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Ihr Praxiskonzept für Tinnitus-Patienten
Etwa 11 bis 13 Millionen Bundesbürger empfinden von Zeit zu Zeit Ohrgeräusche. Ob diese Krankheitswert erlangen, hängt entscheidend von der Wahrnehmung und dem Leidensdruck der Patienten ab, sagte Professor Dr. Birgit Mazurek, Direktorin des Tinnituszentrums an der Berliner Charité, im Gespräch mit Medical Tribune.
Aus Studiendaten geht hervor, dass etwa ein Drittel aller Menschen mit Hörstörungen auch unter einem Tinnitus leidet. Außerdem: Hörstörungen und Tinnitus betreffen deutlich mehr Menschen als viele andere deutlich stärker wahrgenommene Krankheiten, etwa M. Parkinson, Multiple Sklerose oder M. Alzheimer, betonte Prof. Mazurek. Die Tinnitus-Manifestationen zeigen zwei Häufigkeitsgipfel: Der erste liegt bei einem Patientenalter von etwa 30 Jahren und der zweite um das 65. bis 70. Lebensjahr.
Den wichtigsten Risikofaktor stellen wahrscheinlich die Lärmbelastung und die daraus resultierenden Schädigungen des Innenohrs dar. Die meisten Patienten mit einem Tinnitus haben auch eine Hörminderung. Diese kann sich in Form eines akuten Hörsturzes präsentieren. Darüber hinaus können andere Erkrankungen zu Tinnitus führen. Relevant sind dabei schlecht eingestellter Diabetes, Schilddrüsenleiden, Hypertonie, Halswirbelsäulenprobleme oder Medikamente wie Acetylsalicylsäure und NSAR. Ein Tinnitus bleibt in diesen Fällen häufig als Residuum zurück. Man findet Ohrgeräusche aber auch bei schleichend aufgetretener Hörminderung als Begleitsymptom oder als isoliertes klinisches Problem.
Störungen an zentralen Hörschaltstellen
Welche Vorstellungen gibt es zur Pathogenese? Nach jetzigem Wissensstand spielen periphere und zentrale Prozesse eine Rolle. In der Peripherie finden sich überwiegend Schädigungen im Bereich der Hörsinneszellen (Haarzellen), etwa äußere Schäden der Zellen, Depolarisations- oder Durchblutungsstörungen. Auf diese Weise kommt es in den zentralen Hörschaltstellen zu Veränderungen der synaptischen Übertragung im Sinne einer Hyperaktivität – was wiederum verschiedene Gene für Proteine, Ionenkanäle und Neurotransmitter verändert. Letztendlich wird die Erregung verstärkt und die Inhibition abgeschwächt.
Purer Tinnitus oder begleitender Hörsturz?
Entscheidend ist, ob der Patient das Ohrgeräusch als störend und belastend empfindet. Dabei sind weitere Hirnregionen, etwa das limbische System und die Thalamusregion, von Bedeutung.
Dieses Wechselspiel, bei dem
auch Stress eine wichtige Rolle spielt, konnte noch nicht in allen Einzelheiten aufgeklärt werden,
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ein Hörsturz, sind zusätzlich für einige Tage Kortikosteroide (z.B. 250 mg Prednison i.v.) einzusetzen. In
diesem Stadium besteht noch eine echte Heilungschance, die auch genutzt werden sollte.
Hält das Ohrgeräusch hingegen länger als drei Monate an, spricht man von einem chronischen Tinnitus. Auch damit kommen einige Menschen gut zurecht – sie brauchen nur eine Beratung und ggf. Anleitung zum Stressabbau. Bei anderen wiederum ist der Leidensdruck extrem hoch, bis hin zu Depressivität und Suizidalität. Diese Patienten benötigen eine multimodale Therapie, wie sie in spezialisierten Tinnituszentren angeboten wird. Manche bevorzugen es, sich in einer Tagesklinik behandeln zu lassen. In einigen Fällen ist es aber wichtig, dass Betroffene stationär betreut werden, um sie für einige Zeit aus ihrem Umfeld „herauszunehmen“.
Misstrauen gegen alternative Methoden ist angebracht
Die leitliniengerechte Therapie beruht auf mehreren Säulen:
1. Aufklärung und individuelle Beratung („Counselling“)
2. Stressbewältigung
3. Gegebenenfalls Verhaltensmodifikation („Retraining“)
4. „Hörtraining“ (z.B. Umlenkung der Aufmerksamkeit auf angenehme Schallerlebnisse)
Das Ziel ist dabei, den Patienten zu vermitteln, dass es sich um ein Wahrnehmungsproblem handelt und man sich dieses wieder „abtrainieren“ kann. Es geht letztlich nicht darum, das Ohrgeräusch zu „heilen“.
Im Hinblick auf die immer wieder propagierten alternativen Ansätzen riet Prof. Mazurek zur Zurückhaltung. Bisher wurde mit keiner dieser Methoden einschließlich der transkraniellen Stimulation ein echter Durchbruch erzielt. Dies gilt auch für alle medikamentösen Ansätze.
Quelle: MT-Recherche
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