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Kausale Therapie durch Supplementierung mit Coenzym Q10 möglich

Bereits im Alter von 11 Jahren hatte man bei dem Patienten eine Epilepsie diagnostiziert, die sich mit Levetiracetam gut kontrollieren ließ. Als Kind besuchte er eine Sonderschule und war immer ungeschickt und schlecht im Sport. Bevor seine aktuelle Leidensgeschichte begann, war er ein Jahr lang anfallsfrei gewesen. Dann entwickelte er eine fokale Epilepsie mit klonischen Krampfanfällen des linken Arms. Im MRT zeigten sich bilaterale Läsionen occipital-parietal, was zur Diagnose eines atypischen posterioren reversiblen Enzephalopathie-Syndroms (PRES) führte. Da sich die Krampfanfälle innerhalb eines Monats trotz der Gabe von sechs verschiedenen Antikonvulsiva – Levetiracetam, Lacosamid, Eslicarbazepin, Clobazam, Phenobarbital und Cenobamat – nicht besserten, stellte man ihn in der neurologischen Notfallabteilung vor.
Der Patient benötigte umfassende Alltagshilfe
Der 28-Jährige zeigte rhythmische, ruckartige Bewegungen der gesamten linken Körperseite und gelegentlich auch rechtsseitige Krampfanfälle, wie Jonathan LoVoi und Mitarbeitende des Valley Medical Centers berichten. Der Mann war zwar bei Bewusstsein und konnte sich verbal äußern. Allerdings waren Wachheit und Aufmerksamkeit eingeschränkt und er benötigte umfassende Hilfe bei allen täglichen Verrichtungen inklusive Essen und Baden. Um die Krampfanfälle endlich in den Griff zu bekommen, fuhr das Team der Notfallabteilung schwerere Geschütze auf. Der Patient wurde auf die Intensivstation verlegt, intubiert, beatmet und erhielt Infusionen mit Propofol, Midazolam und Pentobarbital. Vorübergehend ließen sich so die Krämpfe unterdrücken, kehrten aber beim Versuch, ihn von der Beatmung zu entwöhnen, zurück. Nach drei Wochen hatten sie sich sogar noch intensiviert.
Die Wende brachte schließlich die Sequenzierung des Exoms, d. h. aller protein-kodierenden Bereiche von Genen in einem Genom. Hierbei fand man pathologische Varianten von COQ8A, eines Gens, das für die Kodierung von Coenzym Q10 (CoQ10) zuständig ist. CoQ10 spielt eine wichtige Rolle in der Atmungskette und der zellulären Energieproduktion.
Weniger als 70 Fälle dieser Erkrankung weltweit
Der primäre CoQ10 Mangel-4 ist eine sehr seltene Erkrankung mit weniger als 70 berichteten Fällen weltweit. Typischerweise manifestiert sich diese Mitochondriopathie bereits in der Kindheit mit Ataxie und cerebellärer Atrophie. Aber auch andere Symptome wie Epilepsie und ein späterer Beginn sind möglich.
Die Gabe von CoQ10 besserte den Zustand des jungen Mannes. Innerhalb von zwei Wochen schwächten sich die Krampfanfälle deutlich ab und die Beatmung konnte beendet werden. Spurlos an ihm vorübergegangen war die Episode aber nicht. Der Mann litt bei Entlassung unter einem Myoklonus des linken Arms, kognitiver Beeinträchtigung und schwerer Ataxie. Darüber hinaus war er erblindet. Die weitere Behandlung sollte in einer Rehabilitationsklinik erfolgen. Ob eine frühere Diagnose und Therapie den Verlauf geändert hätten, können die Autorinnen und Autoren nicht abschließend beantworten. Sie sprechen sich dafür aus, eine Exom-Sequenzierung bei entsprechend selektierten schwer kranken Patientinnen und Patienten mit vermutetem Gendefekt durchzuführen.
Quelle: LoVoi J et al. Neurol Genet 2024; 10: e200184; doi: 10.1212/NXG.0000000000200184
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