungen entwickeln einen therapiebedürftigen permanenten Hochstand.
Eine weitere Variante, der Gleithoden, lässt sich zwar durch sanften Zug des Untersuchers bis ins Skrotum bewegen, wandert aber nach dem Loslassen zurück in die Leistengegend. Aufgrund der fast permanent extraskrotalen Lage besteht auch hier eine Therapieindikation.
Selbstverständlich bedarf auch der Leistenhoden, der sich meist zwischen innerem und äußerem Inguinalring tasten lässt, der Therapie. Von einem Kryptorchismus spricht man, wenn außerhalb des Skrotums gelegene Testes nicht palpabel sind. Durch eine sonographische Lokalisation lassen sich Laparoskopien vermeiden. Eine Hodenektopie besteht, wenn der Hoden den normalen Deszensusweg verlassen hat und sich z.B. am Oberschenkel oder an der Peniswurzel befindet.
Temperaturerhöhung schadet den Keimzellen
Das entscheidende Argument für die Frühtherapie des Hodenhochstands ist der Fertilitätserhalt. Schließlich weiß man inzwischen, dass die Keimzellen schon sehr früh geschädigt werden, vermutlich wegen der Temperaturerhöhung. Besonders kritisch ist die Situation bei beidseitigem Hochstand. In Männerkollektiven mit bilateralem Hodenhochstand, die teilweise erst spät behandelt wurden, registrierte man Vaterschaftsraten von nur 48 % bis 65 %.
Leitlinien-Zwist bei der Hormontherapie |
Geht es um die Behandlung des Hodenhochstands, sind sich nationale und internationale Leitlinien in den meisten Punkten einig. Doch insbesondere die Hormontherapie wird unterschiedlich bewertet. Während die US-Experten ganz von der Methode abraten, sieht die europäische Gesellschaft für Urologie Anlass zur individuellen Evaluation. Die Kollegen aus Österreich empfehlen eine Hormontherapie mit GnRH zum präoperativen Priming der Gonadozyten. In Deutschland dürfen GnRH oder hCG ab dem 6. Lebensmonat verabreicht werden, um einen Deszensus zu erreichen. |
Falls die Frühtherapie versäumt wird, sollten die betroffenen Jungen spätestens vor der Pubertät operiert werden – wegen des Risikos für Keimzellmalignome: Es ist bei extraskrotaler Lage des Hodens etwa ab einem Alter von zehn Jahren deutlich erhöht. In den Empfehlungen der Fachgesellschaften wurde der Zeitpunkt für den Therapiebeginn immer früher angesetzt: Heute ist Zuwarten nur noch im ersten Lebenshalbjahr erlaubt, denn danach kommt es nur noch selten zu einem spontanen Deszensus.
Bei fortbestehendem Hochstand wird behandelt, dabei kann die operative Sanierung durch eine Hormontherapie ergänzt werden. Chirurgische Methode erster Wahl ist die inguinale Orchidopexie, sie sollte spätestens bis zum Ende des 1. Lebensjahres erfolgt sein. Von einer präoperativen Therapie mit intranasalem Gonadotropin-releasing Hormon (GnRH) oder GnRH-Analoga (z.B. Gonadorelin) profitieren am ehesten Kinder mit stark erhöhtem Risiko für eine spätere Infertilität (beidseitiger Hochstand).
Die Behandlung kann ab dem 6. Lebensmonat begonnen werden. Sie führt zwar nur bei weniger als 20 % der Kinder zu einem dauerhaften Deszensus. Es gibt jedoch Hinweise auf eine fertilitätsprotektive Wirkung. Beim sog. Priming werden fetale Spermatogonien in die adulte Form umgewandelt. Dieser Schritt ist für die Fertilität wichtig und kann durch eine frühe Hormontherapie induziert werden (Hauptbenefit vor dem 1. Geburtstag).
Auch Jungen mit sekundär aszendiertem Hoden sollen wegen der eingeschränkten Fertilitätsprognose baldmöglichst operiert werden, rät Dr. Haid. Ursache ist häufig ein wachstumsbedingtes Rezidiv nach frühkindlicher Orchidopexie. Aber auch bei initial skrotaler Lage oder Pendelhoden (Kontrollen!) kann sich im 5. und 8. Lebensjahr ein Hodenhochstand entwickeln.
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