Homöopathie und Medizin an der Universität sind kein Widerspruch

Christine Vetter

Homöopathie ist am Dr. von Haunerschen Kinderspital in München fest etabliert. Ist diese Heilmethode denn Teil der modernen Medizin, Frau Dr. Kruse?

Wie stellt man sich das Wirkprinzip der Homöopathie vor?

Dr. Kruse: Die Homöopathie ist eine Reiz- und Regulationstherapie. Durch den Reiz der passenden Arznei will man Regulation erreichen, d.h. die Selbstregulationskräfte des Körpers anregen und den Organismus wieder ins Gleichgewicht bringen. Die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen der Homöopathie sind damit klar umrissen.
Ich möchte die Homöopathie in einem Satz definieren, der alle wichtigen Kennzeichen der Homöopathie enthält: Die Homöopathie ist eine ärztliche Therapieform mit Einzelmitteln, die am gesunden Menschen geprüft und in potenzierter Form nach der Ähnlichkeitsregel angewendet werden.
Diese Ähnlichkeitsregel ist das Herzstück der Homöopathie. Sie besagt, dass man Ähnliches mit Ähnlichem heilen kann. Das, was eine Arznei beim Gesunden hervorruft, kann sie beim Kranken heilen. Lassen Sie mich dies mit einem Beispiel erklären. Jeder hat schon einmal eine Zwiebel geschnitten und weiß, was passiert: Die Augen tränen, die Nase tropft wässrig und an der frischen Luft wird alles besser. Berichtet ein Patient mit einem Infekt und wässriger Rhinitis, dass an der frischen Luft alles gut ist, nach Betreten eines warmen Zimmers die Nase aber wieder läuft, dann kann man seine Infektion durch die Gabe von Zwiebel, also durch das homöopathische Mittel Allium cepa, abkürzen. Die Kunst in der Homöopathie ist es, die genau passende Arznei für den einzelnen Patienten zu finden.

Verträgt sich die Schulmedizin mit der Homöopathie?

Dr. Kruse: Die Homöopathie ist Teil der modernen Medizin, in der wir immer die bestmögliche Therapie für den einzelnen Patienten verordnen wollen. Das kann die konventionelle Medizin, die Homöopathie oder ein chirurgischer Eingriff sein – je nach Krankheitsbild.
Die Homöopathie erweitert unsere Therapiemöglichkeiten auch in der Kinderklinik. Wenn es gelingt, die genau passende Arznei zu finden, wird der Patient darauf positiv reagieren, auch wenn er zusätzlich schulmedizinische Medikamente benötigt. Es gibt viele Bereiche der konstruktiven Zusammenarbeit, insbesondere dort, wo unsere konventionellen Behandlungsmöglichkeiten unzufrieden sind.

Welche Krankheiten kann man homöo­pathisch (mit-)behandeln?

Dr. Kruse: Es gibt eine ganze Reihe von Krankheitsbildern, die gut auf eine homöopathische Behandlung ansprechen, beispielsweise Allergien, Asthma, Neurodermitis, fieberhafte Virusinfektionen, Gastro­enteritis, Infektanfälligkeit und chronische Harnweginfektionen. Bei Säuglingen kommen auch Zahnungsbeschwerden und Blähungen in Betracht. Ältere Kinder mit ADS oder ADHS, Migräne, Epilepsie, Tic-Störung, Entwicklungsretardierung oder Schulschwierigkeiten können ebenfalls erfolgreich mit Homöopathie behandelt werden.
In der Notfallambulanz unserer Klinik überwiegen die akuten Krankheitsbilder, die wir begleitend homöopathisch behandeln. Hier sehen wir ähnliche Erkrankungen wie in der Kinderarztpraxis. Darüber hinaus haben wir viele chronisch kranke Kinder längerfristig in Betreuung, die wir gemeinsam mit den Spezialambulanzen homöopathisch behandeln.

Ist die homöopathische Anamnese im „normalen“ Praxisablauf zu gewährleisten?

Dr. Kruse: Bei chronisch kranken Kindern ist immer eine ausführliche homöopathische Anamnese notwendig. Bei akuten Krankheiten, z.B. in der Notfallambulanz, trägt die Lokalsymptomatik im Sinne eines vollständigen Lokalsymptoms dazu bei, um recht rasch das individuell passende Arzneimittel zu finden. Mit sechs bis sieben gezielten Fragen bekommen wir eine Vorstellung von dem einzelnen Patienten und können in recht kurzer Zeit individuell die für ihn passende Arznei finden. Das ist meiner Ansicht nach auch in einer Kinderarztpraxis gut möglich.

Welchen Stellenwert haben homöopathische Komplexmittel?  

Dr. Kruse: Komplexmittel sind der Versuch, die Arzneimittelfindung zu vereinfachen. Man mischt z.B. fünf Arzneien, die sich bei Husten bewährt haben, zusammen und verordnet sie aufgrund der Diagnose Husten und nicht aufgrund der individuellen Symptomatik des einzelnen Patienten. Mit homöopathischen Einzelmitteln können wir bessere und langfristigere therapeutische Ergebnisse erreichen als mit Komplexmitteln. Nur mit Einzelmitteln können wir die Ähnlichkeitsregel der Homöopathie beherzigen.

Ist die umfangreiche Ausbildung in Homöopathie Voraussetzung, um erste homöopathische Behandlungsversuche unternehmen zu können?

Dr. Kruse: Die Ausbildung zum Erwerb der Zusatzbezeichnung „Homöopathie“ dauert insgesamt drei Jahre und ist die Basis für die homöo­pathische Behandlung, insbesondere bei chronischen Krankheiten. Allerdings sollte jeder, der sich mit Homöopathie beschäftigt und sie erlernen möchte, eigene Erfahrungen mit homöopathischen Globuli beim Patienten sammeln, z.B. mithilfe der „Bewährten Indikationen“ nach Dorcsi. Dahinter stecken die Erfahrungen von Generationen homöopathischer Ärzte mit einzelnen homöopathischen Mitteln bei bestimmten akuten Krankheiten. Eigene praktische Erfahrungen mit Globuli überzeugen viel mehr als die Theorie. Für das Lernen der Homöo­pathie gilt dasselbe wie für das Lernen einer Sprache: Nur durch praktische Anwendung können wir sie wirklich lernen und beherrschen.

Am Dr. von Haunerschen Kinderspital leiten Sie den Bereich Homöopathie. Worum geht es in diesem Projekt?

Dr. Kruse: Das Projekt „Homöopathie in der Pädiatrie“ wurde 1995 von Professor Mathias Dorcsi, Begründer der Wiener Schule der Homöopathie, und der Münchner homöopathischen Kinderärztin Dr. Mira Dorcsi-Ulrich initiiert. Es ermöglicht, die Patienten des Dr. von Haunerschen Kinderspitals sowohl im ambulanten wie im stationären Bereich begleitend homöopathisch zu behandeln. Inzwischen ist die Homöopathie an dieser renommierten Universitätskinderklinik so weit integriert, dass homöopathische Konsile von allen Stationen angefordert werden, vor allem von der Onkologie, der Kinderchirurgie und der Neonatologie. Auch die Zusammenarbeit mit den Spezialambulanzen ist sehr gut, insbesondere mit der Neuropädiatrie, der Pulmonologie und der Gastroenterologie.

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