Junger Mann überlebt lebensbedrohliche Verletzung

Dr. Sonja Kempinski

Das Überleben nach einem Messerstich ins Herz hängt vor allem von der Arbeit im Schockraum, der interdisziplinären Zusammenarbeit und der Ausprägung der Verletzung ab. Das Überleben nach einem Messerstich ins Herz hängt vor allem von der Arbeit im Schockraum, der interdisziplinären Zusammenarbeit und der Ausprägung der Verletzung ab. © vinzstudio – stock.adobe.com

Messerstiche ins Herz verlaufen oft, aber nicht immer tödlich. Entscheidend für ein gutes Outcome sind die perfekte Zusammenarbeit zwischen Notarzt, Schockraumteam und Herzchirurgen – und ein günstig verlaufender Stichkanal, wie ein Hamburger Fall aufzeigt.

Freitagabend, 21:40 Uhr, Alarm im Schockraum: Angekündigt wird ein 20-Jähriger mit lebensbedrohlicher Messerstichverletzung in der Brust. Das Team bereitet die Notfallthorakotomie vor, 0-positive Blutkonserven werden bereitgestellt. Zwölf Minuten später trifft das Opfer intubiert und unter laufender Reanimation ein. Der Notarzt berichtet, dass der Mann zunächst noch ansprechbar war, dann aber rapide bis zum Kreislaufstillstand abbaute.

Jetzt muss es schnell gehen: Das Team informiert die Herzchirurgen und setzt den Schockraum-Algorithmus fort. Innerhalb von acht Minuten werden zwei Bülau-Drainagen und mehrere großvolumige Zugänge gelegt sowie mit der forcierten Volumengabe und der Massentransfusion begonnen. Der Spontankreislauf stellt sich wieder ein, mithilfe hoch dosierter Katecholamine erreicht man einen ausreichenden Perfusionsdruck, schreiben Dr. Thomas Kian Hok Phoa und Kollegen von der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sportorthopädie an der Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg. Die rechte Bülau-Drainage liefert nichts, aber aus der linken entleert sich direkt 1,5 Liter hellrotes Frischblut. Die Kollegen entscheiden sich deshalb für eine sofortige Sternotomie und legen sowohl einen arteriellen Zugang als auch zwei  Shaldon-Katheter an. 

Um 22:00 Uhr beginnt der Eingriff nach zügigem Einwaschen und notdürftiger Hautdesinfektion. Es zeigen sich eine mäßige Perikardtamponade und viel Frischblut links pleural, die Blutungsquelle ist ein Durchstich des linken Ventrikels von anterolateral nach links dorsal. Entlastung des Perikards und Volumentherapie führen zu einer kräftigen und hochfrequenten Herzaktion, sodass die Katecholamine reduziert werden können. Um die Stichwunde zu übernähen, müssen Bluteinstrom und Druck im Herz gesenkt werden. Dazu klemmen die Herzchirurgen kurzfristig die Vena cava inferior ab. Das perikardiale und links pleurale Blut wird maschinell mittels Autotransfusionssystem aufgearbeitet und retransfundiert.

Umfassendes Volumen- und Gerinnungsmanagemant

Zur Rettung des Patienten war einiges nötig: Insgesamt bekam er neun Erythrozytenkonzentrate, 1 l mittels Autotransfusionssystem aufgearbeitetes Blut, sechs Beutel Fresh Frozen Plasma und ein Thrombozytenkonzentrat. Zur Kontrolle der Gerinnung verabreichten die Ärzte 2 g Tranexamsäure, 6 g Fibrinogen, 8 g Kalzium und 2.000 IE Prothrombinkomplex-Konzentrat.

Knochen bewahrt Herz vor weiterem Messerstich

Die gründliche Inspektion ergibt keine weitere Blutungsquelle und auch keine Lungenverletzung – ein zweiter parasternaler Messerstich rechts wurde offenbar vom Knochen aufgehalten. Unter Bluttrockenheit werden die zwei Bülau-Drainagen durch vier Thoraxdrainagen ersetzt, Antibiotikaträger eingelegt und Sternum und Wunde wieder verschlossen.

Die Ganzkörper-CT gibt Entwarnung: Es sind weder Frühzeichen eines hypoxischen Hirnschadens noch weitere Verletzungen erkennbar. Nach chirurgischer Versorgung von oberflächlichen Schnittwunden am linken Arm wird der Patient schließlich auf die Intensivstation verlegt.

Wundheilung und Weaning verlaufen unproblematisch. Allerdings zeigt sich der Patient nach Extubation delirant und stark agitiert. Zu erklären ist dies durch das erlittene schwere Trauma und die Maximaltherapie, aggraviert durch eine Sprachbarriere und Entzugsymptome bei mutmaßlichem Drogenmischkonsum. Unter milder Sedierung, anxiolytischer Therapie und Zuhilfenahme eines Dolmetschers bessern sich die psychischen Symptome zügig. Nach 19 Tagen verlässt der junge Mann die Klinik unbemerkt und ohne Rücksprache. Die Kollegen erwarten prognostisch eine Restitutio ad integrum

Nicht immer gehen Messerstiche ins Herz so gut aus wie bei diesem 20-Jährigen, schreiben die Hamburger Kollegen. Von vier Patienten mit penetrierenden Herzverletzungen in der eigenen Klinik im Jahr 2023 starben zwei während der Notfalloperation. Entscheidend für das Überleben im beschriebenen Fall war neben dem konsequenten Befolgen des Schockraumalgorithmus und der optimalen interdisziplinären Zusammenarbeit die Art der kardialen Verletzung. Durch den anatomisch günstigen Stichkanal in Kombination mit einer ausreichend großen pleuroperikardialen Eröffnung wurden Herzbeuteltamponade und schnelles Verbluten verhindert.

Quelle: Kian Hok Phoa T et al. Hamburger Ärzteblatt 2024; 2: 34-35

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Das Überleben nach einem Messerstich ins Herz hängt vor allem von der Arbeit im Schockraum, der interdisziplinären Zusammenarbeit und der Ausprägung der Verletzung ab. Das Überleben nach einem Messerstich ins Herz hängt vor allem von der Arbeit im Schockraum, der interdisziplinären Zusammenarbeit und der Ausprägung der Verletzung ab. © vinzstudio – stock.adobe.com