Internet-Spielsucht statt reale Hobbys und Freundschaften

Dr. Dorothea Ranft; Foto: thinkstock

Immer mehr Jugendliche leiden unter Internetspielsucht. Doch wie erkennen Sie gefährdete Patienten und was kann therapeutisch helfen?

Der Begriff „Computerspielsucht“ (internet gaming disorder) bezeichnet eine Sonderform der Internet­abhängigkeit, die vor allem bei männlichen Jugendlichen auftritt. Neben diversen Online-Games – vom Rollen- bis zum Glücksspiel – nutzen Betroffene häufig auch extensiv soziale Netzwerke. Kaufportale und Sexangebote werden dagegen in dieser Altersgruppe eher selten nachgefragt.

Der Zwang als Zeichen der Abhängigkeit:  "Ich muss spielen"

Anfangs wird der eigene Umgang mit dem Internet von den Jugendlichen positiv erlebt. Doch mit zunehmender Abhängigkeit entwickelt sich daraus immer mehr ein Zwang, schreiben 
Michael Dreier und seine Kollegen von der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz.


In Deutschland weist etwa jeder hundertste Jugendliche bereits deutliche Suchtmerkmale auf, knapp 10 % gelten als gefährdet, so das Ergebnis einer europäischen Siebenländerstudie (EU-NET-ADB-Projekt). Bei der genaueren Analyse einer Stichprobe von 124 Teilnehmern kristallisierten sich vier Typen, A bis D, des exzessiven Nutzungsverhaltens heraus.

Nicht alle Suchtgefährdeten benötigen eine Intervention

Anders sieht es bei den Typen A und D aus. Die Autoren bezeichnen deren Strategien mit Umgehen elterlicher Kontrolle, Bagatellisierung und Legitimierung des exzessiven Nutzungsverhaltens als maladaptiv.


Bereits ein exzessiver Internetgebrauch ohne Suchtcharakter kann die psychosoziale Entwicklung Jugendlicher stören. Betroffene fallen häufig durch verstärkte Aggressio­nen, Leistungsschwäche und soziale Unsicherheit auf. Nicht selten leiden die jungen Patienten zusätzlich unter Ängsten, Depressionen und Aufmerksamkeitsstörungen.


Anders sieht es bei den Typen A und D aus. Die Autoren bezeichnen deren Strategien mit Umgehen elterlicher Kontrolle, Bagatellisierung und Legitimierung des exzessiven Nutzungsverhaltens als maladaptiv.

Vier Typen im Internet

  • Typ A ist „im Netz gefangen“ und vernachlässigt fürs Internet bereits Freunde, Schule und Hobbys. Er fühlt sich gestresst, wenn er nicht im Netz sein kann. Trotz Kenntnis der negativen Konsequenzen vermag er seine Online-Aktivitäten kaum zu reduzieren. Medizinisch wird dieser Typ als „süchtig“ klassifiziert.

  • Typ B dagegen fällt durch ausgeprägte soziale Kompetenz auf. Er pflegt vielfältige Online- und Offline-Aktivitäten und ist sich sicher, alles auf die Reihe zu bekommen.

  • Typ C neigt zu extensiver Internetnutzung, vermag diese aber bei negativen Konsequenzen (z.B. Leistungsabfall in der Schule) selbst zu regulieren.

  • Typ D geht aus Langeweile ins Internet und hat keine alternativen Interessen – mit (pathologischem) Spielen „schlägt er die Zeit tot“.


Bereits ein exzessiver Internetgebrauch ohne Suchtcharakter kann die psychosoziale Entwicklung Jugendlicher stören. Betroffene fallen häufig durch verstärkte Aggressio­nen, Leistungsschwäche und soziale Unsicherheit auf. Nicht selten leiden die jungen Patienten zusätzlich unter Ängsten, Depressionen und Aufmerksamkeitsstörungen.


Deshalb sollte man Jugendliche mit exzessiver Computernutzung immer fragen, ob sie Schwierigkeiten mit den Schulleistungen oder im sozialen Leben haben. Da die Betroffenen zur Dissimilation neigen, ist auch die Bewertung des Internetverhaltens durch die Eltern wichtig.

Verhaltenstherapie in der Gruppe verspricht Erfolg 

Therapeutisch setzt man heute primär auf eine Reduzierung der Online-Zeiten auf ein normales Maß – im Unterschied etwa zur Alkoholabhängigkeit wird keine vollständige Abstinenz angestrebt. Außerdem sollen die Patienten alternative Verhaltensweisen (wieder)erlernen und die gewohnten Online-Kontakte durch echte Freundschaften ersetzen.


Erste Forschungsergebnisse sprechen dafür, dass eine Verhaltenstherapie in der Gruppe auch bei der Computerspielsucht wirkt. Bei deutlichen Entwicklungseinbußen empfehlen die Autoren eine kinder- und jugendpsychotherapeutische Abklärung.


Michael Dreier et al., 
Monatsschr Kinderheilk 2014; 162: 496-502


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