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Hundebiss: Wunde doch primär verschließen?!
Hundebisse stammen zu 90 % vom eigenen oder einem bekannten Hund. Bei Erwachsenen und größeren Kindern sind meist Hände oder Beine betroffen. Kinder unter fünf Jahren werden durch die Hundezähne jedoch zu 80 % im Gesicht, am Kopf oder im Nacken verletzt. Der Grund: Die Kinderköpfe befinden sich wegen der geringen Körpergröße für den Hund in praktischer Beißhöhe, verdeutlichte Professor Dr. Udo Rolle von der Klinik für Kinderchirurgie der Universitäts-Klinik Frankfurt.
Kinder werden am häufigsten zu Bissopfern: Ein Viertel der Patienten sind unter sechs Jahre alt und ein weiteres Drittel zwischen sechs und 17 Jahren, erläuterte der Referent auf der gemeinsamen Jahrestagung der DGPI1 und der DGI2.
Fotodokumentation der Bisswunden nicht vergessen!
Zunächst beurteilt man nach einem Hundebiss den Allgemeinzustand des Patientent, inspiziert die Wunde und prüft, ob möglicherweise Muskeln, Sehnen oder Nerven beteiligt sind. Außerdem sollten Frakturen ausgeschlossen werden. Auch aus forensischen Gründen ist es wichtig, den Befund mit Fotos zu dokumentieren.
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Typische Lokalisation: Dieses zweijährige Kind wurde vom Hund des Großvaters in den Kopf gebissen. Der Kopf des kleinen Jungen befand sich genau in Maulhöhe des Hundes, der auch das Ohr erwischte.
Eine Bisswunde wird eingeteilt in drei Grade: Grad I sind oberflächliche Hautläsionen, meist als Riss-, Kratz- oder Quetschwunden. Bei Grad II reicht die Wunde bis zur Faszie, zur Muskulatur oder zum Knorpel. Mit Grad III bezeichnet man tiefe Wunden mit Gewebsnekrose und/oder Substanzverlust.
Zeitpunkt des Hundebisses für die Behandlung entscheiden
Wichtige Fragen bei der Anamnese: Zeitpunkt und ggf. Anlass des Bisses, welches Tier hat gebissen und wer ist der Besitzer? Vor allem im Hinblick auf eine eventuell nötige Tollwutimpfung sollte man auch nach Auffälligkeiten im Verhalten des Tieres fragen.
Eine Rabiesimpfung wird allerdings nur selten erforderlich, weil die meisten Hunde geimpft sind und die Tollwut in Deutschland als ausgerottet gilt. Die Tetanus-Immunisierung steht dagegen ganz vorn auf der Liste. Hier gibt es ein standardisiertes Vorgehen, je nach Impfstatus des Patienten.
Sparsames Débridement besonders im Gesicht
Therapeutisch wird die Wunde gesäubert (z.B. mit 1 % Organojodlösung) und gespült (mit 0,9 % NaCl). Es folgt ein Débridement, bei dem avitales Gewebe entfernt wird. Hier sollte man vor allem im Gesicht sparsam vorgehen, um die Narben klein zu halten, warnte der Kollege.
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Solche Bisswunden kann man primär verschließen: Ein Kind wurde am Oberarm erwischt, ein anderes am Unterarm.
Fotos: Professor Dr. Udo Rolle, Frankfurt
Von den früher empfohlenen großzügigen Wundausschneidungen sieht man inzwischen ab. Die Wunde wird in der Regel auch primär verschlossen, nur ausnahmsweise strebt man noch eine sekundäre Wundheilung an. Verletzte Extremitäten brauchen zudem eine Ruhigstellung und wenn eine i.v.-Antibiotikatherapie notwendig wird, muss das Kind stationär aufgenommen werden.
In den Finger gebissen: Antibiotikaprophylaxe
Prophylaktisch mit Antibiotika zu behandeln, ist nur bei erhöhter Infektionsgefahr empfehlenswert. Diese Entscheidung muss individuell getroffen werden, so der Referent. Um das Risiko abzuschätzen, sollte man abklären, ob eine Grundkrankheit besteht, wie es mit der Immunabwehr steht (Immunsuppression?, Splenektomie?).
Während sich Katzenbisse zu 50 % der Fälle infizieren, wird dies bei Hundebissen nur in 4 bis 25 % der Fälle beobachtet. Auch Bisse von Nagetieren neigen eher zur Infektion. Ein erhöhtes Risiko geht von verschmutzten, tiefen oder stichähnlichen Wunden aus und besteht auch bei ausgedehnter Gewebszerstörung. Die gebissene Körperregion spielt ebenfalls eine Rolle. So wird man Patienten mit Wunden am Finger, im Gesicht, an den Füßen oder den Genitalien bevorzugt prophylaktisch mit Antibiotika behandeln.
Infektionsrisiko nicht überschätzen
Ob ein Wundabstrich genommen werden sollte, ist nicht eindeutig geklärt. Falls primär eine Keimbestimmung erfolgt ist, kann bei einer eventuellen Infektion gleich gezielt therapiert werden.
In Leipzig haben die Kollegen bei 105 von 264 Bisswunden Abstriche genommen. Obwohl in mehr als zwei Dritteln des Abstrichmaterials Keime nachweisbar waren, kam es bei diesen nur in vier Fällen zu einer Infektion. 95 % der Wunden heilten primär.
1 Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie
2 Deutsche Gesellschaft für Infektiologie
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