Influenza: Wann es Zeit wird für Virostatika

Dr. Andrea Wülker

Grippekranke sollten erst nach 24-stündiger Fieberfreiheit wieder zur Arbeit oder Schule gehen. Grippekranke sollten erst nach 24-stündiger Fieberfreiheit wieder zur Arbeit oder Schule gehen. © fotolia/underdogstudios

Bei ansonsten Gesunden verläuft eine Influenza meist selbstlimitierend. Doch u.a. Senioren und stark Adipöse haben ein erhöhtes Risiko für Grippe-Komplikationen. Bricht die Erkrankung bei diesen Personen aus, können sie von Virostatika profitieren.

Ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Antipyretika und Ruhe – diese symptomatische Therapie reicht bei einer unkomplizierten Influenza-Infektion meist aus. Zudem sollten Grippekranke erst nach 24-stündiger Fieberfreiheit wieder zur Arbeit oder Schule gehen, um eine Übertragung auf andere Personen möglichst zu verhindern, schreiben Sam Ghebrehewet von Public Health England North West in Liverpool und Kollegen.

Zur Prävention der Influenza und ihrer Komplikationen empfehlen die Autoren grundsätzlich die jährliche Grippeimpfung für Risikogruppen wie über 65-Jährige und Patienten mit chronischen Krankheiten. Auch Personen mit erhöhter Keimexposition, Bewohner von Alten-/Pflegeheimen, Kinder und Jugendliche im Alter von 2–17 Jahren sowie diejenigen, die das Virus auf vulnerable Individuen übertragen könnten, sollten die Vakzine erhalten.

Weniger begleitende
 bakterielle Infektionen

Erwischt die Infektion insbesondere eine Risikoperson, kann sie schwer oder sogar tödlich verlaufen. Solche Patienten können von einer antiviralen Therapie mit einem Neuraminidasehemmer profitieren, so die Experten. Oseltamivir und Zanamavir hemmen die Virusfreisetzung und bremsen deren Replikation. Einer Metaanalyse zufolge traten unter Oseltamivir im Vergleich zu Placebo weniger antibiotikabedürftige Atemwegsinfektionen als Komplikation auf.

Diesen Patienten drohen vermehrt Grippe-Komplikationen

  • Über 65-Jährige
  • Patienten mit chronischen Grunderkrankungen (z.B. chronische Herz-, Lungen-, Nieren- oder Leberkrankheiten bzw. neurologische oder metabolische Erkrankungen)
  • Schwangere sowie Frauen bis zu zwei Wochen nach der Geburt
  • Menschen mit morbider Adipositas (BMI > 40 kg/m2)
  • Patienten, bei denen der Arzt ein erhöhtes Risiko für Grippe-Komplikationen vermutet
  • Patienten, die aufgrund einer vermuteten oder bestätigten Grippe stationär behandelt werden
  • Immunkompromittierte (Z. n. Chemotherapie, Asplenie, HIV-Infektion oder langfristige Steroidtherapie)
Verschiedene Gesundheitsbehörden einschließlich der WHO raten dazu, eine vermutete oder bestätigte Influenza bei Patienten mit erhöhtem Komplikationsrisiko (siehe Kasten) antiviral zu behandeln. Am effektivsten wirkt diese Therapie, wenn sie innerhalb von 48 Stunden nach Symptombeginn eingeleitet wird. Die Autoren erinnern jedoch an mögliche Nebenwirkungen wie Übelkeit bei jedem 28. und Erbrechen bei jedem 22. unter Neuraminidasehemmern. Hausärzte, die ein solches Vorgehen erwägen, sollten daher das Für und Wider der Behandlung mit ihren Patienten besprechen. In bestimmten Fällen befürworten das National Institute for Health and Care Excellence (NICE) und Public Health England eine antivirale Chemoprophylaxe. Die Postexpositionsprophylaxe (PEP) mitOseltamivir oder Zanamavir kann den Ausbruch der Infektion verhindern oder zumindest deren Verlauf abmildern.

Strenge Indikationen für die Postexpositionsprophylaxe

Während einer Grippewelle sehen die Experten eine PEP-Indikation, wenn folgende Faktoren zusammenkommen:
  • Hochrisikopatient 
  • enger Kontakt zu Personen mit vermuteter oder bestätigter Influenza 
  • Möglichkeit, innerhalb von 48 Stunden (Oseltamivir) oder 36 Stunden (Zanamivir) die PEP zu starten n während der aktuellen Grippe-Saison nicht geimpft bzw. Impfung < 14 Tage seit dem Kontakt mit erkrankter Person oder Infektions-Ausbruch in geschlossener Einrichtung unabhängig vom Impfstatus.

Ghebrehewet S et al. BMJ 2016; online first

Die „Erkältung“ kommt zu Recht von „kalt“

Wann die jährliche Grippeepidemie beginnt, kann man einer schwedischen Studie zufolge ziemlich genau vorhersagen. Nicklas Sundell von der Universität Göteborg und Kollegen analysierten den Zusammenhang zwischen Wetterlage und saisonaler Aktivität von Viren, die Atemwegsinfekte hervorrufen – insbesondere Influenza A. Anhand von über 20 000 Nasenabstrichen, die im Verlauf von ca. drei Jahren gesammelt worden waren, verglichen die Forscher die PCR-Ergebnisse mit den jeweiligen lokalen Wetterdaten. Dabei stellte sich heraus, dass es etwa eine Woche nach einer ersten trockenen Kälteperiode (< 0 °C) der Saison zum Ausbruch der jährlichen Influenza-Epidemie kommt. Das könnte daran liegen, dass trockene Winterluft die Ausbreitung von Aerosol-Partikeln und damit die Übertragung bestimmter Atemwegsviren erleichtert. Nicht nur Influenza-A-, sondern auch RS- und Coronarviren wurden in trockener, kalter Luft häufiger übertragen.

Sundell N et al. J Clin Virol 2016; online first

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Grippekranke sollten erst nach 24-stündiger Fieberfreiheit wieder zur Arbeit oder Schule gehen. Grippekranke sollten erst nach 24-stündiger Fieberfreiheit wieder zur Arbeit oder Schule gehen. © fotolia/underdogstudios