Die Konsequenz des Langzeitüberlebens

Dr. Judith Lorenz

Die lebensrettenden multimodalen Krebstherapien, dank dessen viele Krebspatient:innen im Kindes- oder Jugendalter überleben, bleiben nicht ohne Folgen. Die lebensrettenden multimodalen Krebstherapien, dank dessen viele Krebspatient:innen im Kindes- oder Jugendalter überleben, bleiben nicht ohne Folgen. © Pixel-Shot – stock.adobe.com

Die Überlebenschancen von an Krebs erkrankten Kindern und Jugendlichen sind dank moderner Behandlungsmethoden hoch. Allerdings bleibt ein erhöhtes Risiko für gesundheitliche Beeinträchtigungen bestehen sowie häufige chirurgische Eingriffe.

Viele der im Kindes- oder Jugendalter an einem malignen Tumor erkrankten Patient:innen überleben mittlerweile Jahrzehnte. Die lebensrettenden multimodalen Krebstherapien bleiben jedoch nicht ohne Folgen, schreiben Kolleg:innen um Dr. ­Bryan V. ­Dieffenbach vom Boston Children‘s Hospital und dem Brigham and Women‘s Hospital: Chronische Erkrankungen und Zweitmalignome sowie eine verkürzte Lebenserwartung sind der Preis. 

Die Forschenden gingen nun der Frage nach, wie häufig sich junge Krebspatient:innen in ihrem weiteren Leben größeren Operationen unterziehen müssen. Hierzu werteten sie die Daten der Childhood Cancer Survivor Study (CCSS) aus: Das Analysekollektiv umfasste 25.656 Personen, die zwischen 1970 und 1999 im Alter unter 21 Jahre – im Median mit 6,1 Jahren – aufgrund eines Malignoms an einem von 31 US-Zentren behandelt worden waren und anschließend mindestens fünf Jahre überlebt hatten. Das Tumorspektrum umfasste dabei unter anderem Leukämien, Lymphome, Knochen- und ZNS-Tumoren, Wilmstumoren sowie Neuroblastome. Anhand der während der im Median rund 22 Jahre dauernden Beobachtungszeit erhobenen Daten berechneten die Forschenden die mittlere kumulative Häufigkeit (MCC) größerer, in Narkose durchgeführter chirurgischer Eingriffe, welchen sich die ehemaligen Erkrankten später als fünf Jahre nach der Krebsdiagnose unterziehen mussten. Das Vergleichskollektiv bildeten 5.045 gesunde Geschwister der Patient:innen. 

Weiterer Forschungsbedarf

Kolleg:innen um Prof. Dr. ­Danny ­Youlden vom Viertel Cancer Research Centre in Brisbane sehen weiteren Forschungsbedarf bezüglich der chirurgischen Langzeitkonsequenzen von Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter: Große Bevölkerungsstudien müssten beispielsweise klären, warum ein weibliches Geschlecht häufige Operationen begünstigt und inwiefern verschiedene onkologische Therapiestrategien, die soziale Schichtzugehörigkeit oder geografische Faktoren die Behandlungsergebnisse beeinflussen.

Quelle:
'Youlden DR et al. Lancet Oncol 2023; DOI: 10.1016/S1470-2045(23)00166-3

Fast doppelt so viele Operationen notwendig

Die MCC operativer Eingriffe nach 35 Jahren betrug im Kollektiv der Langzeitüberlebenden rund 207, im Kontrollkollektiv dagegen nur 129 pro 100 Personen. Dies entspricht einer um den Faktor 1,8 höheren Eingriffsrate (adjustierte Rate Ratio, aRR, 1,8; 95%-KI 1,7–1,9). Die Operationen betrafen dabei im Wesentlichen alle großen Organsysteme wie das ZNS, das Herz-Kreislauf-System, das endokrine System, die Atemwege, die Wirbelsäule, die Brust, die Niere und die Harnwege, den Bewegungsapparat, den Gastrointestinaltrakt sowie die Kopf-Hals-Region. 

Die höchste kumulative Operationsbelastung betraf dabei Menschen mit einem überlebten Hodgkin-Lymphom, Ewing- bzw. Osteosarkom. Weibliche Krebsüberlebende mussten sich im Vergleich zu den männlichen Betroffenen häufiger einer Operation unterziehen (aRR 1,4; 95%–KI 1,4–1,5). Weiterhin stellten die Forschenden fest, dass nach einer Tumordiagnose in den 1990er-Jahren deutlich häufiger chirurgische Eingriffe erforderlich wurden als nach einer Diagnose in den 1970er-Jahren (aRR 1,4; 95%–KI 1,3–1,5).

Langzeitüberlebende von Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter und deren Familien müssen über das erhöhte Operationsrisiko beraten und bezüglich chirurgisch behandlungsbedürftiger Komplikationen überwacht werden, schließen die Autor:innen.

Quelle:
Dieffenbach BV et al. Lancet Oncol 2023; DOI: 10.1016/S1470-2045(23)00154-7

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