Augen zu und durch – In der Grippesaison liegt es an Ihnen, Impfmuffel zu überzeugen

Dr. Sascha Bock

Gerade bei älteren oder pflegebedürftigen Patienten macht ein adäquater Impfschutz Sinn. Gerade bei älteren oder pflegebedürftigen Patienten macht ein adäquater Impfschutz Sinn. © fotolia/Studio M

Ein Placebo. Zu viele Nebenwirkungen. Ich bleibe auch so gesund. Alles beliebte Argumente gegen die Influenzaimpfung. Aufklären und Aussagen entkräften lautet jetzt die Devise. Letztlich geht es bei der Immunisierung nicht um absoluten Schutz, sondern um Risikoreduktion.

Eine Effektivität von gerade einmal 41 % bescheinigte das Robert Koch-Institut (RKI) der Influenza­impfung für die Saison 2016/17. Kein Wunder, dass nur ungefähr jeder dritte über 60-Jährige diese Präventionsmaßnahme wahrnimmt. Bei solchen Zahlen zur Wirkung handelt es sich jedoch nur um Momentaufnahmen, erinnerte Professor Dr. Helmut Fickenscher, Präsident der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten. Es gebe durchaus Jahre, in denen der Impfstoff zuverlässig anschlägt. Das RKI selbst beziffert den Schutz im Optimalfall auf 80 %.

„Natürlich hätte man gerne absolut verlässliche Vakzinen“, so der Experte, „deutliche Ausreißer nach oben oder unten wird es bei der Influenza aber immer wieder geben.“ Das liegt in der Natur der Sache: Die Variabilität der Virus­stämme macht es unmöglich, sich einer 100%igen Effektivität zu nähern. Besonders in den letzten beiden Saisons haben sich die kursierenden Stämme deutlich verändert, räumte Prof. Fickenscher ein. Grundsätzlich sei die Impfung eine sehr wichtige Möglichkeit, die Ansteckungsgefahr einzugrenzen.

Die individuelle Ausprägung der Infektion – von hohem Fieber bis asymptomatisch – weckt regelmäßig Skepsis gegenüber dem Impfen. Auch wenn die Krankheit überwiegend nicht lebensbedrohlich verläuft, ist die Zahl influenzabedingter Todesfälle dem Experten zufolge beachtlich. Laut RKI sterben während einer schweren Grippewelle ca. 20 000 Menschen, in einer milden Saison herrscht keine Übersterblichkeit.

Vor allem bei älteren Patienten gewinnt ein adäquater Impfschutz an Relevanz, betonte Prof. Fickenscher. Sollte der Impfstamm nicht ideal zum grassierenden Virus passen, bestehen trotzdem gute Chancen, schwere Verläufe, die in dieser Altersgruppe häufiger mit einer hohen Letalität verbunden sind, zu verhindern. Gerade bei Pflegebedürftigen wie Demenzkranken kann man sich nicht auf allgemeine Hygienemaßnahmen zur Infektionsprophylaxe verlassen. Ihnen gelingt es kaum, diese umsetzen.

Grippeschutz für Keimschleudern lässt auf sich warten

Kinder sind Virenschleudern. Experten fordern daher vermehrt, den Grippeschutz für Kinder vonseiten der STIKO offiziell zu empfehlen.„Grundsätzlich wäre dieser Ansatz sehr sinnvoll“, meint Prof. Fickenscher. Doch die Effizienz der aktuell verfügbaren Vakzinen reiche dafür offenbar nicht aus. Die Erfahrung der letzten Jahre hat auch den Enthusiasmus um die nasale Lebendimpfung, die hierzulande seit 2012 zur Verfügung steht, gebremst. Initial übezeugende Daten zur Wirksamkeit konnten nicht bestätigt werden. Die STIKO hat daher die Empfehlung, den Lebendimpfstoff bei Kindern zwischen zwei und sechs Jahren zu bevorzugen, zurückgenommen.

Oft stellen Patienten auch den Sinn des alljährlichen Impfrituals infrage. Die aktuellen Vakzinen der Saison 2017/18 zum Beispiel unterscheiden sich lediglich in einer Komponente vom Vorgänger.

Anitkörpervielfalt deckt leicht veränderte Viren ab

Was viele dabei vergessen: Identisch gebliebende Virusstämme führen zu einer Boosterung. Zudem baut sich durch die repetitive Impfung eine Antikörpervielfalt auf, die ein einigermaßen breites Spektrum abdeckt. Dadurch werden Viren, die sich u.a. aufgrund eines Antigendrifts leicht verändert haben, besser bekämpft. Bei geschwächten Patienten mit Komorbiditäten ein wesentliches Zusatzargument. Immer wieder machen Berichte über ausgeprägte Nebenwirkungen der Vakzine die Runde. Vieles davon kann Prof. Fickenscher „absolut nicht nachvollziehen“. Vergiftungen durch Adjuvanzien wie Aluminum, die gerne im Rahmen der pädiatrischen Impfserie angeführt werden, seien unrealistisch. Es liege schließlich keine Dauerexposition vor, verabreicht werden sehr geringe Einzeldosen. Ohnehin kommen beim Grippeschutz inzwischen vermehrt neue Adjuvanzien zum Einsatz. Nebenwirkungen, die sich auf eine Impfung zurückführen lassen, sollten aber grundsätzlich gut dokumentiert werden, mahnte der Kollege.

Tetra- vs. trivalent

Die STIKO hält sich zurück, wenn es um die Wahl zwischen tri- und tetravalenten Influenzavakzinen geht. Laut arzneitelegramm sind klinische Wirkvorteile für die Vierervariante nicht belegt.* Prof. Fickenscher hingegen sieht einen großen Vorteil, weil zusätzliche Influenza-B-Viren mit erwischt werden. In der Saison 2015/16 z.B. dominierten entsprechende Stämme. Im Frühjahr 2017 hätte eine Impfung mit der Viererkombi allerdings kaum einen Unterschied gemacht, räumt der Kollege ein.

*arznei-telegramm 2017; 48: 69

Bei der beliebten Ausrede „Nach der letzten Impfung hatte ich eine Woche lang Fieber“ lautet der einfache Rat: Nachfragen! Dann werden aus einer Woche plötzlich zwei Tage. Wirklich gemessen haben die wenigsten ihre vermeintlich erhöhte Körpertemperatur, so die Erfahrung von Prof. Fickenscher. Medizinisches Fachpersonal ist von solchen Ausflüchten ausdrücklich nicht ausgenommen.

Auch viele Klinikärzte finden kreative Ausreden

Insbesondere Klinikärzte scheinen sich für unverwundbar zu halten: Nur maximal jeder fünfte von ihnen unterzieht sich der Influenza­impfung. Gerne wird das Argument „Ich kann ja leicht vertreten werden“ vorgeschoben. Zwar müsse letztlich jeder ein Stück weit für sich selbst entscheiden, ob er sich impfen lässt oder nicht. Doch dass die Grippe mehr als nur ein hypothetisches Risiko birgt, hat Prof. Fickenscher vor einigen Jahren am eigenen Leib erfahren. Eine ganze Woche war er regelrecht ausgeknockt. Seitdem holt er sich regelmäßig den Grippeschutz. „Der Eindruck war so drastisch, dass ich die Impfung nur empfehlen kann“, sagte der Kollege. 

Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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Gerade bei älteren oder pflegebedürftigen Patienten macht ein adäquater Impfschutz Sinn. Gerade bei älteren oder pflegebedürftigen Patienten macht ein adäquater Impfschutz Sinn. © fotolia/Studio M