Komplikationen vermeiden durch An- und Absetzen von Gerinnungshemmern

Dr. Angelika Bischoff

Die Prävalenz der postoperativen tiefen Venenthrombose beträgt beim Hüftgelenksersatz 40–60 %.  Die Prävalenz der postoperativen tiefen Venenthrombose beträgt beim Hüftgelenksersatz 40–60 %. © Science Photo Library/Thomas, Mark

Operationen bringen ein hohes Risiko für venöse Thromboembolien mit sich. Die Antikoagulation vor, während und nach elektiven chirurgischen Eingriffen folgt einem individuellen Algorithmus, der unter anderem von der Art des Eingriffs abhängt.

Die Wahrscheinlichkeit für venöse Thrombo­embolien (VTE) in Zusammenhang mit Operationen beträgt auch im Zeitalter der routinemäßigen Antikoagulation durchschnittlich 25 %. Die Höhe des Risikos variiert jedoch individuell erheblich und hängt von der Art des Eingriffs und von Patientenfaktoren ab. Was Letztere angeht, sind vor allem Patienten mit positiver – insbesondere unprovozierter VTE-Anamnese und/oder mit Krebserkrankungen bedroht, schreiben Dr. Randi Pose vom Martini-Klinik Prostatakrebszentrum und Koautoren.

Zu den Operationen mit hohem VTE-Risiko gehören:

  • Hüft- und Kniegelenksendoprothetik
  • größere Eingriffe in Körperhöhlen der Brust- und Bauchregion
  • invasive neurochirurgische Interventionen
  • vaskuläre Verfahren
  • große gynäkologische oder urologischen Eingriffe in der Bauch- und Beckenregion bei malignen Tumoren oder entzündlichen Erkrankungen

Mit den immer kürzeren Liegezeiten besteht zudem das Problem, dass VTE häufig erst auftreten, wenn der Operierte das Krankenhaus schon wieder verlassen hat. Doch nach den Ergebnissen früherer randomisierter Studien kann den Autoren zufolge die Gabe von Heparin das postoperative VTE-Risiko in etwa halbieren.

Schlaganfallprophylaxe für operativen Eingriff pausieren

Immer mehr Patienten, die sich operativen Eingriffen unterziehen müssen, sind heute auf orale Antikoa­gulanzien eingestellt. Dabei handelt es sich zunehmend um Nicht-Vitamin-K-abhängige Antikoagulanzien (NOAK), z.B. zur Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern. Diese Therapie muss für einen operativen Eingriff pausiert werden.
Entsprechendes gilt für Patienten, die nach Herzklappenersatz Vitamin-K-Antagonisten erhalten. Für diese empfehlen die ESC/EACTS-Leitlinien ein Bridging mit therapeutischen Dosen von unfraktioniertem Heparin. Auch niedermolekulare Heparine können leitliniengemäß verwendet werden, wenn auch off label. Die Autoren ziehen ein Bridging mit NMH nach eigenen schlechten Erfahrungen mit unfraktioniertem Heparin vor.

Als Beispiel für einen Eingriff mit hohem VTE-Risiko gehen die Hamburger Urologen auf die radikale Prostatektomie ein. Bei den OP-Kandidaten, die auf NOAK eingestellt sind, empfehlen sie folgenden Algorithmus: Die Patienten sollen 48–72 Stunden vor der geplanten Operation die Einnahme der NOAK beenden. Am Abend nach dem Eingriff erhalten sie 1x 40 mg Enoxaparin, ab dem ersten postoperativen Tag dann 2x täglich 0,5 mg/kg Enoxaparin subkutan. Ab dem dritten postoperativen Tag können die NOAK wieder angesetzt werden, wenn die Hämostase stimmt.

Patienten, die sich an diesen Algorithmus halten, haben erfahrungsgemäß einen komplikationsarmen peri- und postoperativen Verlauf, der sich nicht signifikant von dem der Patienten ohne NOAK-Therapie mit normaler VTE-Prophylaxe unterscheidet. Weil das VTE-Risiko nach einer radikalen Prostatektomie für vier Wochen konstant erhöht bleibt, soll die postoperative Thromboseprophylaxe (z.B. mit 1x täglich 40 mg Enoxaparin) für vier Wochen durchgeführt werden.

Gerinnungsfunktion braucht Zeit, um sich zu erholen

Erhalten Patienten Thrombozytenfunktionshemmer und besteht ein erhebliches Risiko für perioperative Blutungen, sollten diese 7–10 Tage vor elektiven Operationen abgesetzt werden. Die Gerinnungsfunktion erholt sich erst allmählich mit der Bildung neuer Thrombozyten. Ansonsten kann eine indizierte Monotherapie mit Acetylsalicylsäure (ASS) weiterlaufen, wenn ein großer Eingriff wie eine Prostatektomie durchgeführt wird.

Erhält der Patient ASS aus prophylaktischer Indikation, sollte mit dem behandelnden Arzt darüber gesprochen werden, ob diese Therapie pausiert werden kann. Patienten, die Thienopyridine einnehmen, sollten in Rücksprache mit dem behandelnden Kardiologen präoperativ auf ASS umgestellt werden­.

Keine elektiven Eingriffe führen die Hamburger Urologen bei Patienten unter laufender dualer Plättchenhemmung durch. Da diese Therapie aber in der Regel befristet ist, kann der Eingriff verschoben werden, bis der Patient nur noch eine Monotherapie mit ASS bekommt.

Quelle: Pose RM et al, Hamburger Ärzteblatt 2022; 76: 24-26

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Die Prävalenz der postoperativen tiefen Venenthrombose beträgt beim Hüftgelenksersatz 40–60 %.  Die Prävalenz der postoperativen tiefen Venenthrombose beträgt beim Hüftgelenksersatz 40–60 %. © Science Photo Library/Thomas, Mark