Immunadsorption bringt Besserung bei einigen Nervenkrankheiten

Dr. Angelika Bischoff

Auch bei Verdacht auf eine Autoimmunenzephalitis sollte man Liquor und Serum auf spezifische Autoantikörper testen. Auch bei Verdacht auf eine Autoimmunenzephalitis sollte man Liquor und Serum auf spezifische Autoantikörper testen. © Matthieu – stock.adobe.com

Autoimmunität spielt bei einigen neurologischen Erkrankungen eine wichtige Rolle. Mittels Immunadsorption können Autoantikörper und Immunkomplexe aus dem Patientenblut entfernt werden. Diese komplikationsarme Alternative zum Plasmaaustausch kann aus der Krise helfen.

Die Immunadsorption wird immer häufiger bei einer Reihe von autoimmun vermittelten neurologischen Erkrankungen genutzt. Das eigene, von den krankmachenden Autoantikörpern und Immunkomplexen gereinigte Plasma wird den Betroffenen anschließend zusammen mit den Blutzellen zurückgegeben. Anders als beim Plasmaaustausch fällt die Substitution mit Fremdproteinlösungen weg – zudem ist die Immunadsorption nebenwirkungsärmer und besser verträglich. Ein Autorenteam um Dr. Franz Heigl, Medizinisches Versorgungszentrum Kempten, verschafft einen Überblick über die wichtigsten Indikationen.

Üblicherweise werden mit nicht-regenerierbaren Adsorbern in einer Sitzung 2 bis 2,5 Liter Plasma behandelt. Regenerierbare Adsorber machen es möglich, das 2,5- bis 3-fache Volumen zu bearbeiten. 

Neurologische Klinik sollte mit Apheresezentrum kooperieren

Beim Zugang mittels sonografisch unterstützter Armvenenpunktion über periphere Venen ist der zentrale Venenkatheter in 95 % der Fälle nicht nötig. Idealerweise kooperieren dafür die neurologische Klinik und ein erfahrenes Apheresezentrum, schreibt das Autorenteam.
Die häufigste autoimmunvermittelte neurologische Erkrankung ist die Multiple Sklerose. Akute Schübe werden meist mit einer Glukokortikoid-Pulstherapie (0,5–1 g Methylprednisolon an drei bis fünf Tagen) behandelt. Bestehen weiterhin funktionell beeinträchtigende Symptome, kommt laut Leitlinie auch eine Immunadsorption neben dem Plasmaaustausch zum Einsatz. Beide Aphereseverfahren scheinen zudem effektiver zu sein als eine zweite, höher dosierte Glukokortikoid-Pulstherapie (2 g Methylprednisolon). Das ist für den Spezialfall einer schwangeren MS-Patientin von besonderer Bedeutung (s. Kasten).

Immunadsorption bei Schwangeren mit MS

Etwa jede vierte MS-Patientin erleidet während der Schwangerschaft einen klinisch relevanten Schub. Die hoch dosierte Glukokortikoid-Pulstherapie ist besonders im ersten Trimenon mit teils schweren Risiken behaftet. Die Immunadsorption wird daher häufig als primäres Verfahren bei schweren, steroidrefraktären Schüben optional empfohlen. Durch diese Apherese bleiben zudem wichtige körpereigene Hormone und Gerinnungsfaktoren im Plasma erhalten.

Insgesamt liegen die Ansprechraten der Therapieformen laut klinischen Studien zwischen 60 % und 90 %. Bei der Behandlung steroidrefraktärer MS-Schübe zeigte sich die Immunadsorption gegenüber dem Plasmaaustausch überlegen. Fünf bis sechs Sitzungen der Immunadsorption innerhalb von 14 Tagen reichen meist aus, so die Forschenden.

Eine weitere Indikation für die Immunadsorption stellen steroidrefraktäre Schübe einer Neuro­myelitis-optica-Spektrum-Erkrankung dar. Denn diese Schübe bilden sich häufig sehr schlecht zurück. In der Regel werden fünf bis sieben Behandlungen innerhalb von 14 Tagen durchgeführt. Zur klinischen Stabilisierung kann die Therapie auch bis hin zu einer intermittierenden Langzeittherapie alle zwei bis zwölf Wochen ausgedehnt werden.

Das Aphereseverfahren ist auch bei einer drohenden oder manifesten myasthenen Krise oder mit dem Beginn einer Steroid-Pulstherapie bei schwerer Myasthenie indiziert. Die Immunadsorption hilft anscheinend schneller als ein Plasmaaustausch – innerhalb weniger Stunden geht es Betroffenen besser. Im Normalfall reichen drei bis acht Behandlungen alle zwei Tage aus.

Nervenschäden durch raschen Behandlungsstart verhindern

Auch bei einigen Immunneuropathien lohnt der Einsatz des Aphereseverfahrens. Das ist bspw. bei einem schweren Guillain-Barré-Syndrom, das seit maximal vier Wochen besteht, der Fall. Ein schneller Behandlungsbeginn ist essentiell, um irreversible Nervenschäden zu verhindern. Mit vier bis sechs Sitzungen innerhalb von ein bis zwei Wochen ist man meist am Ziel, schreibt das Autorenteam. Ähnliches gilt für die chronisch-inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie.

Auch bei Verdacht auf eine Autoimmunenzephalitis sollte man Liquor und Serum auf spezifische Autoantikörper testen. Schon vor Eintreffen des Befundes ist es ratsam, mit der Apherese zu beginnen. Als First-Line-Therapie gilt die Kombination aus hoch dosierten Steroiden und einer Immuntherapie (Plasmaaustausch, Immunadsorption oder intravenöses Ig). Ein früher Behandlungsbeginn verbessert hierbei die Prognose, und mit fünf bis zehn Sitzungen der Immunadsorption ist eine klinische Besserung zu erreichen.

Quelle: Heigl F et al. Nephrologie 2024; DOI: 10.1007/s11560-024-00800-8

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Auch bei Verdacht auf eine Autoimmunenzephalitis sollte man Liquor und Serum auf spezifische Autoantikörper testen. Auch bei Verdacht auf eine Autoimmunenzephalitis sollte man Liquor und Serum auf spezifische Autoantikörper testen. © Matthieu – stock.adobe.com